Jahrelang hatte die Frau, die wir Miriam Kempe nennen wollen, ihrem Mann nichts von ihren Fantasien erzählt. Nichts von den Schlägen, die sie sich vorstellte. Nichts von der Lust, die sie bei der Vorstellung empfand, vergewaltigt zu werden. Die sie erregte, aber noch mehr verstörte und für die sie sich schrecklich schämte. Was ihr im Kopf herumgeisterte, passte nicht dazu, wie sich die starke Geschäftsfrau selbst sah. Schon als Kind hatte sie sich ausgemalt, geschlagen zu werden und gehorchen zu müssen. Als…
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sie sich ausgemalt, geschlagen zu werden und gehorchen zu müssen. Als sie sich ihrem Mann schließlich anvertraut, zerbricht dessen romantische Idealvorstellung. Er fragt sich: Habe ich eine Perverse geheiratet?
Nach langen quälenden Gesprächen kommen die beiden überein: Miriam darf ihre Sehnsucht nach Unterwerfung mit anderen ausleben. Einzige Bedingung: kein Geschlechtsverkehr. Ein erfahrenes SM-Paar bringt ihr bei, nach den festen Regeln des BDSM – Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism – zu gehorchen. Miriam lernt Symbole und Rituale. Nach der ersten Sitzung denkt sie: „Genau das hat mir gefehlt!“ Sie hat den Sex gefunden, nach dem sie sich gesehnt und den sie lange verdrängt hatte.
Woher kommt Miriams Lust an der Unterwerfung? Warum liebt es der eine hart und die andere zart? Wie entsteht das, was der Sexualwissenschaftler John Money als lovemap bezeichnet hat, nämlich jene individuelle Ausstattung, die steuert, wie und mit wem wir Sex haben wollen? Ist sie im Erbgut festgeschrieben?
„Gene spielen eine Rolle für die Entwicklung unserer individuellen Sexualität, aber sie sind sicher nicht allein verantwortlich“, sagt Peer Briken, Direktor am Institut für Sexualforschung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Vielmehr gebe es eine komplexe Verschränkung zwischen genetischen Faktoren, hormonellen Prozessen im Mutterleib, die auf den Embryo einwirken, Stressoren und kindlichen Lernerfahrungen. In der Pubertät verfestigten sich diese Einflüsse und trügen zu unserer sexuellen Orientierung bei. „Auf diese Basis wirken spätere sexuelle Erfahrungen ein, fußen aber auch darauf“, sagt Briken. „Je älter wir werden, umso stärkere Erfahrungen braucht es, um unsere lovemap umzuschreiben oder zu ergänzen.“
Als wissenschaftlich überholt gelten alle Modelle, die unsere Sexualpräferenz einseitig entweder aus der Sozialisation oder der Biologie heraus erklären wollen. Zwillingsstudien deuten darauf hin, dass der genetische Einfluss für die sexuelle Orientierung bei etwa 30 bis 40 Prozent liegt, so Briken. In der menschlichen Sexualität gibt es kein Ursache-Wirkung-Prinzip.
Die Ausprägung der Sexualpräferenz lasse sich weder an einem Chromosomenabschnitt noch an einem Hirnareal oder Blutparameter festmachen, bestätigt der klinische Sexualpsychologe Christoph J. Ahlers, der in Berlin die Praxis für Paarberatung und Sexualtherapie am Institut für Sexualpsychologie leitet.
Gescheitert sind auf der anderen Seite auch Lernmodelle, die allein aus prägenden Erfahrungen in der Kindheit die spätere Ausformung sexueller Präferenzen ableiten wollen. Die Sexualpräferenz entwickelt und entfaltet sich laut Ahlers als Bestandteil der Persönlichkeit im Zusammenwirken aus biologischen Anlagen und sozialisatorischen Prägungen – wie alle psychologischen Persönlichkeitsmerkmale. „Bis heute kann die Sexualwissenschaft nicht beantworten, warum Paul heterosexuell, Gerd pädosexuell oder Petra homosexuell wird“, sagt Ahlers.
