Sie und ich haben etwas gemeinsam. Jedes Mal, wenn wir unsere Meinungen und unser Wissen mit anderen teilen, geschieht das mit dem Vorsatz, den oder die Betreffenden zu beeinflussen. Vielleicht besteht unser Anliegen darin, Bewusstsein für ein soziales Thema zu schaffen, vielleicht wollen wir Verkaufszahlen erhöhen, die Art und Weise verändern, wie Menschen Kunst oder Politik betrachten, die Ernährung unseres Kindes verbessern, die Wahrnehmung anderer in Bezug auf uns selbst verändern, die Produktivität…
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die Wahrnehmung anderer in Bezug auf uns selbst verändern, die Produktivität unseres Teams steigern; vielleicht wollen wir aber auch nur unseren Partner dazu bringen, weniger zu arbeiten.
Hier aber beginnt das Problem: Wenn wir versuchen, Einfluss zu nehmen, haben wir zuallererst uns selbst im Blick. Wir bauen auf das, was wir einleuchtend finden: unseren geistigen Zustand, unsere Sehnsüchte und Ziele. Uns drängt es, in einem Streitfall oder einer Diskussion Munition zu liefern, die klarmacht, warum wir recht haben und die andere Seite nicht. Wir präsentieren wortgewandt unsere logischen Argumente und untermauern sie mit Fakten, die für uns höchst überzeugend klingen. Aber wie oft schaffen wir es, die Überzeugungen der anderen ins Wanken zu bringen? Fakten und Logik sind keine machtvollen Werkzeuge, wenn es darum geht, an den Meinungen anderer zu rütteln. Fest verwurzelte Ansichten können Veränderungen gegenüber extrem resistent sein – selbst wenn wissenschaftliche Beweise die besagten Überzeugungen widerlegen. Wenn Sie jemanden mit neuen Daten versorgen, wird er alle Belege bereitwillig übernehmen, die seine vorgefasste Meinung bestätigen, Gegenbeweise hingegen kritisch beäugen. Da wir sehr häufig widersprüchlichen Informationen und Meinungen ausgesetzt sind, führt diese Tendenz zu einer Polarisierung, die mit der Zeit immer stärker wird, je mehr Informationen wir erhalten.
Indem man Menschen mit Informationen konfrontiert, die ihrer Meinung widersprechen, kann man sie sogar dazu veranlassen, sich völlig neue Gegenargumente zurechtzulegen, um ihre ursprüngliche Haltung zusätzlich zu bestärken.
Damit stellt sich die Frage, warum uns die Evolution mit einem Gehirn ausgestattet hat, das völlig zutreffende Informationen verwirft, sobald diese nicht mit unserer gegenwärtigen Weltsicht harmonieren. Das sieht nach einer Fehlentwicklung aus und birgt das Potenzial für jede Menge Fehlurteile. Warum also wurde dieser Defekt im Laufe der Evolution des Menschen nicht korrigiert? Könnte es eine vernünftige Erklärung für unsere scheinbare Torheit geben? Möglicherweise sogar einen Nutzen?
Lassen Sie uns folgende Möglichkeit in Betracht ziehen – die Überlegung nämlich, dass es sehr häufig das einzig Richtige ist, Informationen im Lichte dessen zu interpretieren, was wir bereits glauben. Im Großen und Ganzen betrachtet, ist es nämlich so: Wenn Ihnen eine Information unterkommt, die dem, was Sie über die Welt wissen, komplett widerspricht, kann diese Information tatsächlich falsch sein. Wenn beispielsweise jemand behauptet, er habe am Himmel einen gelben Elefanten fliegen oder einen lilafarbenen Fisch zu Fuß an Land spazieren sehen, ist es vernünftig anzunehmen, dass der Betreffende lügt oder spinnt. In vielen Fällen sollten wir in der Tat an dem festhalten, was wir wissen. Die Nebenwirkung des Ganzen ist allerdings, dass bestehenden Ansichten schwer beizukommen ist – auch dann, wenn sie falsch sind. Was also können wir tun, um Überzeugungen zu verändern?
