Mein Onkel Ulrich und ich sitzen schon viel länger auf der Terrasse unseres Lieblingscafés, als wir das geplant hatten. Wie immer hatte ich uns zwei Stück Himbeersahne bestellt, Onkel Ulrich hat bis vor kurzem behauptet, er sterbe für Himbeersahne, diesmal allerdings hat er seine nicht angerührt. „Torten sind von Übel“, hat er gesagt und nur einen grünen Tee getrunken. Ich habe also zwei Stück Himbeersahne intus, alles ist längst bezahlt und abgeräumt, aber Onkel Ulrich will nicht aufbrechen. Zu Hause nämlich wartet seine Frau auf ihn, Tante Elli – und die stellt ihm seit Wochen mit seiner eigenen Beerdigung nach.
Onkel Ulrich ist Psychoanalytiker im Ruhestand, er geht auf die achtzig zu, und Tante Elli findet, dass es an der Zeit ist, die sogenannten letzten Dinge zu klären: „Du musst dir doch mal Gedanken machen“, hat sie vor einigen Wochen gesagt, „um das, was kommt.“ „Das müssen nur Leute, die kleinlicherweise nicht im Hier und Jetzt leben“, hat Onkel Ulrich erwidert, „ich aber lebe ausschließlich im Hier und Jetzt“, und Elli warf ihm vor, dass er doch bitteschön auch das zukünftige Hier und Jetzt seiner zukünftigen Hinterbliebenen bedenken solle, und außerdem, dass er sich hinter seinem ewigen Hier und Jetzt verstecke. Onkel Ulrich, fand Tante Elli, hielt sich das Hier und Jetzt vor sein Gesicht wie ein Kind seine Hände, weil es glaubt, dass es dann keiner sehen kann – das Altern aber sah Onkel Ulrich natürlich trotzdem.
Die pragmatische Elli ist dann mit burschikosem Beispiel vorangegangen. Stichpunktartig notierte sie, was im Falle ihres Todes zu unternehmen ist: welchen Bestatter man anrufen soll (den günstigen), welche Musik gespielt werden soll (Somewhere over the Rainbow), wo alle wichtigen Dokumente...
Den kompletten Artikel können Sie bei uns kaufen oder freischalten.