Eine Liebeskarte mit drei Achsen
Zu welchem Geschlecht man sich hingezogen fühlt, ist aber nur eine der Koordinaten, die auf der persönlichen lovemap abgebildet werden. Ahlers stellt die sexuelle Präferenz auf drei Achsen dar:
1. die sexuelle Orientierung auf das männliche und/oder weibliche Geschlecht
2. die sexuelle Ausrichtung auf ein präferiertes Körperbild begehrter Sexualpartner (Kinder, Jugendliche, Erwachsene)
3. die sexuelle Neigung zu einem präferierten Typus eines Sexualpartners und einer bestimmten Art und Weise (Modus) der sexuellen Betätigung.
Jeder Mensch, so Ahlers, verfügt über ein individuelles Muster der Sexualpräferenz auf allen drei Achsen. Dieses werde in den ersten beiden Lebensjahrzehnten in einem biopsychosozialen Prozess geformt und bleibe auf dem späteren Lebensweg relativ stabil. Das sei so ähnlich wie bei der Intelligenz: Ebenso wie die intellektuelle Leistungsfähigkeit eines Menschen könne die Sexualpräferenz durch entsprechende Lernerfahrungen modifiziert, nicht aber grundlegend verändert werden.
In Bezug auf die sexuelle Orientierung herrscht unter Experten Konsens. Zwar gebe es vereinzelt immer noch therapeutische Angebote, die darauf abzielten, Homosexualität wegzutherapieren, so Sexualforscher Briken. „Das ist aber unethisch und nicht vertretbar. Ich kritisiere das auf das Schärfste.“ Doch wie ist das mit der Pädophilie? Soll und kann man das Begehren nach Minderjährigen „behandeln“? Ahlers plädiert dafür, beim Verhalten, aber nicht bei der sexuellen Ausrichtung anzusetzen. „Nicht der Umstand, dass jemand auf Kinder steht, ist das Problem, sondern wichtig ist, dass kein sexueller Missbrauch begangen wird. Die Botschaft an Betroffene muss lauten: Niemand hat sich seine Sexualpräferenz ausgesucht. Du bist nicht schuld an deinen sexuellen Vorstellungen. Aber du bist verantwortlich für dein sexuelles Verhalten! Werde kein Täter!“
Ahlers bietet pädophilen Männern im Rahmen des „Präventionsprojekts Dunkelfeld“ therapeutische Hilfe an, um sie darin zu unterstützen, Verhaltenskontrolle zu erlernen. Im Maßregelvollzug herrsche hingegen immer noch die historische Fehlvorstellung vor, Sexualstraftäter von ihrer „Krankheit“ heilen zu können, so Ahlers. Langjährige Maßregelpatienten geständen im Rahmen von Prognosebegutachtungen jedoch unter Tränen, immer noch sexuelle Fantasien mit Kindern zu haben. „Die Hypothese, wonach man eine Sexualpräferenz therapeutisch heilen, also löschen oder umpolen kann, ist falsch“, sagt Ahlers. „Therapeutisch möglich ist es, den Umgang mit einer gegebenen Präferenz zu flexibilisieren, also Verhaltensspielräume zu erweitern und dabei zu helfen, verantwortliche Kontrolle über das eigene Sexualverhalten zu erlangen.“
Selbst für Pädophile gibt es Alternativen
Andreas Hill, Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Sexualwissenschaftler in Hamburg, hält gleichwohl eine „einseitige therapeutische Fixierung auf Kontrolle für bedenklich“. Dass Pädophilie wie andere Präferenzen vor der Adoleszenz festgelegt werde und danach nicht mehr veränderbar sei, sei empirisch nicht belegt. „Dagegen bin ich der Meinung, dass man in einer Psychotherapie andere sexuelle Anteile ausbauen kann, sodass die pädosexuellen Neigungen in den Hintergrund treten können.“ Denn, so der Psychiater: „Die meisten Menschen sind nicht auf eine sexuelle Spielart oder Präferenz fixiert, sondern können neben der speziellen Neigung auch durch viele andere Praktiken sexuell erregt werden.“
