Zur Schlafenszeit vollziehen viele Paare ihr ureigenes Ritual. Etwa so: Sie geht zuerst ins Bad, er kommt nach. Sie lüftet noch schnell das Schlafzimmer. Er macht das Licht aus. Die Abläufe unterscheiden sich von Paar zu Paar. Eines aber ist dabei den meisten wichtig: die Nacht zusammen zu verbringen. Rund 60 Prozent der Erwachsenen schlafen mit der Partnerin oder dem Partner in einem Bett, ergab eine Umfrage in den USA. Ähnlich hoch ist auch in Deutschland der Anteil derer, die am liebsten nebeneinander…
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die am liebsten nebeneinander schlafen.
Dabei gibt es viele Gründe, die gegen eine gemeinsame Bettruhe sprechen: Ein schnarchender Partner kann einen stundenlang wachhalten. Wer nachts regelmäßig zur Toilette muss, weckt oft auch den anderen auf. Manche Paare führen im Dunkeln Kämpfe um die Decke oder um ihre Seite des Bettes. Und fast immer müssen unterschiedliche Vorlieben ausgehandelt werden: Er schläft am liebsten bei offenem Fenster; sie friert schnell. Dafür möchte sie noch ein wenig lesen; ihn aber stört das Licht.
Wieso, so fragt man sich, wollen viele trotzdem nicht darauf verzichten, das Lager miteinander zu teilen? Reicht es nicht aus, sich nach einem gemeinsamen Abend zärtlich schöne Träume zu wünschen – bevor beide in das jeweils eigene Bett schlüpfen?
Wenige hinterfragen den Paarschlaf
Die US-amerikanische Schlafmedizinerin Wendy Troxel macht unter anderem soziale Normen für das Bedürfnis nach nächtlicher Nähe verantwortlich. „Man hat uns weisgemacht, dass ein Paar, das in einem Bett schläft, auch zusammenbleibt“, schreibt sie in ihrem Buch Sharing the Covers. Hinter getrennten Schlafzimmern vermuteten wir dagegen Beziehungsprobleme. Auch wenn das nicht zwingend stimmt: Auf Basis der Fehlannahme behalten Troxel zufolge viele ihre gemeinsamen Schlafgewohnheiten bei, nur weil sie denken, sie sollten dies tun.
Auch die Forschung hat den Paarschlaf bisher kaum hinterfragt. „Es ist erstaunlich wenig untersucht, wie förderlich oder wenig förderlich es ist, zusammen zu schlafen“, sagt Dieter Riemann, Professor für klinische Psychologie und Psychophysiologie am Universitätsklinikum Freiburg, der sich seit über 35 Jahren mit dem Schlaf beschäftigt. In Schlaflaboren interessierte man sich lange nur für das Individuum. Der Einfluss des Partners, der Partnerin rückt erst in jüngster Zeit in den Fokus.
Intimität schweißt zusammen
Anders als Wendy Troxel ist Dieter Riemann davon überzeugt, dass der Wunsch, den Schlaf miteinander zu teilen, nicht in erster Linie das Ergebnis einer sozialen Norm ist. Die gemeinsame Nachtruhe sei tatsächlich für die Beziehung bedeutsam. „Der Mensch hat ein intrinsisches Bedürfnis nach Nähe und Bindung. Und das kann er nachts im Bett am stärksten ausleben“, sagt er. Gerade zu Beginn einer Romanze wollen wir so viel Zeit wie möglich miteinander verbringen. Es liegt nahe, dafür auch die Nacht zu nutzen.
Laut einer Erhebung kuscheln frisch verliebte Paare beim Einschlafen besonders eng. Doch auch in langjährigen Partnerschaften stellt sich im Schlafzimmer meist eine besondere Vertrautheit ein und es ergibt sich die Gelegenheit für zarte Berührungen oder Sex. Im Schein der Nachttischlampe zeigen wir uns in der Regel ungeschminkt und leicht bekleidet, präsentieren uns also schutzlos. Das erfordert Vertrauen. Die Intimität schweißt aber auch zusammen. Tatsächlich bewerten Frauen die Qualität ihrer Beziehung besser, wenn sie sich am Abend zuvor gleichzeitig mit ihrem Partner schlafen gelegt haben, so das Ergebnis einer Untersuchung von Wendy Troxel.
