Dahin fahren, wo man sich selbst noch nicht kennt

Was suchen wir, wenn wir reisen? Das, was wir auch zu Hause haben oder eine neue Perspektive auf uns und unser Leben? Die Psychologie der Reise.

Die Besitzer des Restaurants San Francisco auf der Île-aux-Moines in Frankreich verstehen die Welt nicht mehr. Ihr kleines Restaurant wurde zum Pilgerort deutscher Urlauber, die allesamt nur das eine wollen: auf der Terrasse sitzen und Lammterrine mit Feigen essen. Ähnlich in Concarneau. Reisegruppen schieben sich durch die engen Gassen der alten Stadt und trinken anschließend ihren Kaffee im Restaurant L’Amiral. Der Grund? Die Touristen reisen auf den Spuren des Kommissars Dupin, bekannt aus den in der…

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des Kommissars Dupin, bekannt aus den in der Bretagne spielenden Krimis von Jean-Luc Bannalec. Die meisten Urlauber scheinen das vorfinden zu wollen, was sie zuvor gelesen haben. Doch Bannalec hat weder eine Dokumentation noch einen Reiseführer geschrieben, vieles ist erfunden und die Enttäuschung der Urlauber zuweilen groß.

Dorthin zu fahren, wo viele hinwollen, ist eine weitverbreitete Idee, nur leider werden genau an solch hochfrequentierten Besucherorten Erlebnisse katalogisiert. Es gibt sie ja zu genüge: Kreuzschifffahrten von einer exotischen Bucht zur nächsten, klimatisierte Bustouren durch die Städte der Welt, Autofahrten von Hotel zu Hotel, Vollpension samt durchgeplanter Ausflüge und Animationsprogramme. Doch lässt sich so die Welt erkunden und erfahren? Und was eigentlich verbirgt sich überhaupt hinter dem Wunsch zu verreisen?

Der Urlaub der meisten Deutschen soll laut Tourismusexperten wie folgt verlaufen: bloß nicht zu eintönig, aber bitte auch nicht zu anstrengend. Das bedeutet, die Erwartungen sind hoch, egal ob Städtereise, Strandurlaub, Entspannungs- oder Natururlaub, denn Zeit ist Geld, und Abweichungen von geschmiedeten Plänen und abgezirkelten Vorstellungen, kurzum Irritationen und Störfaktoren jeglicher Art sollen in der Urlaubszeit möglichst ausgeschlossen bleiben. Auf Abweichungen zu reagieren oder sich auf Unvorhergesehenes einzulassen wird meistens als etwas Negatives angesehen.

Warum nicht in der Regenzeit nach Mauritius fliegen?

Es ist paradox: Genau das, was viele Menschen am Reisen reizt, eben etwas Neues zu sehen und zu erleben, genau das suchen sie zu verhindern – indem Abenteuer, Wagnisse und Experimente weitestgehend vermieden werden. Ein perfekt durchgeplanter Urlaub suggeriert eben Sicherheit und hält Ängste klein, so die Angst vor Verlust zum Beispiel: Verlust von Geld, Zeit, Gesundheit. Das ist natürlich nachvollziehbar, niemand möchte sich freiwillig schutzlos einem Risiko aussetzen. Es geht auch gar nicht darum, große Gefahren einzugehen oder sich unglaublichem Nervenkitzel zu stellen, sondern es geht um eine Lockerung von Gewohnheiten und um die Bereitschaft, sich ab und zu wirklich auf Unbekanntes einzulassen. „Eine Reise bedeutet zunächst immer eine Unterbrechung alltäglicher Abläufe. Allein dadurch wird neues Erleben und Verhalten möglich“, sagt die Berliner Psychologin Bettina Graf. „Es kommt zu einer Intensivierung der Wahrnehmungsfähigkeit und des Erlebens. Reisende berichten häufig, dass sie ihre eigenen Gefühle und sinnlichen Reaktionen deutlicher und differenzierter empfinden können, als es ihnen sonst möglich ist. Da ein reisender Mensch immer wieder in neue Situationen kommen kann, für die er noch keine Reaktionen im Verhalten verinnerlicht hat, die er quasi abrufen kann, muss er neues Verhalten ausprobieren und kann so auch neue Fertigkeiten entwickeln.“

