Hamburg, vor der Mittagspause. Rainer will dem Kollegen in Düsseldorf in einer E-Mail ausführlich darüber Bericht erstatten, wie die Pläne zur Umstrukturierung der Filialen bei den Mitarbeitern angekommen sind. Rainer listet Argumente und Gegenargumente auf, bittet um eine kurze Stellungnahme, drückt auf „Senden“. Bis 18 Uhr wartet er auf eine Reaktion aus Düsseldorf. Auch am nächsten Morgen ist noch keine Antwort im Postfach. Rainer hakt vorsichtig per E-Mail nach, ob der Bericht angekommen sei – nichts.…
Sie wollen den ganzen Artikel downloaden? Mit der PH+-Flatrate haben Sie unbegrenzten Zugriff auf über 2.000 Artikel. Jetzt bestellen
sei – nichts. Erst am späten Nachmittag meldet sich der Kollege: „Ist da!“, vermeldet seine E-Mail lapidar.
Frankfurt am Main, kurz vor Feierabend. Christiane öffnet die E-Mail eines Kollegen, dem sie zuvor eine Kundenaufstellung geschickt hatte. Buchstaben schreien sie an: „IST DAS DEIN ERNST??? SO KANN ICH DAS AUCH SELBER!“ Auf ihre Nachfrage erklärt der Kollege, er habe sich nur geärgert, dass die Namen nicht in alphabetischer Reihenfolge aufgelistet waren.
Biberach, früher Morgen. Harald öffnet die E-Mail seines Vorgesetzten: „Brauche asap die Verkaufszahlen der Werke 1,2 3. Kopie an Herrn F.“
80 Prozent der Arbeit besteht aus Kommunikation
Deutschland bei der Arbeit. Die E-Mail ist dabei das am häufigsten genutzte Vehikel für den Informationsaustausch. Und das schnellste. Nur bleiben auf dem kürzesten aller Dienstwege offenbar immer öfter die Manieren auf der Strecke. Email incivility, also rüde E-Mails sind ein Phänomen, das laut einer Studie von Vivien K.G. Lim und JenYuin Chin an der National University of Singapore rund 90 Prozent aller Mitarbeiter kennen.
Rund 280 Milliarden E-Mails werden weltweit pro Tag verschickt, der Zuwachs liegt jährlich im zweistelligen Bereich. Ein Großteil davon fällt auf innerbetriebliche Verständigung. Rund 80 Prozent der Arbeitszeit bestehen Studien zufolge schließlich aus Kommunikation: Ziele werden konkretisiert, Aufgaben verteilt, Beziehungen zu Mitarbeitern aufgebaut, Informationen ausgetauscht. Schon vor Corona-Homeoffice-Zeiten wurde der digitale Postweg häufig sogar von Kollegen auf dem gleichen Büroflur aus reiner Bequemlichkeit genutzt – so musste man sich nicht ins andere Zimmer begeben oder zum Hörer greifen. Als fixer Einwurf, als rasche Frage zwischendurch oder eine zusätzliche Information für den Adressaten. Man wurde sein Anliegen mit einem Mausklick los, ohne Warteschleife, ohne anzuklopfen, ohne Smalltalk.
Als Ersatz für ein persönliches Gespräch allerdings taugt die E-Mail nur bedingt. Schon weil ein direktes Feedback ausbleibt. Und weil spätestens seit den Arbeiten des Psychologen Albert Mehrabian bekannt ist, dass ein Großteil aller Kommunikation auf nonverbalem Weg über Parameter abläuft, die bei der E-Mail keine Rolle spielen, nämlich Körpersprache, Ton und Stimme. Nur magere sieben Prozent fallen auf den Inhalt – auf das also, was die elektronische Post zu übermitteln imstande ist. Eine Einladung für Missverständnisse. Angelehnt an das berühmte Kommunikationsquadrat des Psychologen Friedemann Schulz von Thun: Die Botschaft wird vom Empfänger oft anders verstanden, als der Sender sie gemeint hat.
