Andere nicht verletzen wollen

Bei der Arbeit verhalten sich viele „politisch korrekt“, weil sie Kolleginnen und Kollegen nicht kränken wollen. Dies zeigt eine Studie erstmals.

Im Job ist es vielen wichtig, andere nicht zu diskriminieren oder zu kränken © PeopleImages/Getty Images

Manchmal sagen wir bei der Arbeit etwas nicht – oder wir wählen eine andere Ausdrucksweise: Wir gendern beispielsweise oder verwenden neutrale Begriffe. Denn wir wollen Kolleginnen und Kollegen nicht ärgern und sie nicht kränken. „Politisch korrekt“ nennt ein Forschungsteam solches Verhalten am Arbeitsplatz und übernimmt damit den Begriff aus der öffentlichen und politischen Diskussion. Es kommt oft vor und viele finden es anstrengend, stellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heraus, die für insgesamt fünf Studien knapp 800 Angestellte sowie rund 1200 Studierende befragten.

Das Ergebnis: Die Befragten berichteten häufig, dass sie sich selbst „zensierten“. Das kostete Kraft und erforderte Selbstkontrolle: Probandinnen und Probanden, die sich an einem Arbeitstag politisch korrekt verhalten hatten, berichteten häufiger davon, dass sie am Abend in gereizter Stimmung waren und öfter mit ihrer Partnerin oder dem Partner aneinandergerieten. Dabei wurde auch erhoben, welche Teilnehmende sich politisch korrekt verhielten: Es waren diejenigen, die die Situation von Kolleginnen und Kollegen und deren Bedürfnisse auf dem Schirm hatten und denen zuvor bewusst war, dass sie mit einer Äußerung eventuell anecken könnten. Mit diesem politisch korrekten Verhalten könne man eine sichere Situation schaffen, in der sich andere verstanden und nicht diskriminiert fühlten, schreiben die Forscherinnen und Forscher. In der Forschung wird dies other-orientation genannt.

Wie die Forschenden schreiben, gibt es wohl zum Thema politische Korrektheit am Arbeitsplatz noch wenig empirische Forschung. In den Studien wendeten sie verschiedene Methoden an: Eine Tagebuch-Studie, bei der die Versuchspersonen direkt aus dem Arbeitsalltag sowie in der Zeit am Abend berichteten, ein Experiment, bei dem die Personen schriftlich eine Meinung äußern sollten – und zwar auf politisch korrekte Weise, auf höfliche Art und auf politisch unkorrekte Weise. Inwieweit die Teilnehmenden anderen orientiert waren, also darüber nachdachten, welche Wirkung sie mit der Meinung erzielen würden, wurde „manipuliert“, etwa in dem die Teilnehmenden Kurztexte mit bestimmten Inhalten lasen. Die Kurztexte drehten sich etwa darum, dass Menschen nach einem Hurrikan Hilfe brauchten oder es wurden neutrale Themen geschildert, wie die Notwendigkeit, Geld für den Ruhestand zurückzulegen.

Das Forschungsteam kommt zu dem Schluss, dass es bei der Arbeit viele Möglichkeiten gibt, sich politisch korrekt zu verhalten und zu äußern. Die Studienergebnisse zeigen nach Ansicht der Forschenden, dass die Befragten sich darüber im Klaren waren und ihre Äußerungen am Arbeitsplatz regelmäßig daraufhin kontrollierten, ob sie niemanden verletzten oder diskriminierten. Dennoch sei diese politische Korrektheit in Unternehmen und Organisationen auch ein zweischneidiges Schwert, meinen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Die Anstrengung zeigt sich nach Feierabend

Sich tagsüber korrekt und kontrolliert zu verhalten, führte bei den Befragten zu schlechter Stimmung nach Feierabend und sie berichteten häufiger von Konflikten mit ihren Partnerinnen und Partnern. In den Studienergebnissen fanden sich auch Hinweise, dass das so genannte detachment, die gedankliche und emotionale Loslösung von der Arbeit umso schwieriger war, je stärker die „Selbstzensur“ tagsüber war.

Die Forscherinnen und Forscher empfehlen Führungskräften in Unternehmen, das Thema „politische Korrektheit“ anzusprechen und die wichtige Bedeutung hervorzuheben, aber auch dazu zu ermutigen, es sich bewusst zu machen und darauf aufmerksam zu machen, dass es Kraft koste und nicht einfach selbstverständlich sei. Dies könne dazu beitragen, dass man weniger erschöpft sei. Darüber hinaus zeige die Studie: Die Haltung, Diskriminierung und Verletzungen vermeiden zu wollen, könne man auch fördern, etwa in Trainings.

Joel Koopman u. a.: Working on eggshells: A self-control perspective on workplace political correctness. Journal of Applied Psychology, 2023. DOI: 10.1037/apl0001025

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