Wohl jeder hat das schon auf Reisen erfahren: Haften nicht gerade die stärksten Urlaubserinnerungen gerade am Unvorhergesehenen, Überraschenden? Koffer nicht angekommen, vor Ort musste neue Bekleidung gekauft werden, und verrückterweise sah das neue Outfit richtig gut aus. Oder Speisekarte nicht verstanden, und so kam das beste Curry auf den Tisch, das man je gegessen hat. Mit dem Auto verfahren und eine Burg entdeckt, die selbst Einheimische nicht kannten. Flugzeug verpasst – und die große Liebe gefunden. „Den Wert einer Reise bemesse ich nicht nach ihrem Schwierigkeitsgrad, ihrer Exotik oder sonstigen Rahmenbedingungen“, schreibt der Schriftsteller Matthias Politycki, „sondern nach den Erkenntnissen, die auf den Wegen der Neugier als Stolpersteine lagen.“

Allerdings haben wir uns so sehr an Empfehlungen, Ratschläge und Sicherheiten gewöhnt, dass der Umgang mit Abweichungen eine gewisse Übung erfordert. Dazu gehört, dem Zufall mehr Spielraum zu geben und dem Alltag den Rücken zu kehren. Doch um Neues zu erleben, nicht nur das Gewohnte zu wiederholen und andere Wege zu gehen, müssen wir Unsicherheiten ertragen. Das will trainiert sein, denn unser Gehirn ist darauf programmiert zu vereinfachen, da wir unsere Aufmerksamkeit nur auf wenige Informationen gleichzeitig richten können. Von vertrauten Einstellungen und rasch gefassten Einordnungen kann sich unser Gehirn nur schwer lösen. Und so versucht die Datenverarbeitung im Kopf alles, was uns begegnet, möglichst rasch einzuordnen und als bekanntes Muster zu deuten. Ohne Frage, im Alltag sind schnelle Erklärungen notwendig, auf Tour jedoch können sie uns um wertvolle Reiseerfahrungen bringen.

„Reisen erfordert eine gewisse Spannung zwischen dem Nicht-alles-Wissen und dem Nicht-nichts-Wissen“, so Alain de Botton. „Wenn man zu sehr informiert ist, zu genau weiß, was man alles sehen und fühlen wird, kann das auch hemmend sein. Ein Problem des modernen Reisens ist, dass der Gedanke an spontane Entdeckungen immer stärker gefährdet ist, weil man alles auf einer Webcam oder in einer Broschüre sehen kann, bevor man überhaupt dort hinfährt.“

Es spricht nichts dagegen, stapelweise Reisebücher zu lesen, sich vorab unzählige YouTube-Filme oder Facebookeinträge über die geplante Destination anzusehen, doch aus der Sehnsucht kann leicht eine Sucht werden. Sich perfekt vorzubereiten versetzt manch einen in den Glauben, bereits alles zu wissen, und schürt den Wunsch, die Orte dann genau so vorzufinden wie erwartet. Und nicht nur die Orte. Auch das Wetter zum Beispiel. Oft werben Reiseveranstalter mit der sogenannten besten Reisezeit. Doch was spricht dagegen, diese wohlgemeinten Ratschläge in den Wind zu schlagen und gerade in der Regenzeit nach Mauritius zu fliegen? Dann sehen, wie die Landschaft farbenprächtig aufblüht, wie die Palmen glitzern und riechen, wie betörend die Ylang-Ylang-Blüten duften.

Für Botton ist es wichtig, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen: „Viele Menschen schlucken unverdaut eine Art von Vision dessen, wohin sie reisen und was sie sehen sollten, auch wenn das nicht wirklich zu ihnen passt. Sie sind in Rom und denken, sie müssten diese oder jene Sehenswürdigkeit besuchen; oder in New York meinen sie, in ein bestimmtes Museum gehen zu müssen. Dabei interessiert sie das gar nicht sonderlich, und dies verhindert häufig eine natürlichere, spontanere und somit lebensverändernde Herangehensweise an das Reisen.“

Für die Schriftstellerin Felicitas Hoppe ist es eine „süße Ironie touristischen Reisens“, dass wir „die heimatliche Schwelle noch nicht überschritten (haben) und wollen schon wieder Anker werfen, uns in Sicherheit wiegen, uns gegen den Reiserücktritt versichern, gegen Krankheit, Tod und Verderben, gegen die alte Angst, vergessen zu werden, gegen den Verrat durch Abwesenheit. Wir wollen reisen, ohne Abschied zu nehmen.“

Muss wirklich jede Sehenswürdigkeit, jeder Sonnenuntergang fotografiert werden?

