Destruktiv, aber erfolgreich

Grandios-narzisstische Personen streben Führung an und sind in solchen Positionen erfolgreich. Allerdings leiden die Beschäftigten darunter.

Die Illustration zeigt einen jungen Mann, der umringt ist von Symbolen, und nur an sich  denkt und zielgerichtet  und rücksichtslos Erfolge erzielt
© Daniel Balzer, www.dbsign.de, für Psychologie Heute

Personen mit hohen Ausprägungen an Narzissmus gelangen häufiger als andere in Führungspositionen. Zum einen streben sie nach Positionen, die ihnen Status und die Anerkennung anderer bringen, zum anderen verkörpern sie auch häufig das, was wir mit Führung verbinden: Sie strahlen Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen aus und agieren charismatisch und überzeugend. Allerdings leiden die Beschäftigten häufig unter dem Verhalten solcher Führungskräfte, die sich auch durch Anspruchsdenken, Manipulation und…

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Verhalten solcher Führungskräfte, die sich auch durch Anspruchsdenken, Manipulation und Abwertung auszeichnen. Was können Unternehmen und auch Beschäftigte selbst tun, um den negativen Einfluss narzisstischer Führungskräfte zu mindern?

Die „dunkle Seite“ der Führung erfährt in den letzten Jahren sowohl in der Wissenschaft als auch in den Medien große Aufmerksamkeit. Berichte über Führungskräfte, die Beschäftigte erniedrigen, manipulieren und demütigen, sind keine Seltenheit. Neben wirtschaftlichen Auswirkungen durch destruktive Führung ist vor allem die individuelle Belastung für Beschäftigte anzumerken. So zeigen sich negative Zusammenhänge von destruktiver Führung mit Wohlbefinden, Leistung und Zufriedenheit der betroffenen Beschäftigten.

Bei der Frage, wie es zu destruktiver Führung kommt, ist einerseits auf bestimmte Rahmenbedingungen in Organisationen hinzuweisen – beispielsweise ein feindseliges Organisationsklima –, vor allem aber auf die Persönlichkeit der Führungskraft. Personen mit hohen Ausprägungen an grandiosem Narzissmus zeichnen sich durch dominantes, extravertiertes und häufig charismatisches Auftreten aus. Sie streben danach, Führungspositionen einzunehmen, und werden auch häufig für diese ausgewählt, da sie dem gängigen Stereotyp von Führung entsprechen.

Die Antwort auf die Frage, ob diese Personen dann auch „gute Führungskräfte“ sind, hängt von der Perspektive ab: So steht Narzissmus mit der selbsteingeschätzten Effektivität als Führungskraft in Zusammenhang. Das ist wenig überraschend, da Narzissmus gekennzeichnet ist durch das übergeordnete Ziel, ein grandioses Selbstbild aufrechtzuerhalten. Fragt man dagegen ihre Vorgesetzten, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen oder Kollegen und Kolleginnen, zeigt sich ein anderes Bild. Personen mit hohen Ausprägungen an Narzissmus sehen andere meist nur als Mittel, um ihre eigenen Ziele zu erreichen. Sie haben wenig Interesse an den Bedürfnissen anderer und verhalten sich egozentrisch und selbstsüchtig.

Beschäftigte von narzisstischen Führungskräften berichten von geringer Beziehungsqualität, niedriger Zufriedenheit und hoher emotionaler Erschöpfung. Die arbeitspsychologische Forschung der letzten Jahre hat gezeigt, dass für die Vorhersage destruktiver Führung und negativer Effekte für Mitarbeiterinnen vor allem die Facette der narzisstischen Rivalität bedeutsam ist. Diese ist gekennzeichnet durch den Wunsch nach Überlegenheit, der über Abwertung anderer ausgelebt wird.