Unerwünschte Nebenwirkungen
„Vergleicht man elektronische Kommunikation und direkte Face-to-Face-Kommunikation, ist offensichtlich, dass Rückkopplungsprozesse in Gestik, Mimik und Tonlage bei der elektronischen Kommunikation wegfallen“, sagt Alexander Unger, Dozent für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen. Das führt oft zu einer Verunsicherung bei den Kommunikationspartnern. Vor allem wenn es sich um schwierige Inhalte, eine Kritik oder einen eher unangenehmen Auftrag handelt. Viele E-Mails haben unerwünschte Nebenwirkungen: „Mache ich später, habe keine Zeit“ kommt schon mal ruppig rüber; erfolgt nicht sofort eine Antwort, fühlt sich der Sender ignoriert; Enthusiasmus, den ein Kollege mit in Großbuchstaben gesetzten Wörtern zu ersetzen versucht: verstörend unhöflich.
Selbst als bloßes Informationsmedium patzt die E-Post: Nach der media richness theory, die den Informationsgehalt der verschiedenen Übermittlungswege einer Botschaft bewertet, rangiert die E-Mail zusammen mit Briefen weit hinter persönlichen Gesprächen, Meetings und Workshops. Neuere wissenschaftliche Untersuchungen deuten sogar darauf hin, dass durch eine übermäßig textbasierte Kommunikation wichtige soziale Fähigkeiten langsam verlorengehen – unter anderem die Fähigkeit, Emotionen in Gesichtern lesen zu können.
Machtgeplänkel und anderer Zündstoff
Dazu bringen E-Mails obendrein Sprengstoff ganz anderer Art in die berufliche Kommunikation, ist der Unternehmensberater und Autor Peter Modler überzeugt: „Als Machtwerkzeug werden sie oft völlig unterschätzt.“ Gerade ihre Missverständlichkeit wird von Kollegen oder Vorgesetzten schon mal ausgenutzt, um bewusst unterschwellige Botschaften zu übermitteln, ohne sich dabei wirklich angreifbar zu machen: „Da geht es um andere Kriterien als die reine Wortwahl“, erklärt Modler, Autor des Buchs Das Arroganz-Prinzip: „In welcher Geschwindigkeit und wie ausführlich antworte ich, wie spreche ich den Adressaten an, wie verabschiede ich ihn zum Beispiel.“
Modler unterscheidet dabei nach dem Modell der Soziolinguistin Deborah Tannen von der Georgetown University zwei unterschiedliche Sprachsysteme: horizontal und vertikal kommunizierende Menschen. Vertikal kommunizierende Menschen wollen mit jeder Aktion, also auch mit jeder E-Mail zunächst ihren Platz in der Rangfolge festlegen, bevor es um Inhalte geht. Horizontal kommunizierende Menschen dagegen möchten in ihren Aktionen und E-Mails Zugehörigkeitsgefühle vermitteln. Das Fehlen einer höflichen Anrede, einer Grußformel, von ganzen Sätzen oder Ausführlichkeit kann also Unachtsamkeit, der Eile geschuldete Nachlässigkeit sein – aber auch eine Botschaft für den Adressaten: Du bist es nicht wert, dass man sich mit dir länger als nötig abgibt.
Umgekehrt ist es sicher kein Zufall, dass Studien zeigen, dass die E-Mails Vorgesetzter an ihre Lieblingsmitarbeiter besonders lang ausfallen. Darüber hinaus kann hinter einer als unhöflich empfundenen Nachricht via PC auch ein Generationenproblem stecken: In einem Unternehmen treffen immer öfter Menschen zusammen, die Experten als Digital Natives und Digital Immigrants bezeichnen. Die Generation Smartphone trifft auf ältere Arbeitnehmer.
Eher ein schriftliches oder mündliches Medium?
