„Es ist im Leben sehr selten, dass uns jemand zuhört und wirklich versteht, ohne gleich zu urteilen. Dies ist eine sehr eindringliche Erfahrung“

Es gibt Sätze, die bleiben im Gedächtnis: Für die Psychologin Iris-Tatjana Kolossa ist es ein Satz, der den Wert echten Zuhörens betont.

Eine Frau und ein Mann unterhalten sich und haben dabei Verständnis füreinander und hören zu, ohne dabei zu urteilen
Miteinander sprechen, ohne immer nur von sich zu erzählen: Eine wahrhaft berührende Erfahrung. © Catherine Falls Commercial/Getty Images

Dieser Satz von Carl Rogers begegnete mir zum ersten Mal vor knapp 20 Jahren, als ich als Postdoktorandin an der Universität Konstanz startete und gleichzeitig meine Ausbildung in personzentrierter Gesprächsführung beziehungsweise Gesprächspsychotherapie aufnahm. Menschen mit traumatischen Lebenserfahrungen haben häufig erfahren, dass ihre Grenzen nicht respektiert und sie entwertet oder abgewertet wurden. Gerade für solche Menschen ist die Haltung der personzentrierten Psychotherapie besonders heilsam und…

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Gerade für solche Menschen ist die Haltung der personzentrierten Psychotherapie besonders heilsam und wichtig.

Auch unsere Alltagserfahrungen im Umgang mit anderen Menschen sind häufig davon geprägt, dass wir andere nicht empathisch zu verstehen versuchen, uns gar nicht wirklich auf ihre Aussagen einlassen – dafür aber ein Verhalten, eine Person oder eine bestimmte Eigenart schnell abwerten. Äußert eine Person ein für sie bedeutsames Erlebnis, lautet die Reaktion in der Regel: „So etwas habe ich auch schon erlebt…“, anstatt etwa: „Ich merke, dieses Ereignis hat dich sehr bewegt.“ Und meist fährt das Gegenüber direkt mit seiner eigenen Geschichte fort.

Rogers Satz fordert jedoch das Gegenteil: Eine heilsame Begegnung ist eine Begegnung, in der uns jemand wirklich empathisch zuhört, uns dabei bedingungslos wertschätzend akzeptiert sowie als Person authentisch und echt begegnet. Dies ist eine wahrlich „eindringliche“ Erfahrung, die Veränderung und positive Entwicklung möglich macht.

Iris-Tatjana Kolassa ist Psychologin und psychologische Psychotherapeutin sowie Professorin für klinische und biologische Psychologie an der Universität Ulm. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Stress-, Trauma- und Depressionsforschung mit einem Fokus auf immunmetabolische Faktoren und deren Bedeutung für die Entstehung und Behandlung psychischer Erkrankungen

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute Compact 82: Mein Trauma überwinden