Keine Angst vor ... Gesprächen über Sexprobleme

Seit sie Psychopharmaka genommen hat, plagen eine junge Frau Probleme beim Sex. Eine WhatsApp-Gruppe half ihr, darüber zu sprechen.

Sandra Bähr erzählt:

Kennen Sie dieses Zahnarztgefühl – Sie wissen, Sie haben sich gerade auf die Zunge gebissen, aber Sie spüren nichts, weil alles betäubt ist? Ungefähr so geht es mir seit 15 Jahren beim Sex:

Wegen einer depressiven Phase hatte ich für einige Monate einen Serotonin-­Wiederaufnahme-Hemmer genommen. Obwohl das Jahre her ist und es mir psychisch lange sehr gut ging, merke ich bis heute Nebenwirkungen: Ich habe kaum Lust auf Sex. Meine erogenen Zonen fühlen sich an wie mein Knie.

Darüber reden konnte ich nur mit meinem damaligen Freund, aber ob er verstanden hat, was mit mir los war, das weiß ich im Nachhinein nicht. Es brauchte acht Jahre und zwei Trennungen, bis mir klarwurde, dass ich so nicht weiterleben konnte.

Als ich – vordergründig wegen Zyk­lusbeschwerden – beim Heilpraktiker war, nahm ich allen Mut zusammen: „Ich habe ein Medikament genommen. Seitdem habe ich keine Lust mehr auf Sex“, sagte ich. Aber er reagierte nicht.

Ähnlich lief es bei meiner Frauenärztin und anderen Ärzten. Jedes Mal brauchte ich Monate für einen neuen Anlauf und jedes Mal hatte ich Angst, ignoriert und als „Psycho“ abgestempelt zu werden. Schon den Tränen nah, brachte ich Wörter wie „Sex“ und „Orgasmus“ hervor – spätestens bei „Psychopharmakon“ war das Gespräch zu Ende.

Im Internet erfuhr ich schließlich von einem Verein von Menschen mit ähnlichen Schwierigkeiten. Als ich in der dortigen WhatsApp-Gruppe von den Sexproblemen anderer las, fühlte ich mich zum ersten Mal verstanden.

Das hat mir so viel Rückhalt gegeben, dass ich nun sogar mit Fachleuten im Austausch bin und Vorträge halte.

Sandra Bähr ist Vorsitzende des Vereins „PSSD Hilfe“

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