Dossier Beruf & Leben – Der Jobmotor: Was uns antreibt

Dossier Beruf & Leben: Warum gehen manche von uns gerne zur Arbeit und andere nicht? Psychologen ergründen, was unsere Motivation im Beruf beeinflusst.

Bettina weiß nicht genau, wann es angefangen hat. Früher ging sie gern zur Arbeit. Sie fühlte sich kompetent, brachte neue Ideen ein und wurde oft nach ihrer Meinung gefragt. Doch dann ertappte sie sich immer häufiger dabei, wie ihr vor dem Tag im Büro graute. Ihre Aufgaben reizten sie nicht mehr. Unter dem neuen Vorgesetzten konnte sie kaum noch etwas selbst entscheiden. Die Kollegen wechselten, ihr Team brach auseinander. Heute schleppt sie sich morgens lustlos an den Schreibtisch und abends müde zurück…

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arbeitet sie nur noch ab, was sie unbedingt erledigen muss.

Bettina ist keine reale Person, und doch steht ihre Geschichte beispielhaft für offenbar Millionen demotivierter Beschäftigter: Mehr als jeder sechste Arbeitnehmer hat innerlich bereits gekündigt, so das Ergebnis des „Gallup Engagement Index“ 2015, einer Befragung von mehr als 1400 Beschäftigten in Deutschland. Die große Mehrheit – 68 Prozent– macht demnach lediglich Dienst nach Vorschrift. Nur 16 Prozent sind hochmotiviert. Die Umfrage wird seit 2001 jährlich durchgeführt. Die Ergebnisse haben sich seitdem kaum verändert.

Offenbar scheitern viele Unternehmen daran, ihre Mitarbeiter dauerhaft anzuspornen. Was aber motiviert uns wirklich im Berufsleben? Früher schien die Antwort klar: „Nach dem Krieg motivierten natürlich materielle Aspekte, weil man überleben und alles neu aufbauen musste“, sagt der Arbeits- und Sozialpsychologe Dieter Frey, Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Doch auch als Deutschland sich wirtschaftlich längst erholt hatte, spornte Geld offenbar weiter an. Noch im Jahr 2004 war die Höhe des Gehalts für Stellensuchende das zweitwichtigste Kriterium bei der Wahl einer Arbeitsstelle, gleich hinter dem Inhalt der Tätigkeit. Das ergab eine Umfrage der Universität Bamberg und der Jobbörse Monster mit mehr als 6000 Teilnehmern.

Doch Geld ist kein wirklich guter Motivator, auch wenn es uns so vorkommen mag. Das ergaben unter anderem die Studien der Psychologen Edward Deci und Richard Ryan von der University of Rochester. Bereits Anfang der 1970er Jahre sammelte Deci erste Hinweise darauf, dass materielle Belohnungen die intrinsische Motivation nicht etwa erhöhen, sondern sogar senken. Mit intrinsischer Motivation bezeichnet man die Bereitschaft, sich auch ohne Aussicht auf eine Belohnung freiwillig mit einer Aufgabe zu beschäftigen. Die Vergütung scheint den „Dienst nach Vorschrift“ also eher zu fördern, als Mitarbeiter zu Höchstleistungen oder gar kreativen Ideen anzuspornen.

Edward Decis Befund wurde durch Dutzende psychologische Experimente bestätigt – und ist inzwischen offenbar auch auf dem Arbeitsmarkt angekommen. Das Gehalt steht auf der Kriterienliste der Bewerber heute jedenfalls nur noch an fünfter Stelle, wie die aktuelle Erhebung der Universität Bamberg zeigt. Die meisten wünschen sich mittlerweile vor allem ein „gutes Arbeitsklima“ (siehe Kasten auf Seite 74). Mehr als 94 Prozent der Befragten halten dieses für besonders wichtig. Acht von zehn Mitarbeitern würden wegen einer schlechten Atmosphäre am Arbeitsplatz sogar kündigen, ergab eine Erhebung des Online-Jobportals StepStone und der Unternehmensberatung Hay Group.

Loyalität und Lob

„Ein gutes Betriebsklima ist die Basis von allem“, sagt Arbeitspsychologe Dieter Frey. „Die Menschen erwarten ein hohes Maß an Wertschätzung, Fairness und Transparenz durch Information und Kommunikation. Und eine Führung, die Orientierung gibt und Mitarbeiter nicht wie eine Nummer behandelt.“ Vor allem die Loyalität des Arbeitgebers und regelmäßiges Lob sind den Beschäftigten wichtig, berichtet der „Fehlzeiten-Report 2016“ des Wissenschaftlichen Instituts der AOK. Unzufriedene Mitarbeiter klagen demnach öfter über körperliche und psychische Beschwerden und fehlen häufiger im Betrieb.

