Mein wichtigster Satz: Hier teilt eine Expertin oder ein Experte einen Satz mit uns, der persönlich berührend oder besonders wichtig war. Diesmal: Stefan Brunnhuber, Psychiater und Ökonom, mit dem Satz „Ich verändere nur das, was ich annehmen kann“.
Der Satz stammt aus der Feder von Carl Gustav Jung, dem Schweizer Psychotherapeuten, und meint wohl, dass jede Veränderung und damit jeder Neuanfang nur dann gelingt, wenn es uns gegeben ist, das Gute und das Schwierige gleichermaßen anzunehmen. Der Satz markiert…
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gelingt, wenn es uns gegeben ist, das Gute und das Schwierige gleichermaßen anzunehmen. Der Satz markiert den Weg der Stille auf unserem Klinikgelände entlang eines Naturpfades. Mir ist er wieder in Erinnerung gekommen, als ich bei einem meiner letzten Vorträge über die „offene Gesellschaft“ auf ein eher aversives und populistisches Publikum gestoßen bin.
Beim Guten tun wir uns in der Regel leichter mit dem Annehmen, bei Schlechtem und Schwierigem dagegen fällt es schwerer. Wenn wir diese Zeiten des Umbruchs und der Transformation ernst nehmen, dann ist beides gefordert. Auf einer individuellen Ebene sind es die eigenen Schatten, die wir nicht sehen wollen. Vielleicht ist es Gier oder Ungeduld, Ärger oder Neid. Im Falle meines Vortrags vielleicht das Unvermögen, mich hinreichend auf die Ängste meiner Zuhörerinnen und Zuhörer einzulassen.
Auf einer gesellschaftlichen Ebene sind es oft die Meinungen und Narrative, die nicht in unser Weltbild passen. Ich denke manchmal, vielleicht haben autokratische Befehls- und Kommandostrukturen auch etwas Gutes, weil man dann schnell entscheiden kann; auch wenn sich womöglich herausstellt, dass man falsch gelegen hat. Wenn wir uns und die Welt um uns herum verändern wollen, dann sollten wir uns vielleicht mit den Menschen treffen, die uns am wenigsten gefallen. So entsteht dann nicht nur eine „offene Gesellschaft“, sondern auch mehr Nachhaltigkeit und mehr Freiheit.
Stefan Brunnhuber, Arzt, Psychiater, ärztlicher Direktor, Ökonom, Mitglied des Club of Rome, beschäftigt sich mit gesellschaftlicher Transformation und Nachhaltigkeitsthemen. Von ihm sind etwa erschienen: Die offene Gesellschaft. Ein Plädoyer für Freiheit und Ordnung im 21. Jahrhundert (Oekom 2019) und Financing our Anthropocene (Springer 2023)