Personen mit hohen Ausprägungen an narzisstischer Rivalität reagieren sehr empfindlich auf Bedrohungen ihres überhöhten Selbstwerts und neigen zu aggressivem Verhalten. In Führungspositionen resultiert diese Tendenz häufig in einem destruktiven Führungsverhalten. Wie können Beschäftigte und Unternehmen den oben ausgeführten negativen Effekten solcher Verhaltensweisen entgegenwirken?

Führung ist ein wechselseitiger und dynamischer Prozess, zu dem sowohl die Führungskräfte als auch die Beschäftigten beitragen. Die sogenannte workplace victimization theory postuliert, dass manche Beschäftigte ein höheres Risiko haben, Opfer destruktiver Führung zu werden. Zum einen werden besonders zurückhaltende, unterwürfige Personen als „einfache Opfer“ für Aggression und Abwertung wahrgenommen. Andererseits nehmen Führungskräfte mit hoher narzisstischer Rivalität ein dominantes oder provokatives Verhalten von Beschäftigten leicht als Angriff auf ihre vermeintliche Überlegenheit und ihren Status wahr und reagieren mit destruktivem Führungsverhalten, um ihr angekratztes Selbstbild wiederherzustellen.

Coping und disziplinarische Konsequenzen

Für Beschäftigte, die unter destruktiver Führung leiden, sollten Unterstützungsmöglichkeiten vorhanden sein, beispielsweise Trainings zur Resi­lienz und zum Umgang mit den erlebten Belastungen. So hat sich gezeigt, dass Beschäftigte weniger unter destruktiver Führung leiden, wenn sie proaktives Coping betreiben. Auch die Stärkung von Unterstützungsnetzwerken zwischen Kollegen hat sich als hilfreiche Ressource in Teams mit destruktiven Führungskräften erwiesen. Gleichzeitig sollten Unternehmen darauf achten, strukturelle Gegenmaßnahmen zu implementieren, beispielsweise ein anonymes Beschwerdesystem und klare disziplinarische Konsequenzen für negatives Führungsverhalten.

Wie eingangs beschrieben, werden Personen mit einer hohen Ausprägung von Narzissmus häufig in Führungspositionen eingestellt, da sie vor allem auf den ersten Blick einen guten Eindruck machen. Ein solcher Alltagseindruck beeinflusst die Entscheidung in der Führungskräfteauswahl umso mehr, je weniger systematisch und objektiv das Auswahlverfahren erfolgt. Die betreffenden Personen wirken in der Regel charismatisch, dominant und können sich gut präsentieren. Befunde zeigen: Je höher in der Hierarchie Positionen angesiedelt sind, desto weniger objektiv sind die Auswahlverfahren – meist werden nur unstrukturierte Interviews eingesetzt. Solche Verfahren bieten jedoch die perfekte Bühne für die Selbstdarstellung narzisstischer Personen.

Insofern können Unternehmen schon bei der Personalauswahl dem vorbeugen, dass Personen mit hohen Ausprägungen narzisstischer Rivalität in Führungspositionen gelangen. Systematische und objektive Prozesse der Personalauswahl, die weniger durch Selbstdarstellungstaktiken beeinflussbar sind als unstrukturierte Interviews oder Präsentationen, sollten bevorzugt werden. Hier ist ein Vorgehen nach der DIN 33430 mit anforderungsgestützten und strukturierten Interviews und standardisierten Persönlichkeitstests zu empfehlen. Mit Letzteren lassen sich auch problematische Persönlichkeitseigenschaften wie Narzissmus oder Machiavellismus erfassen.

Das Spannende daran: Personen mit hohen Ausprägungen an Narzissmus haben meist kein Problem damit, dies auch offen zuzugeben – man kann sie also einfach fragen, wie sie sich einschätzen. Zudem können Persönlichkeitstests eingesetzt werden, um gezielt Eigenschaften zu erfassen, die üblicherweise nicht gemeinsam mit Narzissmus auftreten, die aber hilfreich für eine erfolgreiche Beziehungsgestaltung am Arbeitsplatz sind, wie die Fähigkeit, Emotionen bei anderen differenziert wahrzunehmen, Integrität oder Empathie.