Während die einen eher gewohnt sind, Inhalte als kurzen Kommentar und ohne Gruß und Anrede zu kommunizieren, tun sich die anderen mit diesem Stil schwer. „Die mittlere Generation hat ein anderes Normenverständnis: Mitteilungen ohne Anrede und Grußformel werden als unhöflich empfunden“, beobachtet Sprachwissenschaftlerin Christa Dürscheid, die sich mit der Gegenwartssprache auch in E-Mails beschäftigt. Sie selbst wertet die von der jungen Generation praktizierte Knappheit nicht als heraufziehenden Untergang des Abendlandes, selbst weggelassene Grußformeln am Ende empfindet sie nicht als kühler oder weniger emotional – nur als anders: „Mails ohne Begrüßung und Schluss stehen oft in einem dialogischen Kontext, und mit der ständigen Erreichbarkeit geht auch ein schnellerer Rhythmus einher.“
Vieles scheint also Ansichtssache, liegt im Auge des Empfängers. Der E-Mail-Verkehr hat keinen gemeinsamen Moralkodex und damit keine gemeinsame Sprache. Eine Studie von Alexander Unger zeigte: Von den einen wird die E-Mail eher als schriftliches, von anderen als mündliches Medium eingeordnet. Für eine dritte Gruppe ist sie eher „spontane und persönliche Kommunikation, ähnlich wie Notizen bei den konventionellen Kommunikationsformen“.
Die Folgen des rüden Tons
E-Mails sind schon seit 30 Jahren Teil unserer Welt, aber noch immer nicht ganz zu fassen. Ein unbefestigter Weg durch den Kommunikationsdschungel, auf dem man schon mal ins Straucheln geraten kann. In so einem Umfeld gedeihen Missverständnisse natürlich trefflich, und schnell wird die elektronische Post als Blitzableiter für passive Aggressionen missbraucht. Ihre unterschwelligen Botschaften erreichen das Unterbewusstsein der Adressaten und hinterlassen üble Gefühle, die nur schwer dingfest zu machen sind. Eine Studie der Universität Mainz zeigt, dass rüde, als unhöflich empfundene oder aber drängelnde E-Mails zu Stress und Unzufriedenheit bei den Mitarbeitern, aber auch ihren Partnern zu Hause führen. Die Betroffenen zermartern sich das Gehirn, warum der Absender so unfreundlich zu ihnen ist, und nehmen ihre Besorgtheit darüber auch in den Feierabend mit. Ein weiteres Ergebnis der Studie: Wer unfreundliche Nachrichten bekam, war in der darauffolgenden Woche eher bereit, die Arbeit für seine eigenen Belange ein bisschen schleifen zu lassen – als kleine innere Rache sozusagen.
Auch wenn zum Tatbestand des Cybermobbings eine klare Absicht des E-Mail-Absenders gehört – die Grenze ist fließend, denn am Ende zählt die Botschaft, die zusammen mit den Worten beim Empfänger ankommt. Dass deutschlandweit 1,5 Millionen Menschen angeben, Cybermobbing vor allem durch Kollegen oder Vorgesetzte schon erlebt zu haben, spricht für sich. Den Chef in der E-Mail, in der man einen Kollegen kritisiert, einfach mal in cc zu setzen, das kann durchaus als aggressiver Affront gewertet werden. Auch der Hinweis, der Kollege hätte doch über einen Sachverhalt Bescheid wissen müssen, weil er bei der entscheidenden E-Mail in cc gesetzt worden sei, ist vielleicht nur ein getarnter Versuch der Ausgrenzung und fußt auf dem Kalkül, dass der Empfänger aus der Flut an täglichen E-Mails zunächst diejenigen auswählt, die direkt an seine Person gerichtet sind.
