Selbstschutz

Ob Menschen solidarisch und kooperativ sind, spielt bei der Einhaltung der Coronaschutzmaßnahmen kaum eine Rolle.

Selbstschutz ist laut einer Studie das wichtigste Motiv dafür, während der Pandemie Abstand zu halten, Masken zu tragen und zu lüften. Zugleich spielen offenbar persönliche Erfahrungen mit der Erkrankung eine Rolle: Befragte, die erlebt hatten, dass sich eine Person von Covid-19 erholt hatte, schützten sich seltener als Versuchsteilnehmerinnen und -teilnehmer, die jemanden kannten, der oder die verstorben war. Dies stellten eine Psychologin und zwei Psychogen in zwei Studien fest. Die Forscherinnen berichten, dass die Probandinnen und Probanden alle eine prosoziale und kooperativeEinstellung hatten – einen Zusammenhang dieser Haltung damit, wie gut sie sich schützten, fanden die Forscher jedoch nicht. Offenbar gehe es auch kooperativen und sozialen Menschen in einer Pandemie zuvorderst um den Selbstschutz, folgern die Autoren.

Die Psychologin und die Psychologen befragten Versuchspersonen zu Beginn des Lockdowns im Frühjahr und in der zweiten Studie nach dem Aufheben des Lockdowns. Für die zweite Studie waren zum Teil dieselben Frauen und Männer befragt worden wie für die erste. Die Ergebnisse lassen laut der Autorin darauf schließen, dass der Entscheidung für den Umgang mit den Schutzmaßnahmen klassische Risikoabwägungen zugrunde liegen: Bevor sie sich für ein riskantes Verhalten entscheiden, wägen Menschen ab, welchen Nutzen sie haben und wie hoch die eventuellen Kosten des Verhaltens sein könnten.

Falsche Schlüsse

Die Psychologin und die Psychologen weisen darauf hin, dass die Befragten vermutlich irrtümliche Schlussfolgerungen zogen: Da der erste Lockdown in Deutschland die Infektionszahlen deutlich senkte, glaubten wohl viele, das Virus sei in Wirklichkeit gar nicht so ansteckend. Es sei daher sehr wichtig zu kommunizieren, dass es die Einhaltung der Schutzmaßnahmen von sehr vielen war, die die Zahlen gedrückt hatte. Nach einer individuellen Erfahrung wie dem Tod einer Person werde ein deutlich höheres Risiko wahrgenommen, aber wer erlebt hatte, dass sich im eigenen Umfeld jemand von der Erkrankung erholt hatte, hielt die Gefahr für gering. Die Forscherinnen empfehlen, in der Kommunikation eben nicht nur auf neutrale Statistik und Zahlen zu setzen, sondern auch Geschichten von Covid-19-Betroffenen zu erzählen.  

Johannes Leder u. a.: Social value orientation, subjective effectiveness, perieved cost, and the use of protective measures during the COVID-19 pandemic in Germany. Comprehensive results in Social Psychology, 2020. DOI: 10.1080/23743603.2020.1828850

Artikel zum Thema
Gesundheit
Geimpft und trotzdem mit Corona infiziert, Symptome inklusive? Wie sich ein Impfdurchbruch anfühlt und was Quarantäne bei Covid für Familien bedeutet.
Gesellschaft
Psychologische und psychotherapeutische Fachgesellschaften sehen Stimmungswandel im Umgang mit der Corona Krise
Leben
ANGST: Krisen lassen sich nicht verhindern. Aber wir können dafür sorgen, dass sie uns nicht zu sehr beuteln. Und in manchen steckt eine Aufgabe.
Anzeige
Psychologie Heute Compact 76: Menschen lesen