Diesen Spruch, ein Zitat von Goethe, habe ich öfter von meinem Vater gehört. Es ging darum, den Mut zu haben, von der Gruppenmeinung abzuweichen, sich auch für Menschen zu interessieren, die unbeliebte Positionen vertreten. Ihm war Zeit seines Lebens wichtig, immer auch abweichende Sichtweisen zu hören und vermeintliche Außenseiter nicht zu schnell zu verurteilen.
Natürlich funktioniert dieser Satz nicht in jeder Situation und mit jedem Menschen. Aber ich habe den Satz doch immer wieder im Kopf, wenn es…
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nicht in jeder Situation und mit jedem Menschen. Aber ich habe den Satz doch immer wieder im Kopf, wenn es einen scheinbar unhinterfragbaren Konsens in einer Gruppe gibt, bestimmte Personen und ihre Perspektiven abzulehnen. Ist vielleicht nicht doch etwas dran? Habe ich wirklich verstanden, was der andere gesagt hat oder zu sagen versucht? Ist es nicht vielleicht etwas in mir, das mich sofort in eine abwehrende und verurteilende Haltung gehen lässt – lehne ich die Person am Ende nicht gerade deshalb ab, weil sie etwas Wahres trifft?
Manchmal sind wir es ja selbst, die in einer Filterblase stecken, und der andere hätte uns eigentlich etwas zu sagen, das uns weiterhelfen kann. Nicht nur für Familien gilt: Das schwarze Schaf ist nicht selten die Person, von der manchmal das größte Veränderungspotenzial ausgeht.
Jakob Müller ist Psychoanalytiker am Universitätsklinikum Heidelberg und dem Psychiatrischen Zentrum Nordbaden. Gemeinsam mit Cécile Loetz betreibt er den Podcast Rätsel des Unbewußten (psy-cast.de). Die beiden haben auch zusammen das Buch Mein größtes Rätsel bin ich selbst. Die Geheimnisse der Psyche verstehen verfasst, das im Herbst 2023 bei Hanser erschienen ist