Die Folgen solch digitaler Kriegsführung können Stresssymptome, Schlafprobleme, Angst und Selbstzweifel sein. Bei einer Dauerbefeuerung drohen sogar psychosomatische Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Magenprobleme bis hin zum Burnout. Eine Studie der University of Illinois zeigte, dass aktiv-aggressive E-Mails starke negative Emotionen wie Wut bei den Empfängern auslösen, passiv-aggressive Mails dagegen ein größeres Gefühl der Unsicherheit mit sich bringen und deshalb eher zu Schlaflosigkeit führen. „Da die E-Mails häufig gespeichert werden, neigen die Menschen dazu, eine gemeine Nachricht erneut zu lesen oder vergeblich auf eine Antwort zu warten“, erklärt Zhenyu Yuan, einer der Studienautoren. „Das kann die Frustration und das Stresslevel verschlimmern.“ Die Probleme, die in der Mail angesprochen werden, trägt man zwangsläufig mit sich herum, kann sie nicht – wie im Gespräch – direkt lösen. „Auch deshalb“, sagt Arbeitspsychologe Alexander Unger, „wird so eine E-Mail als besonders negativ und frustrierend empfunden.“
Smileys als Helfer
Corona hat die Situation in vielen Unternehmen noch verschärft – durch die abrupte Zwangsdigitalisierung sämtlicher interner Kommunikation. „Bei Face-to-Face-Kontakten kann das Gegenüber auch die nonverbalen Informationen verarbeiten, das fällt bei elektronischen Medien weg oder ist stark eingeschränkt“, sagt Simone Kauffeld, Professorin für Arbeits-, Organisations- und Sozialpsychologie an der Technischen Universität Braunschweig. Sie erlebt das täglich selbst, seit sie ihren Lehrstuhl aus dem Homeoffice heraus führt. Bis zu drei Monitore für Konferenzen und Teambesprechungen machen sich auf ihrem Schreibtisch breit, die gesamte Kommunikation läuft über sie statt wie zuvor über ihre Sekretärin. „Das führt zu wesentlich mehr Arbeit – und zu deutlich mehr E-Mails. Die ich dann oft so kurz halte, dass sie mir fast unverständlich erscheinen. Das kann schon mal unhöflich wirken – vor allem wenn mich ein Mitarbeiter nicht so gut kennt. Manchmal merke ich, dass eine Mitteilung zu einem Missverständnis geführt hat, und versuche, das gleich zu klären. Schon deshalb baue ich relativ häufig Emojis ein – die stellen die Vertrautheit wieder ein bisschen her.“
Die Zeit, in der die kleinen Smileys in der Businesswelt als unprofessionell galten, ist spätestens seit Coronatagen vorbei. Eine neuere Untersuchung der Frankfurter Hochschule für angewandte Wissenschaften bewies, dass kritische E-Mails von Vorgesetzten an ihre Mitarbeiter besser ankommen, wenn sie mit einem freundlichen Rundgesicht versehen sind: Die Kritik bleibt hängen, aber die Person fühlt sich dadurch nicht infrage gestellt. Um eine allzu knappe E-Mail an einen Kollegen zu entschärfen, taugen die Bildchen allemal, wenn die Entschärfung denn gewünscht ist. Ein weiterer Aspekt, der nach Beobachtungen der Reutlinger Organisationspsychologin und Coachin Nicola Fritze schon mal dazukommt: „Wenn ich unter schwierigen Bedingungen – drei Kinder, die um mich herumturnen, kein vernünftiger Arbeitsplatz – im Homeoffice eine unangenehme E-Mail bekomme, wird ihr Belastungsfaktor womöglich als höher empfunden.“
E-Mails – geliebt und gehasst. Und manchmal sind sie ein Informationsträger, für den man sich eine Art Führerschein wünscht. „Durch den Gebrauch neuer Kommunikationstechnologien werden neue Kommunikationssituationen geschaffen, die neue Regeln mit sich bringen“, ist Alexander Unger überzeugt. Die Unzufriedenheit von Mitarbeitern mit dem Medium E-Mail sei sogar messbar, erklärt Rolf van Dick, Professor für Sozialpsychologie an der Universität Frankfurt, und fasst Befunde zusammen: „Befragungen von Mitarbeitern ergaben, dass diese erstens telefonische oder Face-to-Face-Gespräche mit ihren Führungskräften gegenüber der E-Mail bevorzugten und zweitens Führungskräfte positiver einschätzten, wenn diese überwiegend persönlich mit ihnen kommunizierten.“
Eine E-Mail unter zehn Wörtern? Nicht reagieren!
