1. Besser verstehen
Viele Kämpfe rund um Dinge, die nicht zu ändern sind, beginnen im Alltag. Eine lohnende Übung ist deshalb, sich gelegentlich hinzusetzen und zu fragen: „Gibt es etwas, das ich gerade nicht gut akzeptieren kann?“ Das ist vielleicht eine Situation im Beruf sein, das Verhältnis zur Schwiegermutter oder eine riesige Baustelle in der Umgebung. Psychotherapeut Andreas Knuf rät, sich die betreffende Situation in ihrer Gesamtheit anzuschauen und sie in allen Aspekten zu betrachten.…
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anzuschauen und sie in allen Aspekten zu betrachten. Also etwa zu verstehen, dass man die Schwiegermutter manchmal auch mag, sich aber gelegentlich von ihrem grenzüberschreitenden Verhalten angegriffen fühlt, weil man sich dann minderwertig oder ohnmächtig vorkommt. In diesem Prozess lernt man „zu akzeptieren, dass man die Situation nur schwer akzeptieren kann“. Dadurch löst sich das Problem zwar nicht, aber man versteht es besser – und hört mit großer Wahrscheinlichkeit auf, die ganze Zeit zu kämpfen und zu hadern.
2. Sing deine Sorgen
Wann immer wir unangenehme Gefühle wie Ängste oder Trauer erleben, sind diese begleitet von bedrohlichen Gedanken oder Gefühlen. Wer nach einer Trennung beispielsweise „Ich treffe nie mehr jemanden, der mich mag“ oder „Wie soll ich bloß allein zurechtkommen“ denkt, der scheut die Konfrontation mit der Tatsache, dass er allein ist – und zögert dadurch den Akzeptanzprozess heraus. Gut helfen laut ACT in diesem Zusammenhang sogenannte Strategien der kognitiven Defusion. Das sind Techniken, mit denen man versucht, die Wirkung bedrohlicher Gedanken zu verändern, Abstand zu ihnen zu bekommen, ohne sie zu unterdrücken. Man kann zum Beispiel den sorgenvollen Satz einfach in der Melodie eines Schlagers singen. Oder man sagt ihn 50-mal hintereinander und schwächt so seine Bedeutung. Oder man dehnt ihn mit einer absurden Mickymausstimme. Solche Verfremdungen helfen, die destruktive Macht, die solche Sorgen über uns haben können, zu schwächen – ohne die sorgenvollen Gedanken selbst zu vermeiden.
3. Arm in Arm mit dem Monster
In der Akzeptanz- und Commitmenttherapie gibt es unzählige plastische Metaphern, die klarmachen, warum es hilft, ein bedrohliches Gefühl wie Trauer oder einen physischen Schmerz auszuhalten. Besonders drastisch ist das Bild, dass man mit seinem Monster – also dem Schmerz oder Leid – nicht kämpfen sollte, sondern es umarmt und Arm in Arm mit dem Monster seinen Lebensweg weitergeht. So hat man freie Sicht und kann sich bewegen. Wer dagegen mit dem Monster kämpft und ihm gegenübersteht, hat die Hände nicht frei, hat keine freie Sicht, kann sich nicht weiterbewegen. Solche Bilder helfen laut Psychotherapeut Matthias Wengenroth vielen Leuten, wenn es darum geht, schwierige Situationen und Emotionen zu akzeptieren.
4. Wieder Spielraum sehen
Oft hadert man und kann sich Momente des Scheiterns oder eine vermeintliche Schwäche nur schwer verzeihen. Psychotherapeut Andreas Knuf empfiehlt in solchen festgefahrenen Situationen einen einfachen Kniff. Man kann sich selbst die Frage stellen: „Wenn ich zur Akzeptanz fähig wäre, was würde ich dann jetzt tun oder denken?“ Danach erlaubt man sich, in diesem Modus über das Thema nachzudenken – und findet neue Ansatzpunkte, die man verfolgen kann.
5. Ich tröste mich selbst
Wenn wir Freunde oder Angehörige trösten, gelingt das oft gut. Matthias Wengenroth rät deshalb, sich bei Schmerzen oder unangenehmen Gefühlen vorzustellen, dass man sich selbst so tröstet, wie man es bei einem Kind tun würde. Mit diesem Bild vor Augen falle es vielen Menschen leichter, den Schmerz auszuhalten und anzunehmen. Es sei dann auch einfacher, passende Worte und Gesten des Trostes für sich zu finden.
