Welchen Faden hat mein Leben?

Meist verläuft das Leben nicht so ideal, wie man es sich ausgemalt hat. Biografiearbeit ermöglicht eine Versöhnung mit dem eigenen Lebensweg.

Auf einmal flossen die Tränen. Betroffen und verblüfft blickten die Seminarteilnehmer auf ein echtes Mannsbild in ihrem Kreis, 1,90 Meter groß, mit breitem Kreuz und stattlichem Bauch, ein Maurerpolier kurz vor dem Ruhestand. Völlig unerwartet für alle hatte er zu weinen begonnen. Saß man nicht nur zusammen, um den Übergang in die Rente zu besprechen und dabei ein wenig Rückschau auf die eigene Biografie zu halten?

Nach einigen Minuten hatte der Mann die Fassung wiedergewonnen, und nun erzählte er seine…

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und nun erzählte er seine Geschichte: wie er einst mit Heinz Hoppe, einem berühmten Kammersänger der Nachkriegsjahrzehnte, im selben Dorf im Münsterland aufgewachsen war. Musikalisch genauso talentiert wie der Nachbarsjunge sei er gewesen, erzählte der Mann, nur eben nicht in ein reiches Elternhaus geboren, das ein Studium am Konservatorium bezahlen konnte. Als Kind einer armen Familie war er also Maurer geworden, nicht Kammersänger. Und dieser Lebensschmerz brach nun heraus.

„Wenn Sie Biografiearbeit machen, ist es schon gut, die Taschentücher in der Nähe zu haben“, sagt Hans Georg Ruhe. Er hat nicht nur viele Jahre mit Gruppen wie jener des Maurerpoliers gearbeitet, sondern auch Bücher zum Thema geschrieben. Darin begründet er, warum diese Art, sich dem eigenen Leben zuzuwenden, heute mehr Bedeutung hat als in früheren Zeiten. „Die Notwendigkeit, ‚eine Biografie zu haben‘ und diese mitzuteilen, ist dann gegeben, wenn das Ich einer Erläuterung und einer Anerkennung bedarf.“ In einer Gesellschaft, die zwar Individualität fordert und favorisiert, die Menschen damit aber allein lässt, sei jeder und jede darauf angewiesen, sich selbst den eigenen Platz zu schaffen. „Biografiearbeit ermöglicht Orte der Orientierung in unüberschaubaren Welten.“

Was will ich von meinem Leben?

In einer Zeit, in der wir uns ständig neu erfinden sollen und Traditionen wenig gelten, werden drei Fragen immer drängender: Wer bin ich, wo komme ich her, und was will ich eigentlich von meinem Leben? Bei der Beantwortung dieser Fragen hilft Biografiearbeit. Sie unterstützt den Erinnernden bei der Festigung seiner Identität, bei der Bilanzierung seines bisherigen Lebens, beim Nachzeichnen seines Weges bis in die aktuelle Situation, um von diesem Standort aus eine Neudefinition des zukünftigen Lebens zu formen. Besonders drängend wird dies an typischen Punkten der Lebenslinie: in Phasen der Krise und Neuorientierung, beim Erkunden von Familiendynamiken und Familiengeschichte sowie im Alter, zur Bilanzierung eines gelebten Lebens. Gibt es noch etwas, das zu erledigen ist? Die Reflexion der Biografie dient dazu, Gegenwart zu verstehen und Zukunft zu gestalten. Das Ziel ist die Stärkung der Persönlichkeit.

Je unübersichtlicher die Welt, umso dringender das Bedürfnis danach. Hans Georg Ruhe: „In früheren Zeiten wurde mir von der Gesellschaft ein Platz zugewiesen, ich musste ihn nicht definieren. Der Knecht war Knecht, der Arbeiter war Arbeiter – und das wurde nie infrage gestellt. Sobald ich aber beginne, daraus auszubrechen, muss ich das begründen. Steht mir zu, was ich will? Das muss ich legitimieren.“

Heute, in unserer Informationsgesellschaft vermitteln die Medien das Bild: Jeder kann alles werden. Die Beispiele dafür sind spektakulär und allgegenwärtig. Die allermeisten Menschen, die auf ihr Leben schauen, beschleicht freilich eher das Gefühl, ihr Potenzial nicht wirklich ausgeschöpft zu haben. Und das kratzt enorm am Selbstwert.

