Amerikaner und Engländer haben in ihrer Umgangssprache manchmal treffsichere bildhafte Ausdrücke. Debbie Downer zum Beispiel steht für Personen, die anderen die Energie abzapfen und allen schlechte Laune machen. Oder Mr. Nice Guy: ein Typ, der stets nett rüberkommt und selten aneckt ein fragwürdiges Kompliment.
Hinter solchen Spottnamen steckt eine zutreffende Beobachtung: Menschen sind emotional ansteckend. Wir alle beeinflussen wechselseitig unsere Stimmung und unser Befinden, und manche Personen haben…
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ein besonderes Talent dafür. Wahrscheinlich kennen Sie das aus eigener Anschauung und stoßen etwa an Ihrem Arbeitsplatz auf Menschen, die mit ihrer Art und Ausstrahlung andere eher aufbauen oder herunterziehen.
Psychologen bezeichnen dies als „affektive Präsenz“ (affective presence). Affektive Präsenz, so ein Definitionsversuch von Hector Madrid von der Pontificia Universidad Católica de Chile, ist das „Grundgefühl, das ein Mensch in anderen auslöst – unabhängig davon, wie sich dieser Mensch selbst gerade fühlt“. Diese Eigenschaft wäre dann also eine Art unverwechselbare emotionale Signatur einer Person, gespiegelt in den Empfindungen der Menschen, mit denen sie in Kontakt tritt.
Individuelle Grundstimmung
Madrid vermutet, dass affektive Präsenz „eine Art Persönlichkeitsmerkmal“ sei. Allerdings keines wie die Big Five, die fünf großen Persönlichkeitsdimensionen, die das Innenleben und Verhalten einer Person klassifizieren, nämlich wie neurotisch, extravertiert, verträglich, gewissenhaft und offen für Neues sie ist. Anders als diese basalen Wesenszüge beschreibe affective presence nicht primär die Person selbst, sondern ihre „Interaktion mit anderen Menschen, die soziale Beziehung“, so Madrid.
Begonnen hat die Erforschung der affektiven Präsenz vor etwa zehn Jahren. Bis dahin hatten Psychologen sich auf ein Phänomen fokussiert, das sie trait affect nennen. Gemeint ist die Stimmung, die Gemütslage, in der sich ein bestimmter Mensch die meiste Zeit über befindet – und auf welche Weise er diesen emotionalen Zustand reguliert. Wir alle durchlaufen im Laufe eines Tages bisweilen eine ganze Palette von Emotionen, von wütend oder enttäuscht bis zufrieden oder glücklich. Jeder hat Stimmungsschwankungen. Aber für gewöhnlich kehren wir immer wieder zu unserem individuellen emotionalen Normalpegel zurück. Einige Leute zum Beispiel sind in ihrer Grundstimmung entspannter als andere, egal was sie gerade an Ärgerlichem oder Aufmunterndem erleben. Andere hingegen fühlen sich im Normalzustand ängstlicher als die meisten.
So weit die individuelle Seite. Doch die Sache ist deshalb komplizierter, weil Menschen nun mal in ständigem emotionalem Austausch leben. Die Grundstimmung eines Menschen wird also auch von der Stimmung jener Personen beeinflusst, mit denen er in Kontakt steht. Diesen Prozess nennen Psychologen „emotionale Ansteckung“. Emotionen, Gefühle, Stimmungen bergen eine Art „Energie“, ein psychisch-körperliches Erregungspotenzial (arousal). Und diese Energie ist ansteckend. Ständig infizieren wir unsere Mitmenschen mit unserer augenblicklichen Stimmung. Habe ich mich im Büro gerade tierisch über einen Kunden geärgert, kann mein momentaner Ärger sofort auf die Kollegen abfärben: Ich „verbreite schlechte Stimmung“, wie man so treffend sagt.
Wie eine Spinne im emotionalen Netz
Diese Art von emotionaler Ansteckung ist so schwankend, wie die Gefühle selbst es sind: Mal infiziere ich andere mit guter, mal mit schlechter Laune. Doch – und das ist das Neue an der Idee von der affektiven Präsenz – es gibt wohl auch eine Gefühlsübertragung, die dauerhafter ist als dieses emotionale Hin und Her: Es liegt womöglich im Wesen mancher Menschen, in ihrer Persönlichkeit, dass sie andere grundsätzlich eher heiter oder trübe stimmen, und zwar überdauernd und ziemlich unabhängig davon, wie sie selbst gerade empfinden.