Ein Schutzmechanismus, denn auf Reisen tritt die Fragilität unseres Lebens, unseres Seins zutage: Entscheidungen, die man getroffen, Beziehungen, die man geknüpft, das Leben, das man geführt hat – all das kann an der Schwelle zur Fremde auf dem Prüfstand stehen. Vergessene Erinnerungen, verlorengegangene Träume können hochkommen, verdrängte Gefühle ins Bewusstsein strömen. Ängste bleiben da oft nicht aus. „Die Begegnung mit dem Unbekannten ist nicht selten auch eine Begegnung mit dem Unbekannten in uns selbst“, weiß Bettina Graf.

Aber auch das Gewicht der eigenen Probleme erscheint geringer, und wir können Abstand zum Alltag gewinnen. Reisen kann viele Chancen eröffnen, Chancen, wieder wacher, neugieriger zu werden, angeregt und stimuliert zu sein. An einem fremden Ort schaut man anders auf die Dinge als zu Hause, wir können freier ergründen, was vielleicht in Zukunft anders werden soll. Außerdem bekommen wir die Möglichkeit, neue Seiten von uns kennenzulernen, uns anders zu erleben als daheim im gewohnten Alltag. Doch dazu ist es notwendig, sich auf das Fremde einzulassen, einem anderen Rhythmus zu folgen, bestimmte Gewohnheiten abzustreifen.

Es gibt weitere Herausforderungen: Sich für die Urlaubstage vom digitalen Leben zu verabschieden gelingt den wenigsten, doch eine gewisse Reduzierung ist möglich, das heißt eben nicht permanent E-Mails checken, über WhatsApp Halbsätze verschicken oder Facebook ständig mit Bildchen bestücken. Und: Muss wirklich jede Sehenswürdigkeit, jeder Sonnenuntergang, jeder schöne Moment fotografiert werden? Nichts gegen Erinnerungsfotos, aber was soll die Flut, wozu diese Unmenge von Bildern? Hesse sagte einmal, dass Worte dem geheimen Sinn nicht guttäten, weil immer alles gleich ein wenig anders, ein wenig verfälscht wird, wenn man es ausspricht. Fotos haben nicht selten einen ähnlichen Effekt. In jeder Situation, in der fotografiert wird, ist der Moment des Erlebens unterbrochen. Es ist nicht verkehrt, sich das bewusstzumachen, denn zu Hause geben all die Aufnahmen doch nur einen Teil des Erlebten wieder. Manchmal wäre eine Entscheidung gegen die Unterbrechung eines Augenblicks zugunsten des sinnlichen Erlebens nachhaltiger. Manchmal kann das Gespräch mit den Frauen auf dem Markt aufschlussreicher, bewegender sein als eine Serie von Aufnahmen.

Jede Reise, die wir unternommen haben, ist ein Abbild des eigenen Lebens

Für die Philosophin Susanne Köb ist das Wesentliche des Unterwegsseins eine erhöhte Aufmerksamkeit für all das, was uns begegnet. Verhaltensmuster, Denkweisen und Empfindungen verändern sich für einen achtsam Reisenden, jenen, „der Gast sein kann, der Grenzen anerkennt, mehr in Kontakte denn in Konsum investiert, sich seiner Ängste bewusst ist und seine Emotionen steuern kann. Einer auch, der den anderen sein lassen kann. Es ist schade, wenn Urlauber aus anderen Ländern heimkehren, aber nichts von Gesprächen mit den dort lebenden Menschen erzählen können. Sie haben nur mit den Kellnern im Restaurant und den Damen an der Rezeption gesprochen. Eine Reise ist umso nachhaltiger, wenn sich vor Ort eine Begegnung ergibt, die nachklingt, ein Kontakt vielleicht, der zu Hause weiter gepflegt werden kann.“