Die Perspektive ändern
Wenn einer tief verwurzelten Überzeugung schwer beizukommen ist, kann das Säen einer neuen die Antwort bringen. Trotz einer Fülle gegenteiliger wissenschaftlicher Belege lehnen es immer noch viele Eltern ab, ihre Kinder impfen zu lassen. Die Folge davon ist, dass Masern erneut auf dem Vormarsch sind. Um dieses Problem zu lösen, kamen Psychologen auf eine neue Idee. Statt zu versuchen, eine fest verwurzelte Überzeugung ins Wanken zu bringen, verlegten sie sich darauf, eine ganz neue in den Köpfen ihrer Probanden zu verankern. Die Entscheidung von Eltern, ihr Kind impfen zu lassen, wird, so sagen sie, von zwei Faktoren bestimmt: den negativen Nebenwirkungen des Impfstoffs und dem Bonus des Impfschutzes. Weigern Eltern sich, ihr Kind impfen zu lassen, liegt ihr Misstrauen in den möglichen Nebenwirkungen begründet. Der Versuch, diese Wahrnehmung zu ändern, erzeugt nur vermehrten Widerstand. Statt die Leute davon überzeugen zu wollen, dass der Impfstoff keine Nebenwirkungen hervorruft, betonten die Psychologen den Eltern gegenüber, dass der Impfstoff die Wahrscheinlichkeit senke, dass sich ihr Kind eine potenziell tödliche Krankheit einfängt. Diese Strategie erwies sich als erfolgreich.
Belohnen statt strafen
Eine der machtvollsten Möglichkeiten, Gedanken effizient zu teilen, führt über das Gefühl. Menschen sind ein bisschen wie Hühner. Wir haben ebenfalls die Tendenz, uns auf Dinge zuzubewegen, die uns Freude verheißen, und weg von solchen, die uns schlechte Erfahrungen bereiten würden, denn das ist meistens gut so. Dieser Hang ist tief in uns verwurzelt. Unsere Gehirne sind so gepolt, dass die Aussicht auf eine Belohnung nicht nur eine Annäherung anstößt, sondern auch jede beliebige andere Handlung wahrscheinlicher macht. Die Angst vor einem Verlust dagegen erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass wir untätig bleiben. Wir sind biologisch so gestrickt, dass uns die Erwartung guter Aussichten zum Handeln treibt.
Wenn Sie möchten, dass jemand rasch reagiert, ist es ein besserer Weg, eine Belohnung zu versprechen als eine Strafe anzudrohen. Ob Sie versuchen, Ihr Team dazu zu bringen, mehr zu arbeiten, oder Ihr Kind dazu, sein Zimmer aufzuräumen – wenn Sie eine positive Erwartung schaffen, vermag das die Betreffenden möglicherweise effizienter zum Handeln zu motivieren als die Androhung einer Gehaltskürzung oder eines Hausarrestes.
Ich denke in diesem Zusammenhang an eine Frau, die lange versucht hatte, ihren Mann dazu zu bringen, ins Fitnessstudio zu gehen. Im Gegensatz zu ihr hatte er nicht viel für Sport übrig. Bei dem Versuch, ihn umzustimmen, wies sie ihn dezent auf seinen wachsenden Bauch hin. Das brachte nichts. Sie warnte ihn vor dem erhöhten Risiko einer Herz-Kreislauf-Erkrankung bei Menschen, die keinen Sport treiben – vergebens. Als ihr Mann dann eines Abends von einem seiner mehr als seltenen Besuche im Fitnessraum nach Hause kam, machte sie ihm ein Kompliment über seine straffen Muskeln. Am nächsten Tag ging er wieder hin – und blieb fortan regelmäßig dabei. Eine minimale Änderung in der Feedbackstrategie hatte das Wunder vollbracht.