Die Psychologen Noah Eisenkraft von der University of North Carolina und Hillary Elfenbein von der Washington University wollten wissen: Beeinflussen manche Menschen einigermaßen vorhersehbar und konstant die Stimmung ihrer Artgenossen? Sie untersuchten das in einer lebensnahen Feldstudie. 239 ihrer Studierenden verschiedener Nationalitäten wurden in 18 Kleingruppen eingeteilt, die jede für sich verschiedene Projektaufgaben lösen sollten. Die Teammitglieder unternahmen auch privat Dinge miteinander.
Nachdem die jungen Leute einen Monat lang viel Zeit zusammen verbracht hatten, wurden sie gefragt: Hast du dich in Anwesenheit dieses oder jenes Gruppenmitglieds überwiegend verärgert gefühlt oder gelangweilt? Warst du ruhig, enthusiastisch, glücklich, entspannt, traurig oder gestresst, wenn du mit dieser Person zu tun hattest? Elfenbein und Eisenkraft analysierten auch die Netzwerke innerhalb der Gruppen, um zu sehen, welche der Probanden zu „emotionalen Zentren“ ihrer Teams avancierten. So ermittelten die beiden Forscher systematisch, wer wie auf wen emotional gewirkt hatte. Hatten die meisten der Probanden die Außenwirkung einer Person konsistent etwa als stressig, langweilig oder entspannt wahrgenommen, attestierten die Forscher diesem Studienteilnehmer eine starke konsistente affektive Präsenz.
Andere herunterziehen, obwohl man selbst gut drauf ist
Offenbar, so das Ergebnis, strahlen einige Leute tatsächlich eine so starke affektive Präsenz aus, dass sich ihr fast keiner zu entziehen vermag. Die individuelle Präsenz eines Menschen kann demnach bestimmte Emotionen und Zustände der anderen vergleichbar intensiv beeinflussen wie deren eigene Persönlichkeit: Meine Stimmung hängt dann ebenso stark von der Persönlichkeit eines solchen Beeinflussers ab wie von meiner eigenen Persönlichkeit.
Das wirklich Verblüffende ist aber: Die „emotionale Außenwirkung“ affektiv präsenter Menschen scheint unabhängig von deren eigener Stimmung zu sein, wie Eisenkraft und Elfenbein feststellten. Diese Leute können also einen sehr schlechten Tag haben – und trotzdem noch die Mitmenschen erfreuen. Die affektive Präsenz unterscheidet sich damit von der emotionalen Ansteckung. Nicht minder überraschend: Eine für sich glückliche und zufriedene Person kann eine perfekte Debbie Downer sein: Sie zieht andere herunter, obwohl sie selbst gut drauf ist.
Nach den Erkenntnissen der Studie ist die negative affektive Präsenz eines Menschen weitgehend unabhängig von dessen sonstigen Persönlichkeitsmerkmalen. Bis auf eine Ausnahme: Wer sich im Persönlichkeitstest als wenig verträglich und zugleich extravertiert erwies, strahlte durchweg eine stark negative affektive Präsenz auf die anderen aus: Die grobe, wenig einfühlsame Art eines unverträglichen Menschen, der zusätzlich noch eine große Portion extravertierter Dominanz mitbringt, scheint dem Gefühlsleben seiner Mitwelt wenig bekömmlich zu sein.
Chefs, die das Klima vergiften
Kann man auf diese Weise womöglich Beschäftigte und Vorgesetzte ermitteln, die mit ihrer negativen affektiven Präsenz Gift für das Firmenklima sein könnten? Dafür ist die Forschung noch zu jung. Doch erste Untersuchungen lassen tatsächlich vermuten, dass ein Chef mit seiner affektiven Präsenz in seinem Team einiges zum Guten und zum Schlechten beeinflussen kann. Madrid und seine britischen Kollegen Peter Totterdell und Karen Niven überprüften den Effekt von Führungspersönlichkeiten auf ihre Mitarbeiter und deren Kreativität und Innovation. Führungspersonen hatten die Forscher gewählt, weil sie generell durch ihre Machtposition maßgeblich den Affekt und das Potenzial ihrer Leute beeinflussen.