Wie wichtig zwei Liebenden die Abgeschiedenheit und Privatheit des Bettes ist, wurde auch in einer Befragung des amerikanischen Familienforschers Paul Rosenblatt deutlich. Im Jahr 2006 führte er Interviews mit mehr als 40 Paaren unterschiedlichen Alters zu ihrem Schlafverhalten. Viele Teilnehmende betonten, dass sie tagsüber oft unterschiedlichen Interessen nachgingen und voneinander abgelenkt seien. Im Bett – ohne diese Störfaktoren – könnten sie dagegen besonders gut persönliche Gespräche führen und sich einander öffnen.
Bessere Schlafhygiene
In der gemeinsamen Zeit vor dem Einschlafen lassen wir also die Hüllen fallen – sexuell und emotional. „Das Gefühl, dabei trotzdem beschützt zu sein, trägt zu unserem Wohlbefinden bei“, sagt Dieter Riemann. „Und eine gute Bindung zueinander fördert die seelische Stabilität.“
Doch nützt die gemeinsame Bettruhe auch dem Schlaf? Zumindest subjektiv meinen die meisten Menschen, sich mit dem Partner an der Seite nachts tiefer erholen zu können. Womöglich liegt das an einer besseren Schlafhygiene, also Verhaltensweisen, die einen guten Schlaf fördern. Darauf weist eine aktuelle Untersuchung des Mediziners und Sozialanthropologen Henning Drews hin, der an der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegens in Trondheim forscht.
Die Regeln der Schlafhygiene besagen zum Beispiel, keinen Mittagsschlaf zu machen und einen festen Schlafrhythmus einzuhalten – wichtige Maßnahmen in der Therapie von Schlafstörungen. In Drews’ Studie zeigte sich: Menschen in einer Partnerschaft pflegten eine deutlich bessere Schlafhygiene als diejenigen, die normalerweise allein schliefen.
Das Gehirn bleibt angeschaltet
Allerdings stellte sich der Effekt erst nach etwa zwölf Monaten des gemeinsamen Schlafens ein. Offenbar brauchen die Paare etwas Zeit, um sich aneinander zu gewöhnen und ihren gemeinsamen Takt und ihre nächtlichen Rituale zu finden – haben sie diese gefunden, ist der gemeinsame Schlaf oft zuträglich für beide.
Denn auch während wir schlafen, geht die Anwesenheit der oder des anderen nicht spurlos an uns vorbei – obwohl uns das nicht bewusst ist. „Das Gehirn bleibt angeschaltet. Das wird daran deutlich, dass wir uns im Schlaf normalerweise nicht einfach übereinanderrollen oder gegenseitig aus dem Bett werfen“, sagt Dieter Riemann.
Stattdessen synchronisiert sich unsere körperliche Aktivität: Bewegt sich die eine, überträgt sich diese Bewegung auf den anderen, hat unter anderem eine Studie am Universitätsklinikum Freiburg gezeigt. Wir sind also insgesamt körperlich aktiver, wenn jemand neben uns liegt. Manche Forschende folgerten daraus: Obwohl wir meinen, uns mit dem anderen besser zu erholen, schlafen wir eigentlich schlechter.
Schlaf im Gleichtakt
Das sei jedoch nicht zwingend der Fall, meint der Mediziner Henning Drews: „Menschen schlafen zwar körperlich unruhiger neben einem Partner. Die Unruhe überträgt sich aber nicht notwendigerweise auf das Gehirn.“ In einer 2020 veröffentlichten Studie hat er die Auswirkungen der Partnerin, des Partners auf die neuronalen Schlafstadien untersucht, die wir typischerweise in einer Nacht durchlaufen. Dafür zeichnete er bei zwölf Paaren die Hirnaktivität auf, während diese die Nacht allein oder zusammen im Schlaflabor verbrachten.