Das führt zurück zu der Frage, wie und wann sich spezielle sexuelle Neigungen wie die Pädophilie oder Masochismus und Voyeurismus entwickeln. Auf Fortbildungen erzählt Andreas Hill gern die Geschichte von dem Tanzlehrer, der als Kind von seiner manisch-depressiven Mutter geschlagen worden war und sich stets voller Angst unter das Bett verkrochen hatte, wo er nur die Füße seiner auf und ab gehenden Mutter sehen konnte. Später habe er eine masochistische Lust dafür entwickelt, dominiert zu werden – in Verbindung mit einem Fußfetischismus. „Die Reinszenierung seiner traumatischen Erfahrung konnte er auf diese Weise als lustvoll erleben“, erklärt Hill. Doch nicht immer findet sich eine solche Schlüsselszene in der Vergangenheit. „Verletzungen, Kränkungen, Demütigungen und Ohnmachtserfahrungen in der Kindheit spielen zwar bei vielen Paraphilien eine Rolle, sind aber keine notwendige Voraussetzung.“
Um eine Vorliebe für eine Paraphilie, also eine ungewöhnliche Sexualpraktik, zu entwickeln, brauche es nicht unbedingt eine Traumatisierung oder andere pathologische Bedingungen, meint Hill. Vielmehr durchlaufe – nach der psychoanalytischen Theorie – jeder Mensch die orale, anale und genitale Phase. Kontrolle über die Ausscheidungen spiele etwa in jeder kindlichen Entwicklung eine Rolle, genauso wie Macht und Unterwerfung Bestandteile jeder partnerschaftlichen Sexualität seien. „Ein Interesse für sadomasochistische Dominanzspiele kann sich also aus jeder sexuellen Entwicklung ergeben“, meint Hill. Je enger allerdings die Präferenz angelegt sei, umso stärker sei der Betreffende in seiner Sexualität eingeschränkt, und desto eher entstehe Leidensdruck.
Das Ende der Perversion
Sexualwissenschaftler und Psychotherapeuten arbeiten weiter daran, endgültig mit dem Begriff der „Perversion“ zu brechen, der von der Norm abweichende Sexualpraktiken als krankhaft stigmatisierte. Dagegen unterscheidet das Diagnosewerk DSM-5 nunmehr differenziert zwischen sexuellem Sadismus und einer sexuell-sadistischen Störung, zwischen Pädophilie und der pädophilen Störung. Zur Störung wird die jeweilige Neigung demnach erst dann, wenn jemand unter seiner Sexualität leidet, in seiner sozialen Funktionsfähigkeit eingeschränkt ist oder durch sein Verhalten sich oder anderen schadet. Ungewöhnliches oder abweichendes Sexualverhalten soll also nicht mehr per se pathologisiert werden. Ein Fetischist sucht heutzutage in aller Regel nicht die Hilfe eines Therapeuten, sondern einen Partner im Internet, der die Vorliebe für seinen Fetisch teilt.
Sowohl das Sexualverhalten als auch der gesellschaftliche Blick darauf unterliegen Trends, Moden und Veränderungen. Was gestern noch als krankhaft galt, ist heute in westlichen Gesellschaften bisweilen Teil eines bunten und breit akzeptierten Spektrums ausgelebter Sexualität. Der Sexualmediziner Volkmar Sigusch bezeichnet diese Auffächerung der Spielarten als „Neosexualitäten“. „Kulturelle Faktoren beeinflussen das Sexualverhalten sehr“, betont auch Briken. Die sexuelle Revolution hat seit den späten 1960er Jahren die Art zu lieben tatsächlich nachhaltig verändert. So sank das Alter beim ersten Geschlechtsverkehr seither deutlich. Innerhalb weniger Jahrzehnte verdoppelte sich der Anteil von Frauen, die Sex-Toys und Dildos ausprobiert haben. Etwa die Hälfte der jüngeren Frauen hat heutzutage mit solchen Spielzeugen experimentiert. Die Bereitschaft, sich sexuell auszuprobieren, nimmt zu.
