Von nichts kommt nichts

Wie Partnerschaften lebendig bleiben und vor „äußeren „Gefahren“ geschützt werden können

Traditionell versuchte die Paarforschung bislang, Wege zu finden, wie sich Negatives in Beziehungen minimieren lässt. Darüber aber kam das zu kurz, was Gemeinsamkeit stiftet und verbindet. Beziehungen lassen sich zum „Aufblühen“ bringen, wenn es ausreichend Gelegenheiten für positive gemeinsame Erfahrungen gibt.

Dankbarkeit verbindet

Es erscheint banal, aber eine tägliche Dosis Dankbarkeit entwickelt enorme Bindekräfte in einer Beziehung. Im Alltag herrscht oft Routine, und man nimmt den anderen und…

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oft Routine, und man nimmt den anderen und seine guten Eigenschaften für selbstverständlich.

„Dankbarkeit erinnert uns an die Qualitäten des Partners“, meint die Psychologin Sara Algoe von der Universität North Carolina. Sie fokussiert uns auf das Positive am Partner und erinnere uns daran, warum wir ursprünglich zusammen sein wollten. Ein Experiment mit Paaren hat gezeigt: Bringt ein Partner täglich seine Dankbarkeit deutlich zum Ausdruck, und sei es nur einmal, steigt beim anderen die Zufriedenheit mit der Beziehung. Dankbarkeit kann für eine Beziehung wie ein Alleskleber wirken. Die Glücksforscherin Barbara Fredrickson präzisiert: Wenig wirkungsvoll ist es, den Dank auf ein Objekt zu richten: „Danke für das Essen, ich war sehr hungrig.“ Sehr viel besser ist es, sich auf die Person zu beziehen: „Wie aufmerksam von dir, du bist ein toller Koch.“

Seien Sie albern!

Die Leichtigkeit des Seins geht in einem stressigen Alltag und im Berufslebens schnell verloren– und damit auch das Spielerische, Unernste, Entspannte. Dreht sich das Leben nur noch um Karriere, Rechnungen, Essen und Schlafen, dann geht auch die Lust an Späßen, Witzen oder am Herumalbern flöten. Sicher müssen ernste Sachverhalte auch ernst genommen und angemessen behandelt werden. Psychologen haben jedoch herausgefunden, dass Paare, die selbst in der Hitze eines Streites auch mal blödeln oder sich necken können, schneller wieder zusammenfinden. Dagegen tun sich Paare, die beim Streiten ausschließlich kühl und logisch miteinander argumentieren, beim Finden friedlicher Lösungen schwerer.

Sich mit dem anderen freuen

Zu einer guten Beziehung gehört ganz selbstverständlich, dass man vom Partner Trost und Hilfen erwarten darf, wenn man ein Problem hat. Der andere bietet eine Schulter, an der wir uns aufrichten oder ausweinen können, wenn es mal nicht gut läuft. Langfristig wichtiger ist jedoch, wie Paare in guten Zeiten miteinander umgehen. Partner, die sich ehrlich über die Erfolge des anderen freuen können, die aktives Interesse an seinem Wohlergehen, seinen Erfahrungen zeigen – etwa indem sie nachfragen, Komplimente machen und ermutigen –, sind auf lange Sicht zufriedener mit ihrer Beziehung.

Die Fähigkeit, die Positiverlebnisse des Partners mitzuerleben, verschafft Paaren sogar noch mehr Zufriedenheit als die Bereitschaft, in schlechten Zeiten das Leid zu teilen.

Schwärmen erlaubt!

Den Lebensgefährten auf einen Sockel zu heben mag uns als naiv oder unreif erscheinen – das ist etwas für schwärmerische Teenager, glauben wir. Und hieß es nicht auch, wir müssten den anderen – spätestens nach der heißen Phase der Verliebtheit – realistisch sehen und ihn nicht länger idealisieren? Das ist nicht falsch. Aber die Forschung zeigt nun: Ein Rest von Idealisierung ist gut für das Beziehungsglück. Der allzu nüchterne Blick auf den geliebten Menschen nimmt der Beziehung viel positive Energie. Eine Studie ergab: Bei Paaren, die den höchsten Zufriedenheitsgrad aufweisen, wird der Partner positiver gesehen als man selbst. Es ist für den Zusammenhalt und für das Paarglück hilfreich, bei der Betrachtung des anderen von Zeit zu Zeit den Analytiker in uns auszuschalten und sich darauf zu fokussieren, was man besonders am Partner mag. Der verklärende Blick hilft auf lange Sicht, eine Beziehung lebendiger zu gestalten.