Edward Deci und Richard Ryan berichteten schon 1980, dass positives Feedback in einem Gespräch Menschen besonders gut motiviert. Der Grund: Durch die lobende Rückmeldung fühlt sich der Mitarbeiter kompetent. Genauso wichtig ist den Psychologen zufolge aber auch das Gefühl, über möglichst viel Autonomie am Arbeitsplatz zu verfügen. Denn nur wer meint, für seine Leistungen selbst verantwortlich zu sein, kann das Lob auch genießen.

Neben Autonomie und Feedback ist vor allem wichtig, dass der Job auch zum Menschen passt. Der US-Psychologe Abraham Maslow stellte Anfang der 1940er Jahre eine Hierarchie der menschlichen Motive auf. Ganz unten in dieser Pyramide siedelte er elementare Bedürfnisse wie körperliches Wohlbefinden, Essen, Trinken und Schlaf an. Diese müssten erfüllt sein, bevor wir andere Ziele anstrebten, meinte Maslow. Zu den „höhergestellten“ Bedürfnissen zählen jene nach Sicherheit und Stabilität sowie der Wunsch nach guten Beziehungen. Ist diese Stufe erreicht, so Maslow, würden uns Erfolg und Freiheit, aber auch Ansehen und Wertschätzung wichtiger. Ganz oben schließlich stehe der Wunsch nach Selbstverwirklichung.

Zwar ist die maslowsche Bedürfnispyramide in Fachkreisen umstritten, da sie nicht eindeutig belegt ist. Das Modell verdeutlicht aber, dass unsere Motive und Ziele individuell sehr unterschiedlich sein können. Ein Job sollte deshalb nicht nur zu den Umständen, sondern auch zu den eigenen Fähigkeiten, Werten und der jeweiligen Persönlichkeit passen, meinen Experten. „In der Forschung gehen wir heute vor allem der Frage nach, was wen motiviert“, erklärt Tanja Bipp, Professorin für Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Sie fand zum Beispiel heraus, dass selbstsichere Mitarbeiter ein besonders großes Bedürfnis nach Autonomie verspüren. Andere Beschäftigte legen dagegen vor allem Wert auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Flexibilität und Weiterbildung

Dies trifft auf immerhin drei Viertel der Beschäftigten zu, ergab eine Erhebung der Hamburg Media School in Kooperation mit dem Karrierenetzwerk Xing. Solche Menschen werden entsprechend stark durch Faktoren wie flexible Arbeitszeiten, Teilzeitstellen oder die Möglichkeit, zu Hause zu arbeiten, motiviert. Ein anderer großer Teil der Befragten – zwei Drittel – möchte sich dagegen möglichst gut entwickeln können. Diese Menschen spornt zum Beispiel ein gutes Weiterbildungsprogramm an.

Die Passung zwischen der eigenen Person und dem Job hält auch die Psychologin Tatjana Schnell für wichtig. Sie leitet eine Arbeitsgruppe zur Sinnforschung an der Universität Innsbruck und ist sich sicher: „Arbeitsmotivation und Sinnerleben hängen ganz eng zusammen.“ Doch wie erlebt man im Beruf Sinn? Tatjana Schnell kennt vier Faktoren, die dazu beitragen. Einer davon ist die gute Person-Job-Passung (siehe Kasten). Noch wichtiger ist allerdings, dass man sein berufliches Tun als bedeutsam empfindet, sagt sie.

Was das heißt, macht ein Experiment des US-Motivationspsychologen Adam Grant mit Mitarbeitern eines Callcenters deutlich. Ihr Job war, Geld für die Finanzierung von Universitätsstipendien einzuwerben. Für die Studie las ein Teil von ihnen einen Brief eines Absolventen, der beschrieb, wie das Stipendium sein Leben verändert hatte. So erhöhte Grant bei den Callcenter-Agenten die wahrgenommene Bedeutsamkeit ihrer Arbeit – mit anscheinend großer Wirkung: Einen Monat später nahmen diese Mitarbeiter mehr als doppelt so viele Spenden ein wie zuvor.

