Ich werde in jedem Unterricht angespuckt“, antwortet ein Lehrer auf die Frage, warum er in der Schule immer mehrere Hemden zum Wechseln dabei habe. An einer zweiten Schule versucht ein Lehrer, seinen Schüler zu besänftigen, der eine schlechte Note erhalten hat. Daraufhin wird er von dem Jugendlichen die Treppe hinuntergestoßen. Der Lehrer trägt schwere Verletzungen davon. An einer weiteren Schule führt ein Lehrer ein Vier-Augen-Gespräch mit einer Schülerin, weil ihre Versetzung gefährdet ist. Plötzlich…
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gefährdet ist. Plötzlich fragt sie: „Wie würden Sie reagieren, wenn ich jetzt allen erzählen würde, Sie wären mir an die Wäsche gegangen?“
Gewalt und Aggression gegen Lehrkräfte ist ein drängendes Thema. Kriminalstatistiken mehrerer Bundesländer verzeichnen seit einigen Jahren einen Anstieg an Übergriffen, körperlich und verbal. Eine Anfang 2020 vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) durchgeführte Forsa-Umfrage kam zu dem Ergebnis, dass die Gewalt gegenüber Lehrerinnen und Lehrern im Vergleich zur letzten Befragung in allen Schulformen gestiegen sei. Befragt worden waren 1302 Schulleitungen aus ganz Deutschland. Jede dritte Schule gab an, dass in den letzten fünf Jahren dort Lehrkräfte körperlich angegriffen worden waren. 2018 hatte dies nur jede vierte Schulleitung geäußert. Die Zahl derjenigen, die von psychischer Gewalt berichteten, also etwa Beleidigungen, Drohungen oder Mobbing, stieg sogar von 48 auf 61 Prozent. Dabei gibt es Unterschiede zwischen den Schulformen: Direkte psychische Gewalt tritt an 73 Prozent der Sekundarschulen, aber deutlich seltener an Gymnasien auf.
Bei der Ursachensuche herrscht häufig Ratlosigkeit. Wenige Studien haben sich mit Gewalt und aggressivem Verhalten gegen Lehrerinnen und Lehrer beschäftigt. Eine der wenigen, die die direkten Auslöser von Gewalt untersucht haben, stammt aus den USA. Dabei gaben die Lehrkräfte an, dass Schülerinnen und Schüler vor allem nach Disziplinarmaßnahmen rotsahen. Aber auch wenn sie die Kinder aufgefordert hatten, sich an bestehende Regeln zu halten, oder wenn sie Streitigkeiten unter ihnen schlichteten.
Mehr Aggressionen in der Pandemie?
Was treibt Schülerinnen und Schüler dazu, Lehrkräfte bewusst zu verletzen? Um der Antwort näherzukommen, hilft es, sich die Ursachen von Gewalt generell anzusehen: Je stärker die Frustration, desto intensiver die aggressive Reaktion, so postuliert es die Frustrations-Aggressions-Hypothese der Psychologen John Dollard und Neal Miller. Dieser Theorie zufolge hat jede Form von Aggression ihren Ursprung in einem Frustrationserleben. Frust tritt meist auf, wenn ein Misserfolg erlebt oder eine Erwartung enttäuscht wird. Ärger ist nicht selten die Folge. Allerdings muss Aggression nicht notwendigerweise das Resultat einer Frustration sein. Deshalb geht man in neueren Theorien davon aus, dass verschiedenste negative Erfahrungen, zum Beispiel unangenehme Gefühle oder Körperempfindungen wie Schmerzen, Auslöser von Aggression sein können. Durch aggressives Verhalten versuchen Kinder und Jugendliche mitunter, Gefühle wie Angst, Scham oder Traurigkeit auszublenden.