Schließlich kann sogar schon vor der Auswahl von Führungskräften durch das Personalmarketing Einfluss genommen werden: Personen mit hohen Ausprägungen an narzisstischer Rivalität werden keine gute Passung ihrer Werte zu einer Position wahrnehmen, wenn in der Stellenausschreibung Aspekte wie gegenseitige Unterstützung und Teamarbeit betont werden.

Es sollte ein Vorteil sein, Beschäftigte respektvoll zu behandeln

Während die Personalauswahl einen ersten Ansatzpunkt bietet, um den Aufstieg narzisstischer Personen in Führungspositionen und damit destruktives Führungsverhalten einzudämmen, müssen wir den Blick auch auf Personen richten, die bereits entsprechende Positionen innehaben. Prinzipiell ist Narzissmus als Persönlichkeitseigenschaft relativ stabil und es ist nicht einfach, Führungskräfte durch Entwicklungsmaßnahmen oder Coaching „weniger narzisstisch“ zu machen. Da es jedoch vor allem die Wahrnehmung der destruktiven Führungsverhaltensweisen aufseiten der Beschäftigten ist, die diese letztendlich belastet, bietet sich hier ein weiterer Hebel für die Reduktion negativer Konsequenzen für Beschäftigte. Auch wenn Personen mit hohen Ausprägungen an Narzissmus meist nicht motiviert sind, sich empathisch zu verhalten und die Perspektive anderer zu übernehmen, sind sie dazu durchaus in der Lage und unterstützendes Führungsverhalten kann trainiert werden. Die Frage ist allerdings: Wie erreicht man diese Veränderungsmotivation?

Personen mit hohen Ausprägungen an Narzissmus reagieren meist sehr empfindlich und sogar aggressiv auf Kritik, da diese ihr grandioses Selbstbild angreift. Zum einen sollten Impulse, das eigene destruktive Führungsverhalten zu überdenken, also möglichst nicht selbstwertbedrohlich formuliert sein, um Reaktanz zu verhindern. Gleichzeitig könnte solches Feedback höhere Erfolgschancen mit sich bringen, wenn den betroffenen Führungskräften klarwird, dass eine Veränderung hin zu mitarbeitendenorientierten Führungsverhaltensweisen für sie Vorteile bringt. Wenn deutlich wird, dass Status und Ansehen in einer Organisation daran geknüpft sind, Beschäftigte mit Respekt und Wertschätzung zu behandeln, könnten narzisstische Führungskräfte hier einen Anreiz für weniger destruktives Verhalten sehen.

Astrid Schütz ist Professorin für Persönlichkeitspsychologie und psychologische Diagnostik an der Universität Bamberg und leitet das Kompetenzzentrum für Angewandte Personalpsychologie

Theresa Fehn ist Psychologin und arbeitet als Consultant in einer Unternehmensberatung. Sie war mehrere Jahre am Kompetenzzentrum für Angewandte Personalpsychologie der Universität Bamberg tätig und promovierte zum Thema destruktive Führung

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Astrid Schütz, Christina Köppe, Maike Andresen: Was Führungskräfte über Psychologie wissen sollten. Theorie und Praxis für den Umgang mit Mitarbeitenden. Hogrefe 2020

Dominik Schwarzinger: Die Dunkle Triade der Persönlichkeit in der Personalauswahl. Narzissmus, Machiavellismus und subklinische Psychopathie am Arbeitsplatz. Hogrefe 2020

Zeitschrift für Psychologie: Dark Personality in the Workplace (230/4, 2022)

Dieser Text erschien erstmals in den Hogrefe Consulting HR-Themenwelten am 5. Januar 2023

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: DAS DOSSIER Psychologie Heute: Narzissmus