Auch er stellte fest, dass sich die Versuchspersonen im gemeinsamen Bett mehr bewegten als in getrennten Zimmern. In der Hirnaktivität spiegelte sich diese Hektik jedoch nicht wider. Im Gegenteil: „Wer zusammen schlief, hatte – gemessen an den Schlafzyklen des Gehirns – einen ruhigeren Schlaf mit weniger Unterbrechungen“, sagt Henning Drews. Außerdem synchronisierten sich die Schlafzyklen, die Paare durchschliefen die Nacht also in einem aufeinander abgestimmten neuronalen Takt. Der Effekt verstärkte sich mit der selbst empfundenen Intensität der Beziehung.
Besonders der traumreiche REM-Schlaf profitierte. In den gemeinsamen Nächten verlängerten sich die REM-Phasen um etwa zehn Prozent. Diese Schlafphasen tun uns in mehrerlei Hinsicht gut. „Unter anderem hat REM-Schlaf einen positiven Effekt auf die Emotionsregulierung, also unsere mentale Ausgeglichenheit“, erklärt Henning Drews. Ein unruhiger REM-Schlaf sei dagegen ein Risikofaktor für chronische Schlafstörungen und diese wiederum für seelische Erkrankungen. Möglich sei daher, dass sich der Paarschlaf förderlich auf die psychische Gesundheit auswirkt, meint Drews.
Ist die Partnerin oder der Partner abwesend, wird der Schlaf oft unruhiger. Viele Paare kennen das Phänomen: Ist die andere zum Beispiel verreist oder im Krankenhaus, wacht der Zurückgelassene nachts auf, nur um zu merken: Der Platz neben mir im Bett ist immer noch leer.
Getrennte Betten als Lösung in schwierigen Beziehungsphasen
Liegt es also nur an der Gewohnheit, dass Paare gemeinsam besser schlafen? Schlafen eingefleischte Singles genauso gut – weil für sie eben das Alleinschlafen der vertraute Zustand ist? Dieser Frage gingen Henning Drews und seine Frau Annika in einer weiteren Studie nach. Sie verglichen den Schlaf verheirateter Personen mit dem von Menschen, die nie verheiratet gewesen waren. Das Resultat: Die Verheirateten wiesen einen längeren REM-Schlaf auf – es lag also nicht bloß an der Gewohnheit, sondern der Effekt ist echt: Gemeinsam verbrachte Nächte beruhigen meist wirklich den Schlaf.
Fraglich bleibt, inwiefern dieser positive Einfluss anhält, wenn sich die Beziehung verschlechtert. Wer abends noch gestritten oder sich über den Menschen, mit dem er nun das Bett teilt, geärgert hat, kommt dann oft auch nachts kaum zur Ruhe. Sie oder er liegt wach und grollt und grübelt vor sich hin. Die physische Nähe kann in solch einer Situation zusätzlich belasten. „Eine schwierige Beziehung hat natürlich einen negativen Effekt auf den Schlaf“, sagt Henning Drews. Getrennte Betten könnten eine Lösung sein.
Die Schlafmedizinerin Wendy Troxel plädiert generell für mehr Offenheit gegenüber unterschiedlichen Schlafarrangements von Paaren. Dazu gehört ihrer Ansicht nach die Möglichkeit, getrennt zu schlafen, wenn sich eine der beiden Personen durch die andere gestört fühlt, etwa durch deren Schnarchen. Denn Schlafmangel mache es uns äußerst schwer, eine liebende und engagierte Partnerin, ein glücklicher und kommunikativer Partner zu sein, betont Troxel. Auf Dauer leide die Beziehung. Von einem gesunden Schlaf dagegen profitiere die Psyche – und langfristig die Partnerschaft.