Fahndung nach einer Lebenserzählung

Biografiearbeit öffnet den Weg zur Versöhnung mit dem eigenen Lebensweg, sagt Thomas Schollas, systemischer Therapeut und Vorsitzender des Fachverbandes für Biografiearbeit, kurz FaBia. „Wenn ich merke, dass ich an einem Wendepunkt angekommen bin, hilft es, mir meiner Biografie bewusstzuwerden. Welche Linien erkenne ich, welche Linien sind vielleicht abgerissen – und warum? Was habe ich vernachlässigt? Gibt es da eine Ressource, an die ich anknüpfen kann? Am Ende soll eine Lebenserzählung stehen, die plausibel ist und mich trägt.“

Und vielleicht erlebe ich im Kontakt mit anderen, die ebenfalls den Verlauf des Lebensfadens nachzeichnen, dass sie unter ähnlichen Restriktionen gelitten haben wie ich. Eine Biografie enthält immer eine individuelle und eine gesellschaftlich-historische Dimension, betont die Biografieforscherin Ingrid Miethe: „In der Rückschau auf das eigene Leben geschieht Einbettung in das gesellschaftliche Leben, wächst Verständnis für das Eigene.“

In Gruppen hat Thomas Schollas erlebt, wie gerade diese Perspektive Versöhnung erlaubt – Versöhnung damit, dass ein Leben anders verlaufen ist, als man es sich vorgestellt hat. „In einem Seminar mit Fachberaterinnen von Kindertagesstätten erzählten die Frauen, wie sie heute Mädchen den Wert eines selbstbestimmten Lebens mit wirtschaftlicher Sicherheit vermitteln. Das war ein scharfer Kontrast zu ihrer eigenen Situation: Sie selbst steuerten, da sie lange als Teilzeitkräfte gearbeitet hatten, auf Altersarmut zu. Als ihr das bewusstwurde, brachte es eine Teilnehmerin auf den Punkt: ‚Na ja, die Zeiten waren andere. Ich würde es heute nicht mehr so machen, aber ich kann mich damit aussöhnen.‘“

Seminare, Workshops, Gruppen, Einzelgespräche: Biografiearbeit ist nicht im eigentlichen Sinne eine Methode, sondern ein pädagogischer Ansatz. Blickt die anthroposophische Biografiearbeit mit ihrer weltanschaulichen Begründung auf eine lange Tradition zurück, gibt es erst seit etwa zwanzig Jahren das Bemühen von Wissenschaftlern, die zahlreichen Ansätze der säkularen Biografiearbeit zu systematisieren. Die Formate, in denen sie daherkommen kann, sind höchst unterschiedlich. Wer sich auf www.lebensmutig.de, der Internetseite der gleichnamigen „Gesellschaft für Biografiearbeit“, umschaut, findet eine Fülle höchst unterschiedlicher Angebote. Im professionellen Kontext ist sie relevant in der Jugendhilfe, vor allem in der Arbeit mit Adoptiv- und Pflegekindern (siehe Seite 62), in der Sozialarbeit, der Erwachsenenbildung und der Arbeit mit alten Menschen, aber auch mit Geflüchteten, deren Biografie besonders starke Brüche aufweist.

In der Gruppe findet man Zuhörer

Willkommen ist so ziemlich jedes Medium, das über Assoziationen Erinnerungen weckt: Fotos, Poesiealben, Lieder, Kochbücher, Filme, Ausstellungen, Orte der Erinnerung. Das Spektrum reicht vom „Erzählcafé“, bei dem zum Beispiel ältere Menschen von Jugendlichen zu ihren Erlebnissen befragt werden, über Wochenendworkshops bis zu Gleichgesinnten, die sich über einen längeren Zeitraum treffen und in der Zwischenzeit ihre Erinnerungen aufschreiben, um sie den anderen vorzulesen. Der bevorzugte Rahmen dafür ist die Gruppe. Individuelles lässt sich besser in den Kontext der Gemeinschaft einbetten, und die Assoziationen sind zahlreicher: „Jetzt, wo du das sagst …“