In vielen Teams hilft Kreativität wesentlich, die Firma und deren Produkte oder Dienstleistungen weiterzuentwickeln und komplexe Probleme im Joballtag zu meistern. Dafür braucht es zweierlei: zum einen neue Ideen und zum anderen die Kommunikation dieser zündenden Einfälle. „Daran hapert es nicht selten“ sagt Organisationspsychologe Madrid, „und das bremst die Effektivität von Teams, weil die Mitarbeiter lieber schweigen, als ihre Ideen zu verbreiten.“
Könnte es sein, dass gerade die affektive Präsenz der Chefs dazu beiträgt, dass die Untergebenen verstummen? Und sind effektive Führungspersonen per se Menschen mit hochpositiver affektiver Präsenz und holen so das Beste aus ihren Leuten heraus?
Für eine erste Studie heuerten die Forscher 84 Probanden aus einer Unternehmensberatung an. Die Psychologen ermittelten, welches vorherrschende Gefühl die Führungskräfte bei ihren Mitarbeitern auslösten, wie oft diese Ideen hatten und dann einbrachten – oder lieber nicht. Die affektive Präsenz der Vorgesetzten wurde ermittelt, und zusätzlich sollten diese ihre Stimmungslage in den vergangenen vier Wochen selbst einschätzen.
Positive affektive Präsenz des Chefs erhöht die Innovation
Kernergebnis: „Wer als Führungspersönlichkeit eine hohe positive affektive Präsenz hat“, so Madrid, „schafft ein offenes, angstbefreites und freundliches Umfeld für die Vermittlung und Umsetzung neuer Ideen“. Dieses Klima könne sich fruchtbar auf die Kreativität auswirken. Denn wenn die oder der Vorgesetzte den Mitarbeitern im Wortsinn ein „gutes Gefühl“ gibt, fördert das bei diesen mit den Worten Madrids „Verhaltenstendenzen, die mit Belohnungswünschen verbunden sind“. Sprich: Sie sind motiviert, Neues einzubringen, und zuversichtlich, dass sie dafür geschätzt werden. Dazu kommt: Die gute Stimmung der Mitarbeiter reduziert Vermeidungsverhalten: Statt übervorsichtig ihre Worte zu wägen, posaunen sie einfach heraus, was sie sich denken. In Teams, die von Führungskräften mit negativer affektiver Präsenz geleitetet werden, verhält es sich genau umgekehrt: Die verunsicherten Teammitglieder halten mit ihren Ideen hinterm Berg.
In einer zweiten Studie mit 350 Teilnehmern aus öffentlichen Organisationen und 730 Probanden aus einem Privatunternehmen stellte sich heraus, dass eine hohe positive affektive Präsenz der Führungskräfte die Innovation in den Teams erhöht. Vielleicht sei diese Eigenschaft sogar wichtiger als andere Qualitäten von Chefs, spekuliert Hector Madrid. Chinesische Psychologen sind dem Phänomen ebenfalls nachgegangen. Sie haben dabei im Gaststättengewerbe bestätigt, dass eine hohe positive affektive Präsenz von Führungskräften die Serviceleistungen der Mitarbeiter erhöht. Offenbar beflügelt ein Chef mit freundlicher affektiver Ausstrahlung nicht nur das Gefühlsleben, sondern auch das Handeln der Mitarbeiter.
Auf der anderen Seite hemmt nach Madrids Erkenntnissen negative affektive Präsenz die Innovationsfähigkeit nicht so stark, wie man erwarten könnte. Wahrscheinlich wird deren schädlicher Einfluss durch andere Faktoren wie soziale Unterstützung im Team gedämpft. Überhaupt müsse negative affektive Präsenz unter Führungspersönlichkeiten generell nicht zwingend nachteilig sein, meint der Organisationspsychologe aus Chile. Man denke nur an den von Natur aus grantigen Fußballtrainer, der seine mies spielende Mannschaft in der Halbzeitpause lautstark wachrüttelt – manchmal scheint das zu motivieren.
Affektive Erfolge beim Dating
Besser fährt man allerdings wohl meist mit einer positiven Gefühlsausstrahlung – zum Beispiel bei romantischen Begegnungen. Das zeigte sich bei einer Studie des Psychologen Raúl Berríos. Dafür warben er und seine Kollegen an der Universität von Santiago de Chile 40 Studierende für ein „Speeddating“ im Labor an. Die Probanden absolvierten im Dienst der Forschung paarweise 134 Vierminutendates. Zuvor hatten die Versuchsleiter ihre emotionale Intelligenz und ihre Big-Five-Persönlichkeitsmerkmale ermittelt.