Braucht es also einheitliche Regeln, eine Art Knigge für den E-Mail-Gebrauch in Unternehmen? Die Versuche, eine Netiquette einzuführen, also eine Nettigkeitsetikette, gibt es in vielen Firmen, seit es die digitalen Briefe gibt. Darin werden eine ordentliche Anrede, ein adäquater Umgangston und eine Grußformel zum Abschluss gefordert. Zwischentöne und Missverständnisse, die sich im Alltag einschleichen, sind nur leider nicht regelbar. Vielleicht sollte man digitale Umgangsformen deshalb sogar schon in der Schule einüben. An der Universität Zürich werden bereits Weiterbildungen für Deutschlehrer angeboten, die die neuen Kommunikationsformen zum Unterrichtsthema machen wollen.
Bis sich ein wie auch immer gearteter Knigge durchgesetzt hat, sollte beim Gebrauch von E-Post zumindest ihr Potenzial als Waffe und Stimmungskiller nicht verkannt und gelernt werden, ihre geheimen Signale zu dechiffrieren. Auf Unflätigkeiten darin sollte man erst gar nicht reagieren, rät der Unternehmensberater Peter Modler für den Umgang mit Krieg und Frieden im Homeoffice oder Büro. Er rät zudem: „Eine E-Mail unter zehn Wörtern niemals ausführlich beantworten.“ Und: „Wenn ich Geschäftspartner, mit denen ich noch nie zu tun hatte, in der ersten Mail schon mit ‚Lieber Herr Sowieso‘ anspreche, bin ich nett, aber nicht seriös. Ebenso wenig, wenn ich mich bei Leuten, mit denen ich gerade verhandle, mit einem superpersönlichen ‚Herzlichst Ihre…‘ verabschiede.“ Mehr noch: „Wenn in meiner Signatur nichts weiter steht als die Adresse meines Arbeitgebers, erscheint meine politische Bedeutung nicht hoch, da muss schon meine Funktion vorkommen. Und in welcher Geschwindigkeit ich wie ausführlich antworte, ist natürlich per se eine politische Botschaft.“
Immer dialogischer und rasanter
Modler erinnert sich an den Fall einer Abteilungsleiterin, die von einem Mitarbeiter eine scheinbar harmlose E-Mail bekam: „Hallo Elke, kannst du den Anhang mal kurz durchlesen, was meinst du dazu, tschüss, Klaus.“ Angehängt war ein zwölfseitiges Schriftstück voller kompliziertester Rechtsprechung. „Nach 20 Minuten antwortete die Abteilungsleiterin mit einer langen E-Mail, die zeigte, dass sie alles brav durchgearbeitet hatte“, sagt Modler. „Und darunter der Satz: Wenn du noch Fragen hast, kannst du mich gerne anrufen.“ So gehe geschickte Manipulation per E-Mail, sagt Modler: „Klaus hatte gezeigt, dass er die Chefin springen lassen kann. Bei solchen Mitarbeitern muss man sich überlegen, ob man überhaupt antwortet. Oder erst nach zwei Tagen oder einer Woche.“
Was bedeutet das für die Zukunft? Kommunikation wird noch schneller, lassen Experten verlauten. „Wir werden in Zukunft alle mehr dialogisch schreiben, unser Interaktionsrhythmus wird rasanter“, glaubt Sprachwissenschaftlerin Dürscheid. Das allerdings heißt: keine Zeit mehr für Zwischentöne. Innerhalb der jungen Mitarbeiterteams gehört die E-Mail derweil längst zur Datensteinzeit. Man postet Statusmeldungen über Slack, eine Kommunikationsplattform mit einzelnen Kanälen. „Und da“, weiß Modler aus der Praxis, „herrscht oft ein völlig unkontrollierter Ton, der Missverständnisse provoziert und verletzend werden kann.“