Auch das Gefühl der Zugehörigkeit scheint sinnstiftend zu sein, ergab die Forschung von Tatjana Schnell: Gemeinsam an einem Strang zu ziehen, geschätzt zu werden und mitentscheiden zu dürfen – auch das ist Ausdruck eines guten Betriebsklimas. Wichtig ist offenbar zudem, sich darüber im Klaren zu sein, welche Richtung und Werte der Arbeitgeber verfolgt, und dahinterstehen zu können.

Sinn im Beruf zu erleben sei wie ein stabiles Fundament, das Sicherheit für engagiertes Handeln biete, erklärt Tatjana Schnell: „Das ist uns nicht immer bewusst. Erst wenn die Bedeutung der Tätigkeit, die eigene Zugehörigkeit, die Passung oder die Ausrichtung der Arbeit Konflikte aufwirft, rückt die Sinnfrage in den Vordergrund.“

Die Psychologin erlebt ein Umdenken unter den Beschäftigten: „Früher hat man sich über das Sinnerleben im Job selten Gedanken gemacht“, sagt sie. „Heute dagegen finden es viel mehr Menschen wichtig.“ Eine internationale Studie des Personaldienstleisters Kelly Services ergab 2009, dass rund 50 Prozent der etwa 100 00 Befragten sogar ein niedrigeres Gehalt in Kauf nehmen würden, wenn ihre Arbeit zu etwas Wichtigem oder Wertvollem beitrage. Allen voran die sogenannte GenerationY, die heute etwa 20- bis 35-Jährigen. Schon in der Bezeichnung spiegelt sich die Frage nach der Bedeutsamkeit wider: Das Ypsilon wird im Englischen ausgesprochen wie das Wort why, „warum“. Tatjana Schnell weiß aus ihrer eigenen Forschung: „Etwa die Hälfte der jungen Menschen möchte nicht mehr nur irgendeine Arbeit machen, sondern vor allem etwas Sinnvolles im Leben tun.“

Das hat seinen Grund: Vielen in dieser Generation ist schon beim Berufseinstieg bewusst, dass sie in ihrem Leben mehrmals den Job werden wechseln müssen, weil Arbeitsplätze oder ganze Firmen schnell verschwinden können. Von einer konstanten Karriere ohne Rückschläge gehen daher die wenigsten aus. Tatjana Schnell sieht darin auch einen Vorteil: „Wer sich nicht darauf einstellt, eine Stelle über Jahrzehnte innezuhaben, hat weniger Hemmungen zu gehen, wenn sie oder er sich in den Zielsetzungen oder Anforderungen einer Arbeitsstelle nicht wiederfindet. Dadurch hat man mehr Möglichkeiten für Sinnerfüllung“, sagt sie.

Zu den Sinnsuchern der GenerationY gehört auch Steffi Burkhart. Die Sportwissenschaftlerin stieg 2010 mit 25 Jahren in ein großes Unternehmen ein, um dort das betriebliche Gesundheitsmanagement mit aufzubauen. Sie war hochmotiviert und plante, in den folgenden zwei Jahren auch ihre Promotion in der Firma zu schreiben. Doch schon in der ersten Woche merkte sie: Hier passe ich nicht hin. „Die Hierarchie im Unternehmen war extrem starr, Wörter wie Flexibilität und Spontaneität kannte man dort nicht. Das hat mich alles stark eingeengt“, sagt sie. „Wenn ich eine Idee hatte und umsetzen wollte, habe ich sofort gegen mehrere Regeln verstoßen.“ Vom Sinnerleben war sie weit entfernt. Die geplanten zwei Jahre hielt sie dennoch durch – um dann in ein Start-up zu wechseln und sich schließlich selbständig zu machen. „Solche modernen Zickzack-Lebensläufe werden wir in Zukunft immer häufiger erleben“, meint sie.

Heute berät Steffi Burkhart Unternehmen darin, wie sie mit der Generation Y richtig umgehen, und erklärt den Verantwortlichen, was junge Kollegen erwarten (siehe Seite 75). „Ohne den Sinn zu erkennen, kann ich nicht mit dem nötigen Drive arbeiten“, so Burkhart. Natürlich sei das nicht für alle jungen Mitarbeiter gleich wichtig. „Aber man sollte sie wenigstens dazu bringen, sich für den Sinn ihres Tuns zu interessieren“, sagt sie und argumentiert mit den Veränderungen in der Arbeitswelt: Um die immer komplexeren Probleme zu lösen, brauche man Kreativität, und deren Voraussetzung sei Motivation. „Und die habe ich nur, wenn ich auch die Sinnfrage beantworten kann.“