Wie sich zeigte, vermittelten vor allem verträgliche, also freundliche und zuvorkommende Typen ihren potenziellen Partnern eine gute Stimmung. Doch auch extravertierte Teilnehmer waren – anders als in der Studie von Eisenkraft und Elfenbein – mit ihrer aufgeweckten Art im positiven Sinn emotional ansteckend; Extravertierte scheinen andere also sowohl im Guten wie im Schlechten emotional überdurchschnittlich stark zu beeinflussen.Nach jeder einzelnen Begegnung wurden die Probanden gefragt, welche Grundstimmung der jeweilige Datingpartner ausgelöst hatte. Zur Auswahl standen: glücklich, traurig, wütend, enthusiatisch, gelangweilt, stressig, beruhigt und entspannt.
Ferner stellte sich heraus, dass bestimmte Personen bei den Teilnehmern immer gleich rüberkamen, ganz im Sinne der affektiven Präsenz. Am häufigsten waren das solche, die die anderen entweder mit ihrer Langeweile oder mit ihrem Enthusiasmus ansteckten. Für Berríos ergibt das bei der Partnerwerbung „komplett Sinn“, weil beim Daten der erste Eindruck oft eindeutig ausfällt: „Achtung Langweiler“ oder „Könnte interessant werden“. Und natürlich: Leute mit hoher positiver affektiver Präsenz waren als Partner für romantische Beziehungen am beliebstesten. „Die meisten Probanden wollten diese Teilnehmer wiedersehen, weil sie in ihren Augen so nett erschienen“, sagt Berríos, „ein Riesenvorteil beim Daten.“
Leider nicht mehr ansteckend
Wie sich die affektive Präsenz ausdrückt und den Mitmenschen vermittelt, bleibt einstweilen ungeklärt. Die Psychologen vermuten die üblichen Verdächtigen: Körpersprache, Mimik, Stimme sowie die Gabe, anderen zuhören zu können. Vor allem aber scheint sie mit der Fähigkeit zu tun zu haben, die eigenen Gefühle gut oder schlecht kontrollieren zu können. „Wer eigene negative Stimmungen im Griff hat und glattbügelt“, sagt Raúl Berríos, „kann mit hoher affektiver Präsenz selbst in stressigen Situationen bei anderen gute Stimmung begünstigen“. Man muss dazu nicht unbedingt gut drauf, wohl aber in der Lage sein, seine schlechte Laune zu beherrschen.
Ob die affektive Präsenz ein echtes, also überdauerndes Persönlichkeitsmerkmal ist, das, sagt Berríos, sei bisher „nur eine wunderbare Theorie, die noch nicht bewiesen ist“. In einer kleinen, noch nicht veröffentlichten Studie wurden 30 Angestellte einer Firma täglich gefragt, wie ihr Chef emotional auf sie wirke. „Und leider“, erklärt Berríos, „verschwand der Effekt der affective presence über die Zeit.“
Soziales Werkzeug oder Charaktermerkmal?
Wenn sich das bestätigt, könnte das bedeuten, dass affektive Präsenz vielleicht eher ein soziales Werkzeug als ein Charaktermerkmal ist. Vielleicht, so spekuliert Berríos, nutzen manche Menschen diese Fertigkeit, um kalkuliert ihre Ziele zu erreichen – um das für sie Maximale aus sozialen Beziehungen herauszuholen. In diesem Sinne kontrollieren Menschen mit hoher positiver affektiver Präsenz bewusst, gekonnt und offenbar überzeugend ihre negativen Emotionen – und eruieren geschickt die Gefühlslage der anderen. In der Speeddatingstudie zum Beispiel hatten jene Probanden die höchste Präsenz, die die emotionalen Erfahrungen anderer Menschen am besten begriffen und sich generell für Gefühle interessierten. „Die ahnen sehr gut, was in den anderen vorgeht, wenn sie mit ihnen interagieren“, sagt Berríos, „und könnten das auch nutzen“.
Insofern bezweifelt er, dass die Mr. Nice Guys dieser Welt stets von einem grundguten emotionalen Kern getrieben sind: „Wir sollten auch dunklere Motive in Betracht ziehen, wenn jemand notorisch gute Stimmung verbreitet.“ Narzissten, Psychopathen oder Blender, sagt der Psychologe, „können zuweilen sehr charmant wirken und ihre womöglich hohe affektive Präsenz nutzen, um andere zu manipulieren“.
Emotionale Ansteckung
Was ist das?