Zudem gibt es andere, die zuhören, und das Bedürfnis, sich ihnen mitzuteilen, ist groß, hat Hans Georg Ruhe beobachtet: „Es gibt in unserer Gesellschaft wenig Orte, an denen Menschen zugehört wird, wo sie mit ihren Geschichten landen können. Und viele glauben von sich, dass sie ohnehin nichts Interessantes zu erzählen haben. Zum Beispiel eine Raumpflegerin, die davon überzeugt war: ‚Ich habe überhaupt nichts erlebt.‘ Und dann stellte sie während des Seminars fest, dass die Leute ihren Geschichten gerne zuhörten. Das habe ich immer wieder erlebt – und wie heilsam es wirkt, wenn Menschen diese Erfahrung machen.“

Es geht nicht um Fakten, sondern um Verstehen

Faszinierend sei auch, wenn Teilnehmer mit einer scheinbar spektakulären Biografie auf andere treffen, deren Leben in einfachen Bahnen verlaufen ist. „Beide finden trotzdem eine Ebene, auf der sie sich Geschichten erzählen. Und dann treten die besonderen Erlebnisse hinter dem zurück, was man mit Vater, Mutter, Kind, Nachbarn oder im Krieg erlebt hat“, berichtet Hans Georg Ruhe. „Das macht allen deulich: Wir leben das Leben zunächst mal in uns. Jeder muss ein bestimmtes Leiden mit sich herumtragen, kann bestimmte Freuden erleben, und das hängt nicht unbedingt von der Karriere ab. Man entdeckt das Spektakuläre im Unspektakulären. Das stiftet Identität.“

Dabei geht es nicht um den präzisen Umgang mit den eigenen Lebensdaten, wie Ingrid Miethe schreibt: „Wenn ein Mensch uns eine Situation erzählt, von der wir zu wissen meinen, dass sie nicht stimmen könne, so ist es in der Biografiearbeit kontraproduktiv, den andern auf Widersprüche hinzuweisen. Die zentrale Frage, die uns als Anleiter beschäftigt, ist vielmehr die danach, wozu ein Mensch … diese Geschichte für sich braucht. Es geht bei Biografiearbeit nie um den Realitätsgehalt von Fakten, sondern um das Verstehen des ‚Eigen-Sinns‘ biografischer Erzählungen.“ Denn im Unterschied zu einem Lebenslauf werden mit dem Begriff Biografie nicht nur Daten und ihre zeitliche Abfolge erfasst, sondern vor allem die Bedeutungen, die Menschen ihnen geben. Oder, wie Max Frisch es in einem berühmten Ausspruch zuspitzte: „Irgendwann erfindet jeder die Geschichte, die er für sein Leben hält.“

Märchen als Projektionsflächen

Der Zugang zu den Bedeutungen öffnet sich viel leichter über Assoziationen als über konkrete Fragen. Diese Erfahrung hat Elisabeth Christa Markert häufig gemacht, auch sie im Vorstand des FaBia. Markert nutzt seit vielen Jahren Märchen als Bezugsrahmen für Biografiearbeit und erlebt in Rollenspielen verblüffende Situationen. „Als wir in einer Gruppe Hänsel und Gretel inszenierten, in der die Geschwister ja von ihren armen Eltern ausgesetzt werden und schließlich halb verhungert über das Hexenhaus aus Brot und Kuchen herfallen, hielt auf einmal eine Frau schockiert inne“, erzählt sie. „Sie fand sich in dieser Gier der Kinder wieder und erkannte, dass auch sie sich von ihren Eltern ausgesetzt und nicht genährt fühlte. Darin sah sie den Ursprung ihrer Essstörung. Solche Momente gibt es in meinen Gruppen immer wieder.“

Markerts Erklärung: „Märchen sind gleichsam die Innenseite von Biografien, sie kehren das Unbewusste ins Außen. In ihnen ist alles vorhanden, was eine Biografie ausmacht – und eben auch die Ressource, scheinbar ausweglose Situationen zu überwinden. Mit diesen Bildern können wir uns dann verbinden.“ Die Bremer Stadtmusikanten als Ermutigung für die Zeit nach der Pensionierung, Rapunzel, um verborgene Talente wachzurufen, Allerleirauh, um sich dem Thema sexualisierter Gewalt zu nähern: Die Geschichten bieten einen schützenden Rahmen für die Reflexion. Und fast immer ein Happy End.