Ein wünschenswertes Ergebnis des Unterwegsseins sei, so Köb, wenn eigene Vorurteile infrage gestellt werden. Das kann in einem unbekannten Land eher geschehen als zu Hause in gewohnter Umgebung, denn anderswo sehen wir mehr und hören genauer hin. Unsere Sinne sind geschärft, denn wir bewegen uns auf unbekanntem Terrain, verstehen die Sprache nicht, finden manche Sitten irritierend, sind auf Unterstützung angewiesen. Doch genau das, der Kontakt mit anderen Kulturen und das unmittelbare Erleben der Natur – abseits ausgelatschter Touristenpfade – regt zum Nachdenken über Gott und die Welt an. Darum geht es letztlich, das Fremde zu erkunden und zu versuchen, alles ein wenig besser zu verstehen.

Jede Reise, auf die wir uns einlassen, formt uns– mal mehr, mal weniger, mal tiefgreifender, mal nur kurz anhaltend. „Die meisten dieser Veränderungen sind ohnehin nur partiell“, so Köb, „denn sonst wäre es ein totales Aufgehen im Fremden und Ungewohnten. Es gibt natürlich Reisen, die einen Großteil des Lebens umkrempeln, doch meistens sind es ein paar Gewohnheiten oder Denkweisen, aber immerhin.“

Alain de Botton sieht im Reisen jene wunderbare Möglichkeit, auf Menschen zu treffen, die noch nicht glauben, einen absolut zu kennen. „Wer sich auf den Weg macht, kann in andere Rollen schlüpfen und kann sich ausprobieren.“ Sich aufzumachen, nicht nur um das Fremde kennenzulernen, sondern das Eigene besser zu bestimmen und zu verstehen.

Dahin zu fahren, wo man sich selbst noch nicht kennt, kann sehr reizvoll sein – und auch mal das auf den Kopf zu stellen, was wir bislang für selbstverständlich gehalten haben.

In diesem Zusammenhang würde es sich auch lohnen, mal über die eigene Reisebiografie nachzudenken. Denn sie sagt etwas „über individuelle Wünsche, Interessen und Sehnsüchte eines Menschen aus, erzählt viel über seine Identität, vielleicht auch über seine persönlichen Verletzlichkeiten“, erklärt Graf. Die Reisen, die man unternommen hat, sind für sie ein Abbild des eigenen Lebens. „Reisen hinterlassen viele intensive Erinnerungen und emotionale Erlebnisse, die Auskunft darüber geben, was uns in unserem Leben wichtig war und noch ist.“

Literatur

Susanne Köb: Wozu reist du? AgilEdition, Wien 2015

Alain de Botton: Kunst des Reisens. Fischer, Frankfurt am Main 2003 (6. Auflage)

Jens Clausen: Das Selbst und die Fremde. Über psychische Grenzerfahrungen auf Reisen. Psychiatrie, Köln 2012

Matthias Politycki: Schrecklich schön und weit und wild. Warum wir reisen und was wir dabei denken. Hoffmann und Campe, Hamburg 2017

„Eigentlich will ich gar nicht weg“

Kurz vor Reisebeginn verlieren manche Menschen ihre Vorfreude auf die Auszeit. Am liebsten würden sie zu Hause bleiben. Verständlich, denn Urlaub bedeutet auch Stress

Die meisten Urlauber, etwa drei Viertel, erholen sich gut. Dies legen Zahlen der Reiseanalyse 2015 nahe, die der Autor Hans-Peter Herrmann in seinem Buch Tourismuspsychologie zitiert. Das heißt aber auch: Für immerhin 25 Prozent und somit nach der Rechnung des Autors für mehr als 13 Millionen Urlauber war ihr Urlaub eine Belastung. In einer aktuellen Umfrage der Stiftung für Zukunftsfragen zeigte sich: Für 27,7 Prozent der 4275 Befragten ist die Hin- und Rückreise „ziemlich strapaziös“. 26 Prozent arbeiten demnach bis zur letzten Minute vor der Abreise. Und 19 Prozent geben an, in den ersten Urlaubstagen Umstellungsschwierigkeiten zu haben. Vor Ort ärgern sich gut 37 Prozent über zu hohe Preise. Unzufrieden macht offenbar auch viele – etwa 45 Prozent der Befragten –, dass ihr Alltag unmittelbar nach dem Urlaub wieder beginnt.