Wie Paare besser schlafen
Jeder Mensch hat unterschiedliche Vorlieben, auch beim Zubettgehen und Schlafen. Damit sich Partner nachts nicht in die Quere kommen, empfiehlt Schlafmedizinerin Wendy Troxel in ihrem Buch Sharing the Covers klärende Gespräche über Unterschiede und Gemeinsamkeiten: Wie gut schlafen beide? Inwiefern stört der oder die andere die eigene Nachtruhe? Wie sähe das ideale Einschlafritual aus, wenn man es allein bestimmen dürfte?
Wer auf Probleme stößt, sollte sich gemeinsam zunächst einen Aspekt heraussuchen, der sich leicht verändern lässt. Beispiel: Wenn er nicht schlafen kann, weil sie gern noch liest, könnte sie die Lesezeit auf eine halbe Stunde begrenzen oder schon etwas früher ins Bett gehen. Nach einer Woche setzen sich beide wieder zusammen und besprechen, welchen Effekt die Verhaltensänderung hatte und ob sie noch weitere Knackpunkte an ihren Gewohnheiten erkennen, die sie angehen möchten.
Unabhängig davon, ob sie die Nacht getrennt oder zusammen verbringen, schlägt Wendy Troxel zudem eine kleine Übung vor. Dabei nehmen sich Paare täglich vor dem Einschlafen einen Moment Zeit und erzählen einander vom Höhepunkt und Tiefpunkt ihres vergangenen Tages. Besonderes Augenmerk sollen sie darauf legen, wie sie sich in der Situation jeweils gefühlt haben. Danach folgt ein Kompliment an den Partner. „Vor allem in langen Partnerschaften sagen wir vielleicht ,Ich liebe dich‘, aber oft erklären wir nicht, warum“, so Wendy Troxel. Die Übung sei eine Möglichkeit, die Gründe für das Zusammensein zu erkennen.
Und das kann offenbar beruhigen: Eine Studie hat gezeigt, dass solche Paare allgemein besser schlafen, die ihre Gedanken und Gefühle miteinander teilen.
Literatur
Henning Johannes Drews u. a.: Bed-Sharing in Couples Is Associated With Increased and Stabilized REM Sleep and Sleep-Stage Synchronization. Frontiers in Psychiatry, 11/583, 2020. DOI: 10.3389/fpsyt.2020.00583
Henning Johannes Drews u. a.: Self-control or social control – what determines sleep hygiene in bed-sharing couples? Sleep Science, ahead of print, 2021. DOI: 10.5935/1984-0063.20200095
Henning Johannes Drews, Annika Drews: Couple Relationships Are Associated With Increased REM Sleep – A Proof-of-Concept Analysis of a Large Dataset Using Ambulatory Polysomnography. Frontiers in Psychiatry, 12/641102, 2021. DOI: 10.3389/fpsyt.2021.641102
Brant P. Hasler, Wendy M. Troxel: Couples’ Nighttime Sleep Efficiency and Concordance: Evidence for Bidirectional Associations with Daytime Relationship Functioning. Psychosomatic Medicine, 72/8, 2010, 794–801. DOI: 10.1097/PSY.0b013e3181ecd08a
Besser schlafen. Psychologie Heute compact, Heft 65, 2021.
Heidi S. Kane u. a.: Daily self-disclosure and sleep in couples. Helth Psychology, 33/8, 2014, 813–822. DOI: 10.1037/hea0000077.
Paul C. Rosenblatt: Two in a Bed. The Social System of Couple Bed Sharing, State University of New York Press, 2006 Artikel über Rosenblatt und das Buch, „People Who Share a Bed, and the Things They Say About It“, von Kate Murphy, erschienen 19.9.2006 in New York Times.
Angelika A. Schlarb, Hans-Günter Weeß: Schlaf und Beziehung. Somnologie, 22/157, 2018, 157. DOI: 10.1007/s11818-018-0177-1
Kai Spiegelhalder u. a.: Your Place or Mine? Does the Sleep Location Matter in Young Couples? Behavioral Sleep Medicine, 15/2, 2017, 87–96. DOI: 10.1080/15402002.2015.1083024
Wendy M. Troxel: Sharing the covers. Every couple’s guide to better sleep. Hachette Books, New York 2021.