Wenn ein Trauma berührt wird

Was allerdings auch deutlich wird: die Nähe zu traumatischen Erlebnissen. Biografiearbeit in Deutschland berührt praktisch immer Themen wie Krieg, Verfolgung, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Flucht und Vertreibung und die persönliche Verstrickung darin. Diese Aktualität wurde nicht zuletzt auf der Tagung „Biografische Erbschaften“ deutlich, die die Universität Siegen im vergangenen September in Kooperation mit FaBia veranstaltete. Der Untertitel „transgenerationale Perspektiven in der Biografiearbeit“ legte den Fokus unmittelbar auf die Spätfolgen von Krieg und Nationalsozialismus.

Deutschland sei eine „posttraumatische Gesellschaft“, sagte die Düsseldorfer Psychoanalytikerin Elke Horn, und die Zahlen dazu lieferte Andreas Maercker, Professor für Psychotraumatologie an der Universität Zürich: Mehr als die Hälfte aller Deutschen über 66 Jahre leiden unter einem Trauma, zumeist kriegsbedingt, bei den über 75-Jährigen sind es sogar mehr als zwei Drittel. Bei ihnen, so referierte Maercker, zeige der therapeutische Lebensrückblick viele positive Wirkungen. „Wir stellen für jede Lebensphase drei Fragen: nach einem positiven Lebensereignis, nach einem negativen und nach einem Erlebnis, in dem ein Problem gut bewältigt werden konnte.“ Im Ergebnis der Therapie besserten sich schon im Verlauf von drei Monaten Depressionen, Selbstwert, Wohlbefinden sowie der Erinnerungs- und Erzählstil.

Bemerkenswert: Das gelingt sogar online. Maercker zitierte eine Patientin: „Mir ist in der Therapie aufgefallen, dass es mir extrem gutgetan hat, die verschiedenen Stationen meines Lebens zu beschreiben, und ganz wichtig dabei war, von den Menschen zu erzählen, mit denen ich herzlich verbunden bin. Das ist in meinem Leben eine Schatztruhe, zu der ich mich immer dann wieder begeben kann, wenn ich meine, alles sei damals kaputtgegangen. Diese Übungen haben mir deutlich gemacht, dass die Freundschaften die wichtigste Sache auf der Welt sind.“

Vorsicht: Hier wird es kritisch

Biografiearbeit als Therapie? Im passenden Rahmen kann sie eine äußerst wirksame Methode sein. Im Kontext von Seminaren, Workshops oder Gruppenarbeit sehen die Fachleute dagegen Gefahren. Hier sei die Abgrenzung zur Therapie besonders wichtig, wie Hans Georg Ruhe betont. „Man muss wissen, wie weit man gehen darf. Wir haben Situationen erlebt, in denen deutlich wurde: Hier wird es kritisch. Die Gefahr, dass Leute zu stark von ihren Erinnerungen überspült werden, besteht. Dann muss ich als Anleiter auf die Bremse gehen.“ Deswegen findet Ruhe sogenannte Familienaufstellungen– eine Methode, mit der traumatische Erlebnisse im Familiensystem, Verstrickungen der Angehörigen oder Familiengeheimnisse aufgedeckt werden sollen – im Rahmen von Biografiearbeit unangemessen. „Ich will das nicht dramatisieren, aber ein bisschen scheint es mir ein Spiel mit dem Feuer.“

