Rede ich (zu) viel?

Oft fühlen wir uns unsicher, ob wir in einer Konversation zu viel oder zu wenig sprechen und wie wir ankommen. Warum ist das so?

Viele Menschen schätzen ihre Konversationsfähigkeiten eher mäßig ein. © Westend 61/Getty Images

Rede ich zu viel oder zu wenig? Findet mein Gegenüber mich unsympathisch oder interessant? Das fragen sich viele Menschen, wie die Psychologin Quinn Hirschi sowie ihre Kollegen Timothy D. Wilson und Daniel T. Hilbert in drei Studien zeigen. Ausgangspunkt ihrer Hypothesen waren Umfragen, wonach offenbar das Vertrauen von Menschen in ihre Konversationsfähigkeit ziemlich mäßig ist. Viele denken, sie reden zu viel und sie riskieren, deshalb abgelehnt zu werden. Andere glauben wiederum, sie langweilen andere, wenn sie zu wenig reden.

Ein Grund für die Unsicherheit: Wir wüssten tatsächlich oft nicht, was unser Gegenüber gerade empfindet und können selbst nicht wirklich gut beurteilen, wie wir auf andere wirken. Viele Menschen „tragen ihr Herz“ eben „nicht auf der Zunge“. Zudem hängt es laut der Wissenschaftlerin und der Wissenschaftler davon ab, was wir persönlich wollen: Gemocht werden oder interessant gefunden werden - etwas, worin wir offenbar einen Widerspruch sehen.

Zwei Denkfehler über unsere Gesprächsfähigkeit untersuchten die Forscherin und die Forscher in ihren Studien: Der Idee, wir reden oft zu viel und wirken dadurch unsympathisch. Und die Unsicherheit darüber, wie viel wir reden müssen, um bestimmte Ziele zu erreichen, etwa, interessant gefunden zu werden. Ein Teil der Probandinnen und Probanden, überwiegend Studierende, wurde online gebeten, sich ein Gespräch mit einer anderen Person vorzustellen und zu beschreiben, welche Erwartungen sie an das Gespräch hatten. Sie solltenangeben, wie hoch ihr eigener Anteil daran sein würde und wie hoch er iedalerweise sein sollte, je nachdem,  elches Gesprächsziel sie hatten. 

30 oder 70 Prozent der Zeit in Anspruch nehmen

Andere Teilnehmende kamen ins Labor und sprachen dort mit einer anderen Person. Diese Konversation war jedoch gesteuert, weil nur eine bestimmte vorgegebene Zeit gesprochen werden durfte – die Zeitfenster dafür waren unterschiedlich lang und wurden vom Computer nach dem Zufallsprinzip zugeteilt. Anschließend gaben die Teilnehmenden an, wie sie ihre Partnerin oder ihren Partner einschätzten, ob sie die Person sympathisch fanden oder interessant. Sie berichteten zudem, was sie dachten, wie das Gegenüber sie selbst womöglich fand.

Die Ergebnisse zeigen: Die meisten hatten die Erwartung, dass man weniger als die Hälfte des Gesprächs für sich in Anspruch nehmen sollte, um gemocht zu werden. Doch das traf nicht zu. Im Gegenteil: Sprach die andere Person mehr als die Hälfte der Zeit, mochte ihr Gegenüber sie mehr und fand sie zugleich auch interessanter. Laut der Wissenschaftlerin und der Wissenschaftler schließen sich „interessant“ und „sympathisch“ keinesfalls aus, sondern hängen wohl eng zusammen. Die Autorin und die Autoren sehen in den Befunden auch einen Beleg dafür, dass die Redezeit eine Rolle spielt, wenn auch eine andere, als viele denken. Zu viel muss gar nicht negativ sein, im Gegenteil. 

Quinn Hirschi u. a.: Speak Up! Mistaken beliefs about how much to talk in conversations. Personality and Social Psychology Bulletin, 2022. DOI: 10.1177/01461672221104927

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