Solche Emotionen entstehen dadurch, dass bestimmte Grundbedürfnisse nicht erfüllt werden. Gerade Kinder sind emotional noch sehr auf Erwachsene angewiesen. Wird etwa das Bindungsbedürfnis einer Schülerin dadurch verletzt, dass eine Lehrerin ihr eher kühl und mit wenig Zuwendung begegnet, reagiert sie vielleicht mit Rückzug und Ablehnung. Ist ein Schüler von den Leistungserwartungen eines Lehrers überfordert, könnte dadurch sein Grundbedürfnis nach Kontrolle und Orientierung sowie danach, seinen Selbstwert zu erhalten, bedroht sein. Dies signalisiert er seinem Lehrer dann über verbale Attacken. Es kann sich also lohnen, zunächst zu fragen, was ein Kind mit seinem Verhalten bezwecken möchte. Denn Aggression ist immer auch der Versuch, seiner Umwelt ein Bedürfnis mitzuteilen – wenn auch ein missglückter.
Anfragen von Schulen nehmen zu
Gerade während der Lockdownphasen der Covid-19-Pandemie könnten wichtige Grundbedürfnisse auf der Strecke geblieben sein: Dort, wo der Schulbetrieb stattfand, schränkten die Hygienemaßnahmen die Freiheit der Schülerinnen und Schüler stark ein. Sie durften sich außerhalb des Unterrichts meist nur in festen Gruppen bewegen, auf dem Schulhof waren sie oft im Bewegungsdrang gebremst und unter Beobachtung. Zudem war der Unterricht vielerorts wieder sehr traditionell: mehr Frontalunterricht, mehr Einzelarbeit, kaum projektorientiertes Lernen. Die Anspannung war vielerorts spürbar.
Kam es deshalb vermehrt zu Angriffen auf Lehrerinnen und Lehrer? Forschungsergebnisse dazu gibt es noch nicht. Der Sicherheitsdienstleister und ehemalige Polizist Thomas Herzing aber bejaht das. Er kann einige Geschichten von Gewalt gegen Lehrer aus seinem Berufsalltag erzählen. Mit seiner Firma bietet er Vorträge und Schulungen für Unternehmen und Bildungsträger an. „Die Anfragen von Schulen wegen Übergriffen auf Lehrkräfte haben in letzter Zeit deutlich zugenommen“, schildert er. Und glaubt da eine Verbindung zur Pandemie zu erkennen.
Der Deutsche Lehrerverband weist darauf hin, dass Gewaltvorfälle unabhängig von der Pandemie an Brennpunktschulen häufiger vorkommen als an anderen Schulen. Diese Schulen haben einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Schülerinnen und Schülern aus Familien, die in prekären Verhältnissen leben. Die Pandemie kann hier eine zusätzliche große Belastung darstellen. Allgemeine Studien legen nahe, dass benachteiligte Kinder und Jugendliche häufiger Täter, aber auch Opfer von Gewalt werden. Gibt es also an Schulen mit vielen Kindern aus dieser sozialen Gruppe in Zeiten der Pandemie womöglich mehr Vorfälle?
Zweifel an Zuspitzung
„Kinder, die vorher schon belastet waren, weil sie in einem schwierigen psychosozialen Umfeld aufwachsen, sind momentan natürlich anders gefordert als Kinder, die ohnehin schon auf ausreichend Ressourcen und ein strukturierendes Elternhaus zurückgreifen können“, gibt die Kinder- und Jugend-psychotherapeutin Dörte Grasmann zu bedenken, die am Universitätsklinikum Frankfurt am Main unter anderem übermäßig aggressive Kinder und Jugendliche behandelt.