Netiquette am Arbeitsplatz
Festgeschriebene Regeln für die digitale Kommunikation im Beruf gibt es nicht. Einige Unternehmen allerdings haben einen Verhaltenskodex, der den guten Ton im E-Mail-Verkehr wahren soll. Die wichtigsten Empfehlungen:
Höflich schreiben. Beleidigungen und Provokationen sind tabu
Lesbar bleiben. Auch in der schnellen Mail nicht nachlässig mit Rechtschreibung und Kommasetzung umgehen. Vor dem Abschicken noch einmal drüberlesen hilft auch, den Inhalt zu prüfen und zu kontrollieren
Inhaltsklare Betreffzeile. Eine Unart vieler E-Mail-Schreiber: die Betreffzeile nicht neu aufzusetzen oder launig zu formulieren. Das kostet den Empfänger Zeit beim Einordnen und Wiederfinden
Emoticons erlaubt. Fehlende Gestik oder Mimik oder auch eine ironische oder sarkastische Konnotation einer Aussage dürfen ruhig mit Emoticons ausgeglichen werden, wenn sie der Klarheit dienen
KISS-Regel. Keep it short and simple. Nicht ausschweifend oder kompliziert werden. Kurz und präzise zu bleiben macht die Lesbarkeit leichter
Anreden beachten. Titel und korrekte Formen sollten auch in der elektronischen Post beachtet werden. Eine Anrede darf nie fehlen, ebenso wie Grußformeln zu Beginn und am Ende der Mitteilung
Literatur
Stephan Braun u.a.: Emails from the boss – curse or blessing? Relations between communication channels, leader evaluation and employees´ attitudes. International Journal of Business Communication, 56/1, 2019, 50-81. DOI: 10.1177/2329488415597516
Hans-Michael Eberle, Alexander Unger: Persönliche, schriftliche und elektronische Kommunikation in Organisationen im Vergleich. In: Lengerich u.a.: „Der Mensch im Mittelpunkt wirtschaftlichen Handelns. Tagungsband zur 15. Fachtagung „Gesellschaft für angewandte Wirtschaftspsychologie“, Pabst Science Publication, 2009, 377-396.
Gary W. Giumetti u.a.: What a rude email! Examining the differential effects of incivility versus support on mood, energy, engagement, and performace in an online context. Journal of Occupational Health Psychology, 18/3, 2013, 297-309. DOI: 10.1037/a0032851
Vivien K.G. Lim, Teo S.H. Thompson: Mind your e-manners: Impact of cyber incivility on employees ´work attitude and behavior, Information & Management, 46/8, 2009, 419-425. DOI: 10.1016/j.im.2009.06.006
Vivien K.G. Lim, Teo S.H. Thompson: Technical opinion – bosses and their e-manners. Communications of the ACM, 51/12, 2008, 155-157. DOI: 10.1145/1409360.1409391
Stephanie Morgan, Gillian Symon: Computer-mediated communication and remote management: integration or isolation? Social Science Computer Review, 20/3, 302-311. DOI: 10.1177/089443930202000307
Roman Soucek: Informationsflug am Arbeitsplatz: Helfen Vereinbarungen zur E-Mail-Kommunikation? Personal quarterly, 69/2, 2017, 17-21.
Rolf van Dick, Michael Groß: You've got M@il. Was die E-Mail Flut für Unternehmen bedeutet und wie Mitarbeiter eine produktive E-Mail-Kultur schaffen. OrganisationsEntwicklung, 3/17, 2017, 72-78.
Zhenyu Yuan u.a.: Put you down versus tune you on. Further understanding active and passive e-mail incivility. Journal of Occupational Health Psychology, 25/5, 2020, 330-344. DOI: 10.1037/ocp0000215