Offen bleiben für Neues

Den Partner hin und wieder zu überraschen hält die Spannung in einer Beziehung aufrecht. Das ist die beste Versicherung gegen Routine und Langeweile. Aber um sich selbst auch überraschen zu lassen, muss man aufmerksam sein. Das Problem ist häufig, dass wir uns so sehr an den anderen gewöhnt haben, dass wir oft nicht mehr genau hinsehen. „Aber dass man aufhört zu registrieren, heißt nicht, dass unser Partner sich nicht verändert“, meint die Sozialpsychologin Ellen Langer von der Harvard-Universität.

„Wir glauben, dass wir den anderen in- und auswendig kennen, und halten daran fest“, sagt Langer. Aber jeder Mensch verändere sich, auch wenn das manchmal nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist.

Tagebuch – gemeinsam geführt

Schreiben verstärkt romantische Gefühle, auch dann, wenn es sich „nur“ um ein traditionelles Tagebuchführen handelt. In einer Studie zeigte sich die enorme Bindekraft, die vom fixierten Wort ausgeht: Die Teilnehmer, die täglich dreimal etwas über ihre Beziehung niederschrieben, waren nach drei Monaten mit größerer Wahrscheinlichkeit noch mit ihrem Partner zusammen als diejenigen, die das nicht taten. Auch die SMS, die sie ihrem Partnern schickten, waren im Vergleich positiver. Das Schreiben verstärkt ganz deutlich die vorhandenen (oder in einer neuen Beziehung: aufkeimenden) Gefühle. Wenn Sie also nächstes Mal zärtlich an Ihren Partner denken: Schreiben Sie es auf!

Heinzelmännchen spielen

Es erscheint ganz selbstverständlich, dass es sich positiv auf eine Beziehung auswirkt, wenn man dem belasteten oder gestressten Partner demonstrativ hilft. Doch die zu offenkundige Unterstützung hat einen Haken, fand Niall Bolger von der New Yorker Columbia University heraus: Der andere könnte sich „in der Schuld“ fühlen – was seinen Stress eher noch vergrößert.

Der effektivste Rückhalt bleibt unsichtbar, das zeigen Bolgers Studien. Wenn ein Partner den gestressten heimlich unterstützte, reagierte der andere Partner positiver, als wenn er die Hilfe ­demonstrativ bekam. Versteckte Wohltaten versüßen den Tag des Gefährten, vor allem dann, wenn er oder sie eine schwierige Zeit durchmacht. Es empfiehlt sich daher für wohlmeinende Partner, statt großer Gesten eher subtile Möglichkeiten zu suchen, um dem anderen das Leben zu erleichtern: Stellen Sie das Lieblingsgetränk kalt oder räumen Sie die unordentliche Arbeitsecke stilschweigend auf. Dieser stille Support wirkt Wunder für die Beziehung.

Komm näher!

Natürlich ist regelmäßiger Sex eines der wirksamsten Bindemittel in einer Beziehung und sorgt für Zufriedenheit. Aber bei Paaren, deren erotisches Leben in die Jahre und damit vielleicht ins Stocken geraten ist, kann schon eine zärtliche Berührung bedeutsam sein. Eine simple Übung wie das „zugewandte Berühren“, bei dem sich die Partner zärtlich den Nacken, die Schultern oder die Hände streicheln, führt zu einer gesteigerten Ausschüttung von Oxytocin, einem Hormon, das Bindungen fördert, den Blutdruck reduziert und den physiologischen Stresslevel absenkt. Mit anderen Worten: Diese Wirkung von physischer Nähe lässt sich auch nutzen, wenn keine Zeit für das „volle Programm“ ist. Eine Umarmung, das zärtliche Massieren des Nackens oder das Streicheln des Rückens kann die Befindlichkeit des Partners deutlich verbessern – und verstärkt das Band der Beziehung.

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 3/2016: Eigensinn