Die Gefahr, dass im Kontext einer scheinbar harmlosen Beschäftigung mit dem Lebensweg Grenzen überschritten, Teilnehmer womöglich sogar retraumatisiert werden, war einer der Gründe, FaBia zu gründen, berichtet Thomas Schollas: „Wir wollen Kriterien für eine Ausbildung in Biografiearbeit durchsetzen, die Anleiter in die Lage versetzt, solche kritischen Situationen zu bewältigen. Wie merke ich, dass jemand in seine Traumaerinnerung abgleitet, und wie stoppe ich das? Das erwarte ich von einem Curriculum. Man braucht Respekt, Neugier, Mitgefühl – aber auch Bescheidenheit vor dem, was wir leisten können. Biografiearbeit kann Hilfe bei der Persönlichkeitsentwicklung sein, aber nicht Therapie ersetzen.“

Heilsam kann sie dennoch wirken. Das erlebte der Maurerpolier, der in einer anderen Zeit Kammersänger geworden wäre. Er sang am Abend mit großer Geste für die Teilnehmer der Gruppe. Alle waren berührt. Und er konnte mit einem anderen Gefühl zu seinem Leben wieder nach Hause fahren. PH

Warum musste ich fort?

Biografiearbeit mit Adoptiv- und Pflegekindern

Für die seelische Reifung von Kindern, für das Gefühl, ein kompletter und wertvoller Mensch zu sein, ist das Bewusstsein für die eigene Biografie von entscheidender Bedeutung. Werden Kinder zur Adoption freigegeben, gar von Sozialarbeitern aus ihren Herkunftsfamilien geholt und in Pflege gegeben, hilft Biografiearbeit ihnen bei der Rekonstruktion ihrer Vergangenheit – und das nicht erst, wenn sie selbst auf Brüche in ihrem Lebenslauf stoßen oder Zweifel an ihrer Herkunft bekommen.

Vorbildlich gilt die Praxis in Großbritannien. Dort bekommt jedes Pflege- oder Adoptivkind bereits von der zuständigen Behörde ein life story book mit auf den Lebensweg. Warum musste es seine Herkunftsfamilie verlassen? Kindgerecht, oftmals bebildert und in klarer Sprache ist das beschrieben. Das Kind bekommt eine Antwort auf die zentrale Frage „Weshalb musste ich fort?“, bevor es sie selbst stellen muss und in belastende Grübeleien über eigene Unzulänglichkeiten oder verhängnisvolle Erbschaften der leiblichen Eltern verfällt.

Suche nach der Herkunft

Denn fast alle „fremdplatzierten Kinder“, wie sie in der Behördensprache heißen, definieren sich bewusst oder unbewusst als Teil ihrer Herkunft – so sicher ihre Bindung an die neue Familie auch sein mag. Und dieses Bedürfnis hört nie auf, wie Klaus Wolf von der Forschungsgruppe Pflegekinder der Universität Siegen auf der Tagung „Biografische Erbschaften“ eindrucksvoll belegte, es taucht in verschiedenen Phasen des Lebens immer wieder auf. Die Identität will fortwährend neu gefestigt werden.

In der Biografiearbeit mit den Kindern ist der Prozess – das Erarbeiten, Zusammentragen und Besprechen zentraler Ereignisse – ebenso wichtig wie das Ergebnis, das immer wieder zur Hand genommen werden kann: ein Lebensbuch oder Heft mit Urkunden und Fotos, selbst gemalten Bildern, dazu vielleicht eine Chronik oder ein Genogramm, bei Kindern aus dem Ausland eine Landkarte.

Entscheidend für eine positive Kindesentwicklung: nicht warten, ob das Kind nach seiner Vergangenheit fragt, sondern als Erwachsene selbst das Thema ansprechen. Pflege- und Adoptivkinder haben oft große Hemmungen, sich mit diesen schmerzlichen und kränkenden Ereignissen zu beschäftigen. Daran führt aber letztlich kein Weg vorbei. 

Literatur

Hilarion G. Petzold u. a.: Wenn Sprache heilt. Handbuch für Poesie- und Bibliotherapie, Biographiearbeit und Kreatives Schreiben. Festschrift für Ilse Orth. Aisthesis Verlag, Bielefeld 2018

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 2/2018: Die Stärke der Stillen