Dass der Mensch in den letzten zwei Jahrhunderten, was seine statistisch errechenbare Lebensdauer betrifft, etliche Jahre dazugewonnen hat, ist eine unwiderlegbare Tatsache. Wir leben heute zwar länger als unsere Vorfahren, doch, aufs Ganze gesehen, erheblich kürzer. Ein widersprüchlicher Befund? Keineswegs, wie Arthur E. Imhof, Professor für Sozialgeschichte und Historische Demografie an der Freien Universität Berlin, ausführt. Früher – so Imhof – lebten die Menschen durchschnittlich 40 Erdenjahre plus x (x = ewige Himmelsjahre). Heute leben die Menschen mindestens so lange, wie es Psalm 90,10 sagt: „Unser Leben währt siebzig Jahre, und wenn es hochkommt, sind es achtzig.“
Den Blick ganz auf den Himmel, aufs Jenseits gerichtet – so haben die Menschen früher gelebt; den Blick ganz auf die Erde, aufs Diesseits gerichtet – so leben die Menschen heute. Es scheint – geschichtlich betrachtet – wieder einmal so zu sein, dass der Pendelausschlag beim gegenüberliegenden Extrempunkt angelangt ist. War lange Zeit überwiegend die Vertröstung aufs Jenseits gang und gäbe, ist es jetzt die Vertröstung aufs Diesseits.
Früher wussten die Menschen, wie sie auf die Katechismusfrage „Wozu sind wir auf Erden?“ zu antworten hatten: „Um in den Himmel zu kommen!“ Heute, wo sich der Himmel erledigt hat, wissen die Menschen die alte Katechismusfrage so zu beantworten: „Um aus dem Leben das herauszuholen, was herauszuholen ist!“ Dass die Leute heute so reden, ist durchaus „logisch“. Denn da kein Himmel (mehr) ist, ist dieses Leben auf der Erde die „letzte Gelegenheit“ (Marianne Gronemeyer), zu leben und etwas zu erleben.
Die Dinge des Lebens ohne die „letzten Dinge“ – geht die „Logik“ einer solchen Lebensrechnung auf? Oder einmal so gefragt: Was erwarten die Menschen vom Leben, wenn der Gedanke an ein weiteres Leben jenseits des Todes ein mehr und mehr schwindender beziehungsweise ein nach und nach bereits…
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