6. Angst ist Teil des Ganzen
Die Techniken der Akzeptanz- und Commitmenttherapie können zwar als allgemeine Lebenshilfe in Krisen eingesetzt werden, primär wurde der Ansatz aber entwickelt, um bei klinischen Syndromen wie Depressionen, Suchterkrankungen und Angststörungen eine Hilfe zu sein. Denn dort gilt in besonderem Maße, dass mangelnde Akzeptanz von Symptomen und die damit verbundene Abwehr von beunruhigenden Emotionen und Gedanken sich ungünstig auf den Krankheitsverlauf auswirkt. Ein eindrückliches Beispiel sind Ängste. In seiner Praxis hat Psychotherapeut Matthias Wengenroth oft festgestellt, dass Menschen, die Angststörungen haben, zu Beginn von Therapien häufig berichten, dass sie „gar keine Angst spüren“. Der Grund dafür sei, dass sie bereits jegliche Angstsituation meiden, sich also etwa bei sozialen Ängsten nicht mehr vor große Gruppen stellen und private Kontakte oft komplett meiden. Dass der durch dieses Ausweichen entstehende „schmutzige“, also sekundäre Kummer immens ist, weil kaum mehr ein soziales Leben besteht, nehmen Klienten in dieser Phase oft als kleineres Übel in Kauf. Im Verlauf des Therapieprozesses gehe es dann darum, zu verstehen, dass es sich lohnt, den primären „sauberen Kummer“ – also die im Kontakt mit anderen entstehenden Angstgefühle – auszuhalten.
Die Techniken der ACT helfen, die aufkommenden Ängste und Katastrophengedanken wie „Ich werde mich blamieren“ oder „Ich werde sterben“ schlicht als das zu sehen, was sie sind, und zu akzeptieren. Anders als die klassische Verhaltenstherapie arbeitet ACT also nicht damit, unangenehme Gefühle und Gedanken zu modifizieren, sondern Ziel ist, sie zu integrieren.
Zahlreiche Studien aus der Therapieforschung zeigen, dass diese kognitiven Techniken wirkungsvoll sind. Patienten bleiben trotz erlebter Angst wesentlich klarer und handlungsfähig. Ähnliche Belege für die Wirksamkeit dieser Akzeptanztechniken gibt es mittlerweile für den Umgang mit Süchten, Schmerzen und Depression.
So ist das Leben
Eine akzeptierende Haltung macht das Leben leichter. – Einige Literaturtipps für zentrale Lebensbereiche
Krisenhafte Lebenssituationen. Trennungen, Umzüge, Arbeitsplatzverlust, Naturkatastrophen und Krankheiten oder der Verlust eines geliebten Menschen sind äußere Schicksalsschläge, die wir verarbeiten müssen. Akzeptanz hilft als eine Art vermittelnde Haltung bei der Bewältigung. Wie das praktisch gelingen kann, zeigt etwa das Sachbuch von Andreas Knuf Ruhe, ihr Quälgeister. Wie wir den Kampf gegen unsere Gefühle beenden können (Arkana, München 2013)
Selbstakzeptanz. Wir hadern oft mit bestimmten Charaktereigenschaften, mit unserem Aussehen, mit der Lebenssituation, in der wir stecken oder für die wir uns entschieden haben. Um mehr Selbstakzeptanz hinzubekommen, kann man laut dem Psychotherapeuten Andreas Knuf probieren, sich mehr in Selbstliebe und Selbstmitgefühl zu üben. Dabei helfen in einem ersten Schritt Trainings für Selbstmitgefühl oder auch für Achtsamkeit. Ein lohnendes Sachbuch zum Thema: Erik van den Brink, Frits Koster: Mitfühlend leben (Kösel, München 2013).
Andere akzeptieren. Unsere Eltern, unsere Kinder, unsere Partner oder engen Freunde sind oft Quelle unserer Freude, aber auch für Schmerz und Enttäuschung. Wir kritisieren andere deshalb häufig. Je nach Situation kann das angemessen sein oder vollkommen überzogen – weil es nur die eigenen überhöhten Erwartungen spiegelt. Einige gute Ansätze, wie man mehr Akzeptanz in wichtigen Beziehungen und Partnerschaften hinbekommt, vermittelt das Buch ACT der Liebe des Psychotherapeuten und ACT-Therapeuten Russ Harris (Arbor, Freiburg 2015).
So ist das Leben. Jeder muss lernen, damit umzugehen, dass er nicht alles haben kann, dass er scheitert, dass er im Leben immer mal wieder leidet, dass er alt wird und irgendwann stirbt. Solche Lebensprinzipien anzunehmen fällt manchen Menschen schwerer, als etwa Krisen zu managen. Wem es an Akzeptanz in diesem Bereich fehlt, dem kann eine tiefere Auseinandersetzung mit der Akzeptanz und ihren Gesetzen helfen, etwa mit dem Buch von Matthias Wengenroth Das Leben annehmen. So hilft die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (Hogrefe, Bern 2016). Eher für Fachleute geeignet ist sein Buch Therapie-Tools, Akzeptanz- und Commitmenttherapie (Beltz, Weinheim 2017).
Dieser Text ist ein Teil der Titelgeschichte der Psychologie Heute Ausgabe 5/2018 und wurde leicht überarbeitet.