Anke Seifert, die ihren richtigen Namen nicht genannt haben möchte, um freier sprechen zu können, ist Realschullehrerin in Rheinland-Pfalz und bezweifelt eine aktuelle Zuspitzung der Situation. Obwohl sie an einer Brennpunktschule arbeitet, hat sich dort das Aggressionspotenzial ihrer Wahrnehmung nach bisher nicht erhöht – weder gegenüber Lehrkräften noch gegenüber Mitschülerinnen und Mitschülern. Als an ihrer Schule ein Lehrer an Covid-19 erkrankte und deswegen zahlreiche Kolleginnen und Kollegen sowie Schülerinnen und Schüler in Quarantäne mussten, hätten viele Kinder geweint, weil sie sich um sich und ihre Angehörigen gesorgt hätten. „Die Kinder und Jugendlichen sind momentan eher verhalten und diszipliniert.“
Wenn es um Ursachen von Gewalt geht, spielt nicht nur die finanzielle Lage des Elternhauses, sondern auch das Verhalten der Eltern eine bedeutsame Rolle. Kinder, die Zeugen elterlicher Gewalt werden oder Gewalt durch sie erleben, haben ein erhöhtes Risiko, selbst gewalttätig zu werden. Dieser Zusammenhang lässt sich durch die soziale Lerntheorie von Albert Bandura erklären. Diese besagt, dass aggressives Verhalten über Modelllernen erworben wird. Wird etwa ein Vater bei Konflikten mit der Mutter häufig handgreiflich, lernt ein Kind Schlagen als „adäquates Kommunikationsmittel“ kennen. Wenn ohnehin stark beanspruchte Eltern an ihre Belastungsgrenze kommen, kann das in Aggression gegenüber ihren Kindern münden. Diese Grenze wurde während der Pandemie womöglich häufiger erreicht.
Ein schon lange angespanntes Verhältnis
Doch auch unabhängig von der aktuellen Stresssituation beobachtet die Grundschullehrerin Marina Götzinger, dass die Frustrationstoleranz der Kinder, aber auch der Eltern stark nachgelassen hat: „Viele Eltern sind seit ein paar Jahren derart übergriffig, da wundern wir uns überhaupt nicht, dass sich die Kinder auch so verhalten.“ Die langjährige Lehrerin berichtet, dass sie zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn eine viel größere Würdigung ihrer Arbeit erlebt habe. Heute bekämen sie und ihre Kolleginnen kaum noch positive Rückmeldungen von Eltern. Das Verhältnis zwischen Lehrpersonal, Schülern und Eltern ist in der Tat schon lange angespannt. Eltern, so Götzinger, hätten zunehmend unrealistische Leistungsansprüche – sowohl an die Lehrpersonen als auch an ihre Kinder. Zugleich beklagten Lehrerinnen und Lehrer, dass sich Eltern immer häufiger fordernd einmischten und kein Vertrauen in ihre pädagogische Arbeit hätten.
Während Mütter und Väter zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegenüber Lehrkräften noch weitgehend obrigkeitshörig waren, stellten sie deren erzieherische Methoden im Zuge der antiautoritären Bewegungen der 1960er und 1970er Jahre mehr und mehr infrage. Das psychische Wohlergehen der Schülerinnen und Schüler stand zunehmend im Vordergrund. Heute verstehen sich viele Eltern als Anwälte ihrer Kinder. Eine Untersuchung der Universität Chicago ergab, dass Eltern Lehrkräfte sogar häufig für Verhaltensprobleme ihrer Kinder verantwortlich machten. Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass acht Prozent der Gewalt gegen Lehrkräfte dem Lehrerverband VBE zufolge von Eltern ausgeht. Vorstellbar, dass sich diese übergriffige Haltung auf die Kinder überträgt.
Soziale Medien bringen eine weitere, neue Dynamik ins Spiel: An der Schule von Anke Seifert hat es in den letzten Jahren drei Fälle von Cybermobbing durch Schülerinnen gegen Lehrerinnen gegeben. Sie hatten jeweils aus einem Foto ihrer Lehrerin einen digitalen verunglimpfenden Sticker erstellt und diesen ins Netz gestellt. Wie ein Lauffeuer hätten sie sich in der ganzen Schule verbreitet. „Alles hat innerhalb von Sekunden eine unheimliche Öffentlichkeit. Das setzt Lehrkräfte enorm unter Druck“, beobachtet die Schulpsychologin Meltem Avci-Werning, Präsidentin des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen.