Habe ich alles dabei?

Laut Herrmann ist das Phänomen „Reisestress“ sehr real. Es gibt eine Menge Dinge, die uns vor und während des Urlaubs das Leben schwermachen können. Knappe Zeit stresst am meisten. Denn Urlaubsvorbereitungen fallen zusätzlich zum normalen Pflichtenpensum an. Bei der Arbeit müssen Projekte abgeschlossen oder an Kollegen übergeben werden, und es ist zu organisieren, wer die Blumen gießt, sich um den Hund kümmert und den Briefkasten leert. Koffer packen sich nicht von selbst, und wenn sie zu schwer sind, verlangt die Fluggesellschaft dafür Geld. Manche überfällt in dem Moment, wo sie die Wohnungstür zuziehen, plötzlich Angst – etwa davor, sie könnten nicht alles dabeihaben und das Licht nicht ausgeschaltet haben. Auch die Anreise hat ihre Tücken: Mehrere Stunden bei Hitze im Stau stehen, lange Schlangen und Wartezeiten an Flughäfen, Verspätungen oder Jetlags bei Fernreisen können die Nerven strapazieren.

Schnell in den Urlaubsmodus, das kann nicht jeder

So mancher Stress liegt an uns selbst. Einige von uns nehmen ungünstige Verhaltensmuster und Befindlichkeiten mit in den Urlaub, meint Herrmann. Wer im Berufsleben ständig erreichbar sein muss, tut sich manchmal schwer, das Smartphone im Urlaub abzuschalten. Beziehungskonflikte können an die Oberfläche kommen, wenn Partner plötzlich mehr Zeit als gewohnt miteinander verbringen, in einer Unterkunft, die wenig Rückzugsmöglichkeiten bietet. Herrmann nennt außerdem „hochgeschraubte Anspruchs- und Erwartungshaltungen“, die kaum erfüllbar sind – Enttäuschungen und Frustrationen sind die Folge. Und nicht jeder ist in der Lage, vom Alltagsstress schnell in den Urlaubsmodus umzuschalten.

Reise- und Urlaubsängste sind offenbar ebenfalls nicht selten. Ende der 2000er Jahre ermittelte die Leuphania-Universität Lüneburg zusammen mit einem Versicherungsunternehmen das subjektive Sicherheitsgefühl deutscher Touristen und stellte fest, dass es für 66 Prozent am schlimmsten wäre, im Urlaub zu erkranken. Beruhigend ist indessen, dass die tatsächlichen Erkrankungsraten offenbar weit darunter liegen. Selten werden im Urlaub terroristische Anschläge befürchtet – aus einem einfachen Grund: Viele beugen dieser Angst vor, indem sie gar nicht erst in die betroffenen Länder fahren.

Was lässt sich tun gegen den Reisestress, damit er nicht die Urlaubsfreude schmälert? Der Tourismuspsychologe Hans-Peter Herrmann nennt zwei grundsätzliche Strategien. Die erste: Falls ein Wunsch nicht erfüllbar oder ein Ziel nicht mehr erreichbar ist, hilft es, Wunsch oder Ziel zu korrigieren und anders einzuschätzen. Die zweite: Wer das nicht will, kann das eigene Verhalten so ändern, dass Ziel oder Wunsch wieder erreichbar werden. Darüber hinaus, so der Tourismusexperte, hänge es auch von der persönlichen Disposition und vorherigen Erfahrungen ab, wie intensiv Reisestress erlebt werde.

Susanne Ackermann

Literatur

Hans-Peter Herrmann: Tourismuspsychologie. Springer, Heidelberg 2016

33. Deutsche Tourismusanalyse. Stiftung für Zukunftsfragen 2017, www.tourismusanalyse.de

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 7/2017: Gekonnt überzeugen