Der Begriff „emotionale Ansteckung“ bezeichnet die Fähigkeit, bewusst oder unbewusst die Gefühle der anderen mit den eigenen (wechselnden) Stimmungen zu beeinflussen – und sich beeinflussen zu lassen. Unser Gehirn liest Emotionen bei anderen automatisch – auch unter Mithilfe der sogenannten Spiegelneuronen.
Warum ist dieser Prozess wichtig?
Als soziale Wesen synchronisieren wir über ihn unsere Emotionen – von Kindheit an. Schreit ein Baby, fühlt es sich (meist) unwohl, was sich sofort auf die Erwachsenen überträgt und sie motiviert zu helfen. Emotionale Ansteckung ist gebunden an die Fähigkeit zur Empathie und an emotionale Intelligenz, die uns ermöglicht, die wahrgenommenen Stimmungen und Gefühle der anderen einzuordnen.
Welche Emotionen sind besonders ansteckend?
Die negativen Emotionen nehmen wir stärker wahr als die positiven Emotionen. Je negativer die Emotion, umso höher die übertragene Energie und desto größer die Reaktion darauf: Ein Mensch in Rage beispielsweise lässt nahezu keinen kalt.
Welche Arten gibt es?
Die implizite emotionale Ansteckung läuft automatisch und unbewusst ab. Zum Beispiel gehen auf diese Weise Gesichtsausdrücke der Traurigkeit oder Freude von einem auf den anderen über – oder emotionale Signale der Körpersprache. Man kann jedoch die emotionale Ansteckung genauso mehr oder weniger beabsichtigt einsetzen. In Beziehungen zum Beispiel können wechselnde Stimmungen ein Mittel sein, um den Partner zu manipulieren. Genauso wie dies gelten auch schauspielerische Fähigkeiten als Form expliziter emotionaler Ansteckung.
Runtergeschluckter Frust
Viele Menschen müssen auch dann freundlich wirken, wenn sie sich eigentlich ganz anders fühlen: schlecht gelaunt oder bedrückt oder verärgert. Verkäuferinnen zum Beispiel oder Servicekräfte in der Gastronomie. Im schlimmsten Fall den ganzen Tag lang. Wer so handeln muss, kontrolliert gezwungenermaßen seine Emotionen, um andere bei Laune zu halten. Das stresst. Menschen mit solchen Jobs greifen nach Feierabend öfter zur Flasche, wie Alicia Grandey von der Pennsylvania State University und ihre Kolleginnen in einer Studie nachgewiesen haben.
Per Telefoninterview wurden fast 1600 Angestellte befragt: Wie viel Kundenkontakt haben Sie? Wie oft müssen Sie Emotionen vortäuschen? Wie eigenverantwortlich können Sie arbeiten? Resultat: Wer oft direkt mit Kunden umgehen musste und dabei häufiger Ärger und Frust runterschluckte, kompensierte das mit Alkohol nach Feierabend.
Den stärksten Alkoholkonsum registrierten die Psychologinnen bei impulsiven Mitarbeitern und solchen, die – wie etwa Callcenter-Agenten oder Kaffeeverkäufer – schnelle, kurzlebige Kundenkontakte erlebten. Die Unterdrückung der eigenen negativen Emotionen senkt nach Ansicht der Wissenschaftler wahrscheinlich die Selbstkontrolle. Geringe Entlohnung kann den Effekt offenbar verstärken.
Angestellte in der Pflegebranche oder Lehrer griffen dagegen nicht so oft zur Flasche – vermutlich, weil sie für ihre wohl auch nicht immer nur authentische positive Ausstrahlung mehr zurückerhalten.
Raúl Berríos u.a.: Why do you make us feel good? Correlates and interpersonal consequences of affective presence in speed-dating. European Journal of Personality. 29/1, 2015, 7282
Noah Eisenkraft, Hillary Elfenbein: The way you make me feel: Evidence for individual differences in affective presence. Psychological Science. 21, 2010, 505510
Alicia Grandey u.a.: When are fakers also drinkers? A self-control view of emotional labor and alcohol consumption among U.S. service workers. Journal of Occupational Health Psychology. 2019. Doi: 10.1037/ocp0000147
Hector Madrid u.a.: Leader affective presence and innovation in teams. Journal of Applied Psychology, 101/5, 2016, 673686
Hector Madrid u.a.: Does leader-affective presence influence communication of creative ideas within work teams? Emotion. 16/6, 2016, 798802