Den anderen ermächtigen
Kontrolle und Einfluss sind eng miteinander verflochten. Verändern Sie jemandes Überzeugungen oder Handlungen, üben Sie in gewisser Hinsicht Kontrolle über den Betreffenden aus. Und wenn Menschen ihre eigene Handlungsfähigkeit schwinden sehen, widersetzen sie sich. Wollen wir Einfluss auf eine andere Person ausüben, müssen wir das Bedürfnis des anderen nach Handlungsmacht berücksichtigen.
Ein anschauliches Beispiel für dieses Prinzip sind Steuern. Steuern zu zahlen macht Menschen nicht sehr froh. Stellen Sie sich also vor, Sie sind Regierungsvertreter, und Ihre Aufgabe ist, die Zahl an Steuersündern beträchtlich zu verringern. Zu den herkömmlichen Instrumenten, die Menschen zum Begleichen ihrer Steuerschuld bringen sollen, gehören bereits ein Katalog an steigenden Strafgebühren, mehr Steuerprüfungen und das Werben mit der Wichtigkeit von Steuern für das Land. Das alles mag nützlich sein, aber die Häufigkeit, mit der die Menschen sich dem entziehen, ist noch immer hoch.
Was könnten Sie sonst unternehmen? Würden die Leute eher Steuern zahlen, wenn man ihnen das Gefühl wiedergeben könnte, Macht über ihr Handeln zu haben? Um das herauszufinden haben sich drei Wissenschaftler zu einem Experiment zusammengetan. Sie baten Studenten in ein Labor der Harvard University, um Aufnahmen unterschiedlicher Wohnungseinrichtungen zu bewerten. Als Aufwandsentschädigung für die Zeit bekamen sie zehn Dollar, von denen aber, so wurde ihnen gesagt, drei Dollar als „Laborsteuer“ entrichtet werden mussten. Die Anweisung lautete, die drei Dollar in einen Umschlag zu stecken und dem Versuchsleiter beim Verlassen des Labors zu geben. Die Studenten waren nicht sonderlich begeistert von diesem Vorschlag. Nur die Hälfte hielt sich an die Anweisung, die anderen ließen den Umschlag leer oder gaben weniger als den verlangten Betrag.
Einer anderen Gruppe von Teilnehmern aber wurde gesagt, sie könnten dem Laborleiter Ratschläge geben, wofür ihr Steuergeld verwendet werden solle. Sie konnten beispielsweise vorschlagen, das Geld für Getränke auszugeben oder für Snacks für künftige Teilnehmer. Erstaunlicherweise steigerte sich allein dadurch, dass man den Teilnehmern eine Stimme gab, die Zahl derer, die der Aufforderung nachkamen, von zirka fünfzig auf über siebzig Prozent! Das ist ein dramatischer Anstieg. Stellen Sie sich vor, was ein solcher Anstieg an Steuereinkünften für ein Land bedeuten würde, wenn er sich bei den staatlichen Steuern umsetzen ließe.
Um das Handeln anderer zu beeinflussen, müssen Sie diesen das Gefühl geben, die Kontrolle zu besitzen. Nur so verstärken Sie deren Motivation und Bereitschaft, Ihnen zu folgen. In der erwähnten Studie wurde den Menschen die Kontrolle in Wirklichkeit nicht übertragen, sie wurden nur gebeten, Vorschläge zu machen, wie sie ihre Steuern gern verwendet sähen. Menschen eine Wahl einzuräumen, und sei es auch nur eine hypothetische, reicht hin, ihnen das Gefühl zu geben, Herr der Lage zu sein.
Tali Sharot ist Professorin am Institut für experimentelle Psychologie des University College London. Sie ist Leiterin des dortigen Affective Brain Lab, das untersucht, wie Affekte und Emotionen unsere Wahrnehmungen und unser Verhalten beeinflussen. Dieser Text ist ein Auszug aus ihrem aktuellen Buch Die Meinung der anderen. Wie sie unser Denken und Handeln bestimmt – und wie wir sie beeinflussen (aus dem Englischen von Susanne Kuhlmann-Krieg). Die Redaktion dankt dem Siedler-Verlag für die Abdruckgenehmigung.