Die Aggression ist real
Klar ist: Die Aggression ist real und sie wirft viele Fragen auf. Zum Beispiel ob sie jeden treffen kann. Eine Untersuchung des Zentrums für Empirische Pädagogische Forschung der Universität Koblenz-Landau legt nahe, dass weibliche und ältere Lehrpersonen ein höheres Risiko haben, zu Opfern zu werden. Die Angriffe an ihrer Schule hätten ausschließlich Lehrerinnen gegolten, bestätigt Anke Seifert, und dabei solchen, die „einen schlechten Stand“ bei den Schülerinnen und Schülern hätten. Eine der Lehrerinnen sei sehr anspruchsvoll in ihren Leistungsanforderungen – in den Augen einiger Schülerinnen und Schüler zu anspruchsvoll. Die andere werde aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes nicht ernst genommen. Die dritte Lehrerin wirke sehr unsicher und könne sich kaum durchsetzen.
Sind die Betroffenen also selbst schuld? Nein. Aber die Qualität der Beziehung zwischen Lehrkraft und Schülerin oder Schüler hat einen entscheidenden Einfluss darauf, wie gut und schnell Konflikte gelöst werden können, belegen empirische Untersuchungen. Eine positive Beziehung zeichnet sich durch gegenseitiges Vertrauen, Wärme und Respekt aus. Die Psychologin Mary Shann von der Universität Boston fand in einer Studie heraus, dass das Verhältnis zu den Schülerinnen und Schülern für das Wohlbefinden von Lehrkräften von zentraler Bedeutung ist, bedeutsamer sogar als die erlebte Wertschätzung ihrer Arbeit. Auch Schülerinnen und Schülern ging es einer weiteren Studie zufolge in einem angenehmen Miteinander in der Schule besser, zugleich fielen ihre Leistungen dann auch besser aus. Ein Forschungsteam aus Italien kommt nach einer Erhebung zu Gewalt an Schulen zu dem Schluss, dass Interventionsprogramme die Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden in den Fokus nehmen sollten. Der Umgang miteinander sei ein wichtiger Faktor bei der Gewaltprävention.
Klare Regeln, emotionale Wärme
„Manche Lehrerinnen und Lehrer sind sich nicht bewusst, wie viel Einfluss sie durch die Beziehungsgestaltung ausüben können – in die positive wie die negative Richtung“, sagt Schulpsychologin Avci-Werning. Einige sähen sich vorwiegend als reine Lernstoffvermittler. „Man kann ihnen nicht alles zumuten, aber man kann sie auch nicht von allem befreien. Beziehungsaufbau ist eine wichtige Aufgabe, die Lehrkräfte erfüllen, aber eben auch übernehmen müssen.“ Leider werden solche sozialen Kompetenzen in der Ausbildung bisher wenig gelehrt. Auch deshalb fällt es manchen Lehrkräften wohl schwer, ein gutes Verhältnis zu den Kindern und Jugendlichen aufzubauen.
Ein gutes Klassenmanagement fördert Untersuchungen zufolge eine solche positive Beziehung. Als wirksam gilt dabei ein autoritativer Lehrstil, der sich durch ein hohes Maß an klaren Regeln und Kontrolle, aber auch viel Unterstützung und emotionale Wärme bemerkbar macht. Dieser trägt zu einem positiven Klassenklima bei, das Studien zufolge mit weniger Gewaltvorfällen einhergeht.
Der Sicherheitsdienstleister Thomas Herzing, der Lehrpersonen coacht, übt mit ihnen, potenzielle Gefahrensituationen frühzeitig zu erkennen und sich ein passendes Verhaltensrepertoire anzueignen. Außerdem arbeitet er mit ihnen an ihrem verbalen und nonverbalen Kommunikationsverhalten. Schon ein souveränes Auftreten könne deeskalierend wirken. Dazu gehört auch, Erwartungen an Schülerinnen und Schüler klar, deutlich und positiv zu formulieren. Reaktionen wie: „Ich will nicht, dass du mich beleidigst“, seien wenig hilfreich. Besser sei die Ansage: „Ich erwarte, dass du respektvoll mit mir sprichst.“ Denn Kinder und Jugendliche wissen manchmal schlicht nicht, was genau Erwachsene von ihnen erwarten und was sie verbessern können – insbesondere wenn sie es zu Hause nicht gelernt haben.
