Der Mann, der Lori Gottlieb gegenübersitzt, ist nach eigenen Aussagen von Idioten umzingelt. Er ist genervt von seinem Kollegen, der immer nur Fragen stellt und es nicht fertigbringt, mal eine klare Ansage zu machen. Er schimpft über den Autofahrer vor ihm, der schon bei Gelb angehalten hat, den Techniker im Computerladen, der sich unfähig zeigte, seinen Laptop zu reparieren.
Gottlieb versucht einzuhaken, da legt er wieder los und beklagt sich über seine Frau. Es mache ihn wahnsinnig, dass sie sich offensichtlich unwohl und angegriffen fühle, obwohl sie überhaupt keinen Grund dazu habe. Wenn sie sauer auf ihn sei, solle sie ihm das verdammt noch mal sagen und es sich nicht mühsam aus der Nase ziehen lassen. Das könne doch nicht so schwer sein.
„Nett, aber ein Idiot“
Mit dieser Szene beginnt Lori Gottliebs Buch Vielleicht solltest du mal mit jemandem darüber reden. Die amerikanische Psychotherapeutin schildert darin mit Humor und Tiefgang unter anderem ihre Sitzungen mit John, der sie aufsucht, weil er sich gestresst fühlt, Schlafstörungen und Probleme mit seiner Frau hat; sein letzter Therapeut („nett, aber ein Idiot“) war in seinen Augen ein Fehlgriff. Was sich zunächst sehr amüsant liest, offenbart jedoch mehr und mehr das innere Drama eines nach außen orientierten Perfektionisten, der seine Umgebung mit seinen extrem hohen Ansprüchen und fixen Vorstellungen terrorisiert.
Er präsentiert eine scheinbar makellose Fassade und konzentriert sich auf die Unzulänglichkeiten der anderen, um von seinen eigenen Unsicherheiten und Verletzlichkeiten abzulenken. Dummerweise hält er mit dieser Strategie gerade auch diejenigen Menschen, die er liebt, auf Distanz und bleibt…
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