Der weltweite Bestseller Fifty Shades of Grey der Schriftstellerin E. L. James veranschaulicht, wie medial befeuerte Moden geradezu einen sexuellen Boom auslösen können. „Der Erfolg hat Fesselspiele und Hinternversohlen aus der Schmuddelecke geholt und populär gemacht“, sagt Ahlers. Genüsslich berichteten Medien von der gesteigerten Nachfrage nach Kabelbindern in Baumärkten. „Meist wird durch Anregungen gleichwohl nichts genuin Neues freigesetzt“, erklärt Sexualforscher Briken. „Neue sexuelle Verhaltensweisen bauen vielmehr auf unseren vorhandenen Erfahrungen auf.“
Nachahmer sprechen graduell höchst unterschiedlich auf den Stimulus an, so Briken. Wer in seiner lovemap keine entsprechende Blaupause für Machtspiele oder Schmerz angelegt hat, wird es wohl beim einmaligen Experiment belassen. Andere nutzen Fesselspiele fortan als eine Spielart unter vielen. Wer aber entdeckt, dass ihn zum Beispiel Dominanz im Liebesspiel stark erregt, wird diese Neigung entsprechend ausbauen. „Was unser Sexualverhalten angeht, können wir ein Leben lang dazulernen und unser Repertoire deutlich erweitern“, sagt Briken. Nachdem Fifty Shades of Grey das anrüchige Thema Sadomasochismus in populäre Strandlektüre verwandelt hat, können Neugierige jedenfalls sehr viel unbefangener zu ihrer Neigung stehen.
Häufig ist eine radikale Veränderung des Sexualverhaltens jedoch gar nicht Ausdruck von Experimentierfreude. Vielmehr können Übergangsphasen und kritische Lebensereignisse wie Krankheit oder Verlust des Partners dazu führen, auch das Sexualleben zu ändern. Wenn etwa der Ehemann stirbt und Trauer und Einsamkeit vormalige Gewissheiten erschüttern. „Für die Witwe fällt dann die reale Bindung zum Partner weg. Zugleich ist sie nun frei, nach ihren ureigensten Gefühlen zu leben“, sagt Ahlers. „Das kann dazu führen, dass sie sich nun Frauen zuwendet, zu denen sie sich in ihren Fantasien schon immer hingezogen gefühlt hat.“
Gleiches gilt für die Übergangsphase, wenn die Kinder etwa zum Studium in eine WG ziehen: „Die Kinder sind aus dem Haus, der bürgerliche Lebensentwurf war erfolgreich. Die Notwendigkeit, Normkonformität nach außen zu demonstrieren, nimmt rapide ab. In dem Moment öffnet sich eine Tür, sich der eigenen Neigung entsprechend zu verhalten.“ Die persönliche lovemap macht also offenbar sehr viel mehr möglich, als aktuell ausgelebt wird. „Mit wem und wie wir Sex haben, ist abhängig von unserer Persönlichkeit, der Partnerschaft und äußeren Lebensumständen“, sagt Ahlers. Das erklärt auch, warum inhaftierte Männer bisweilen Sex mit anderen Häftlingen haben, obwohl sie nicht schwul sind.
Pornos sind nur noch einen Klick entfernt
Auf das Sexualverhalten junger Menschen wirkt derzeit nichts so stark ein wie das Internet. Genauer gesagt: die frei zugängliche Internet-Pornografie. Laut einer Studie der Hamburger Sexualwissenschaftler Silja Matthiesen und Arne Dekker haben 92 Prozent der männlichen und immerhin 76 Prozent der weiblichen 16- bis 19-Jährigen schon Pornos gesehen. Allerdings nutzen und bewerten junge Frauen und Männer diese den Autoren zufolge grundlegend verschieden. Zwar kennen und tolerieren die meisten jungen Frauen Pornos, doch sie sind ihnen nicht wichtig. Im Gegenteil stabilisieren sie durch Desinteresse daran ihr weibliches Selbstbild. Junge Männer hingegen nutzen die Filme vor allem als Vorlage zur Selbstbefriedigung. Ihr demonstratives Interesse an Pornografie verstärkt die Ausbildung ihrer männlichen heterosexuellen Identität.