Hinsehen und reagieren
Eine wichtige Rolle spielen ebenso die schulischen Rahmenbedingungen. „Die Schulklassen sind zu groß, um jedem Kind gerecht zu werden“, beklagt Realschullehrerin Seifert. Die positiven Effekte kleiner Klassen seien während des eingeschränkten Schulbetriebs wegen der Pandemie deutlich spürbar gewesen. An vielen Schulen waren die Klassen zweigeteilt, so dass die Gruppen an verschiedenen Tagen zu ihrem Unterricht kamen. Sie sei dadurch mit den Lernenden enger im Austausch gewesen, diese seien aufmerksamer gewesen, hätten sich stärker beteiligt, und es habe weniger Unterrichtsstörungen gegeben.
Der Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung, Udo Beckmann, ergänzt, Schülerinnen und Schüler hätten berichtet, dass sie sich stärker wahrgenommen fühlten. Er sieht in kleineren Klassen daher einen zentralen Schlüssel zur Gewaltprävention und -reduktion. Darüber hinaus hält er eine stärkere Unterstützung der Lehrkräfte durch multiprofessionelle Teams für nötig, es brauche dringend mehr Schulpsychologinnen und Schulsozialarbeiter. Auch eine unterstützende Schulleitung sei wichtig, um einen offeneren Umgang mit erlebten Übergriffen zu ermöglichen.
Hier scheint es schon Fortschritte gegeben zu haben. Dass Schulleitungen und Lehrkräfte in Umfragen häufiger über Gewalt berichten, könne womöglich sogar dadurch zu erklären sein, „dass es in den Schulen in den letzten Jahren einen fundamentalen und begrüßenswerten Haltungswandel hinsichtlich psychischer Gesundheit und Belastung gegeben hat“, sagt die Schulpsychologin Meltem Avci-Werning. Es sei möglich, dass aufgrund der stärkeren Sensibilisierung der Schulen Gewaltvorfälle nun eher wahrgenommen würden, offener mit diesen umgegangen werde und sie letztlich auch häufiger gemeldet würden.
Mehr soziale Kompetenztrainings
Diese mögliche Entwicklung will sie fortgeführt wissen. Avci-Werning fordert „mehr Psychologie in den Schulen“. Lehrpersonen sollten verstärkt und niederschwellig Supervisionen, psychologische Beratungen sowie kollegiale Fallberatungen in Anspruch nehmen können. Darüber hinaus spricht sie sich für die Einführung des Schulfachs Psychologie aus. In dessen Rahmen könnten nicht nur sozial-emotionale Fähigkeiten der Kinder und Jugendlichen gestärkt, sondern auch psychologisches Wissen – etwa über psychische Gesundheit und Erkrankung oder Lernen und Lernstrategien – vermittelt werden.
Auch die Grundschullehrerin Marina Götzinger wünscht sich für Schülerinnen und Schüler mehr soziale Kompetenztrainings. An zahlreichen Schulen gibt es zwar freiwillige Angebote, diese werden allerdings oft erst zu spät und nicht von allen in Anspruch genommen. Stattdessen sollten klassenübergreifend und präventiv die Fähigkeiten gestärkt werden, eigene Emotionen wahrzunehmen und mit ihnen adäquat umzugehen, eigene Bedürfnisse und Grenzen zu erkennen und die Grenzen anderer zu wahren.
„Wird ein erwünschtes Verhalten gezeigt, muss dieses wahrgenommen und honoriert werden, sonst wird ein Kind das Verhalten nicht beibehalten“, sagt die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Grasmann. Das Wichtigste sei jedoch, so schwer es auch falle, Verständnis für verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche aufzubringen und weiterhin die Bereitschaft zu zeigen, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Ihre therapeutische Arbeit, merkt Grasmann an, sei nur dann wirksam, wenn das ganze System mitarbeite – wenn also Kinder, Eltern und Schulen wirklich eine positive Veränderung anstrebten und an einem Strang zögen.
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