Eine Verabredung vergessen, die rote Ampel übersehen oder versehentlich in jemanden hineingestolpert – es gibt im Alltag manchmal solche kognitiven Fehlleistungen. In der Psychologie wurde zu ihrer Messung eine eigene Skala entwickelt. Nun untersuchten Forscher, was der psychologische Hintergrund ist, wenn Menschen häufiger über diese Alltagsentgleisungen berichten. Sie fanden eine Art „Persönlichkeit des kognitiven Versagens“: Diese Menschen seien weniger selbstbewusst, ängstlicher, impulsiver – und oft völlig absorbiert von den eigenen Gedanken.
Die Wissenschaftler legten rund 1500 Teilnehmern mehrere wissenschaftliche Fragebögen vor. Dabei erfassten sie zum einen die Neigung zu kognitiven Fehlleistungen selbst, daneben aber auch das Temperament der Befragten und ihre Persönlichkeitseigenschaften. Dazu setzten sie den temperament and character inventory ein, einen wissenschaftlichen Fragebogen, der auf der biopsychosozialen Persönlichkeitstheorie beruht. In dieser Theorie sind stabile und zum Teil angeborene Temperamente formuliert, etwa harm avoidance, also eine Neigung, Gefahren aus dem Weg zu gehen, oder self-directedness, also eine Neigung zu zielgerichtetem Verhalten, Selbstdisziplin und Selbstvertrauen.
Die Forscher stellten fest, dass eine ausgeprägtere Neigung zu kognitiven Fehlleistungen mit weniger Zielgerichtetheit, weniger Selbstdisziplin und weniger Selbstvertrauen einherging. Und die Ergebnisse brachten noch etwas anderes zutage: Wer verstärkt zu kognitivem Versagen oder kleinen Aussetzern neigt, wird offenbar von seinen eigenen Gedanken abgelenkt. Er ist dermaßen vertieft in die eigenen Überlegungen, dass er mangels Aufmerksamkeit anfälliger wird für die kleinen Fehlleistungen.
Ganz leicht ist es nicht, mit so einer Veranlagung zu leben. Diejenigen, die stärker dazu tendieren, nehmen womöglich jeden einzelnen Vorfall auch negativer und intensiver wahr – weil sie ahnen, dass sie mehr dazu neigen, berichten die Psychologen.
Sebastian Markett u.a.: Cognitive failure susceptibility and personality: Self-directedness predicts everyday cognitive failure. Personality and Individual Differences, 159, 2020. DOI: 10.1016/j.paid.2020.109916