Wie sich diese jederzeit abrufbare pornografische Bilderflut auswirkt, ist noch heftig umstritten. „Wir finden laut Studien unseres Instituts keine Hinweise auf sexuelle Verwahrlosung“, sagt Briken, der das Hamburger Institut für Sexualforschung leitet. „Die meisten Heranwachsenden können zwischen dem, was sie sehen, und dem, was sie machen möchten, gut unterscheiden.“
Diese Einschätzung teilt auch der Psychiater Hill. Allerdings könne Pornokonsum zu Gewöhnungseffekten führen und vorhandene Präferenzen verstärken. Zudem gebe es Risikogruppen, bei denen früher und starker Pornokonsum zu einem sexsüchtigen, eventuell auch gewalttätigen oder übergriffigen Verhalten führen könne: „Viele meiner Patienten zeigen eine Sexsuchtsymptomatik, bei der das Internet die entscheidende Rolle spielt.“ Problematisch werde es, wenn eine hohe persönliche Anfälligkeit auf schier unbegrenzte Reize treffe. Der Psychiater vergleicht die Gefährdung mit der eines Alkoholikers, der jederzeit freien Zugang zu einer reich bestückten Bar hat. Besorgniserregend sei, dass einige Pornokonsumenten zu immer härteren Inhalten bis hin zu Gewaltdarstellungen griffen – sich also mitunter ein Steigerungseffekt beobachten lasse. Dennoch glaubt Hill: „Die allermeisten werden lernen, damit umzugehen, dass Pornos leicht, jederzeit und häufig kostenlos zugänglich sind.“
Dagegen warnt der klinische Sexualpsychologe Ahlers eindringlich davor, voreilig Entwarnung zu geben. Da Pornofilme im Internet erst seit etwa zehn Jahren über DSL und Breitbandverbindungen abrufbar sind, lägen noch keine Langzeitstudien über Auswirkungen auf die sexuelle Entwicklung von Kindern und Jugendlichen vor. Ahlers beurteilt die unbeschränkt zugängliche Internetpornografie als einen der wichtigsten Einflussfaktoren für eine Veränderung des Sexualverhaltens Jugendlicher.
„Niemand vermag abzusehen, welche Auswirkungen explizit pornografische Darstellungen tatsächlich auf die Gehirne von Kindern und Jugendlichen haben werden“, sagt Ahlers. „Ich sage nicht, dass die frei verfügbare Pornografie die Sexualpräferenz von Heranwachsenden determiniert, aber sie prägt mutmaßlich mit problematischen Konzepten deren sexuelle Skripte. Sie werden durch Pornos sozialisiert, bevor sie erste eigene Sexualkontakte hatten.“ In den Beratungsstellen melden sich zunehmend Jugendliche, die mit den erlernten pornografischen Mustern in realen Beziehungen Probleme bekommen.
Da Jugendliche heute üblicherweise ab der Pubertät auf Pornos stoßen, rät Sexualforscher Briken dazu, altersangemessen und kontinuierlich aufzuklären. Wichtig sei, dabei gelassen und rational zu bleiben, ohne Pornos zu tabuisieren oder zu stigmatisieren. Entscheidend für die Entwicklung eines lustvollen, unproblematischen Sexualverhaltens sei für junge Menschen eine dialektische Erfahrung: „Zu lernen, Sex als lustvoll genießen zu können, aber auch die eigenen Grenzen zu erspüren und sie setzen zu können.“ Sichere familiäre Bindungen, in denen Sex weder tabuisiert noch übermäßig thematisiert wird, könnten die Entwicklung einer unproblematischen Sexualität ebenso befördern wie die Abwesenheit von Missbrauchserfahrungen.
Auch wenn die Sexualwissenschaft nicht genau nachvollziehen kann, was die lovemap beinflusst, hält Briken es doch für höchst unwahrscheinlich, dass in einer positiven sozialen Entwicklung destruktive Sexualität entsteht. Eltern und Erzieher können demnach viel zur Fähigkeit von Heranwachsenden beitragen, später genussvoll und sorgenfrei lieben zu können.
Literatur
Christoph Joseph Ahlers, Michael Lissek: Himmel auf Erden und Hölle im Kopf. Was Sexualität für uns bedeutet. Goldmann, München 2015
Peer Briken, Michael Berner (Hg.): Praxisbuch Sexuelle Störungen. Sexuelle Gesundheit, Sexualmedizin und Psychotherapie sexueller Störungen. Thieme, Stuttgart 2013
Andreas Hill, Peer Briken, Wolfgang Berner (Hg.): Lust-voller Schmerz. Sadomasochistische Perspektiven. Psychosozial, Gießen 2008