Die veränderten Bedürfnisse könnten durchaus zu Spannungen mit älteren Kollegen führen, meint Burkhart, etwa wenn die jungen Mitarbeiter neue Freiheiten einforderten. Führungskräfte, die den Kulturwandel nicht wahrhaben wollen, nennt sie „Bremsklötze der Innovation“. Arbeitspsychologen warnen jedoch, dass die vermeintlichen Unterschiede häufig übertrieben dargestellt würden. „Grundsätzlich haben die älteren Arbeitnehmer die gleichen Bedürfnisse wie die jüngeren“, sagt Arbeitspsychologe Dieter Frey. „Sie haben sich früher nur eher mit einer Situation zufriedengegeben.“ Immerhin die Hälfte der Generation Y scheint sich zudem überhaupt nicht für die Sinnfrage zu interessieren, wie eine Studie des Teams um Tatjana Schnell ergab. Diese jungen Menschen fühlen sich jedoch auch weniger motiviert und kompetent als gleichaltrige Sinnsucher.

Sinnsuche braucht auch Grenzen

Vom Berufsfeld hängt der Forschung zufolge übrigens nicht ab, wie viel Bedeutsamkeit man in seinem Job erleben kann. So könnten zum Beispiel ein Arzt und eine Reinigungskraft im Krankenhaus ihre Tätigkeiten als ähnlich wertvoll und dadurch sinnvoll empfinden, da sie beide dazu beitragen, dass die Patienten wieder gesund werden – durch die medizinische Versorgung und die bessere Hygiene. Aber: „Nicht alle Berufe werden auch meinem Leben Sinn geben“, sagt Tatjana Schnell. „Andere Lebensbereiche mögen hierfür besser geeignet sein.“ Tatsächlich kann es sogar Nachteile haben, den Job als allzu sinnstiftend zu empfinden: Überarbeitung und freiwillige Selbstausbeutung drohen (siehe auch Psychologie Heute 10/2015). Besonders Sinnsucher sollten also auf ihre eigenen Grenzen achten.

Das Sinnerleben zu stärken kann – wenn man nicht übertreibt – eine gute Möglichkeit sein, sich wieder mehr für den Beruf zu begeistern. Tatjana Schnell empfiehlt, sich dafür zunächst eine Reihe von Fragen zu stellen, zum Beispiel: Wer profitiert von meiner Arbeit? Wie gehen Kollegen und Vorgesetzte mit mir um? Worauf zielt meine Arbeit ab, und stehe ich dahinter? Bin ich über- oder unterfordert? Und lässt sich mein Job mit anderen Lebensbereichen vereinen? Aus den Antworten ist absehbar, warum jemandem seine Arbeit als wenig sinnvoll erscheinen könnte und welchen Bereich er möglicherweise verändern sollte. Wichtig findet Tatjana Schnell aber auch, sich die positiven Aspekte der Tätigkeit bewusstzu machen: „Das kann helfen, auch anstrengende Phasen zu meistern.“

Ähnlich motivierend wirkt das sogenannte Job Crafting, was bedeutet, seinen Arbeitsplatz so umzugestalten, dass er besser zu einem passt – indem man zum Beispiel mehr oder interessantere Aufgaben annimmt, stärker mit Kollegen zusammenarbeitet oder anders über seine Tätigkeit denkt. Auch Tanja Bipp forscht zu Job Crafting (siehe Interview auf Seite 77). Die Ergebnisse ihrer Forschung zeigen: Job Crafting fördert nicht nur die Zufriedenheit der Arbeitnehmer, sondern auch ihre Leistung – wovon wiederum das Unternehmen profitiert. Natürlich helfen solche Methoden nicht in jedem Fall. Wen die eigene Tätigkeit zu sehr anödet, der kommt an einem Jobwechsel nicht vorbei. Für unmotivierte Mitarbeiter können sie aber ein möglicher Weg sein, um bald wieder mit Freude zur Arbeit zu gehen.

Die Passung muss stimmen

Ein Job, der die Wünsche eines Mitarbeiters nicht erfüllt, kann diesen demotivieren und krank machen, auch wenn ihm seine wahren Bedürfnisse gar nicht bewusst sind. Darauf deutet eine aktuelle Studie der Arbeitsgruppe um den Psychologen Hugo Kehr hin. Die Wissenschaftler erfassten bei einer Gruppe von Führungskräften die bewussten und unbewussten Bedürfnisse nach Leistung, Anschluss an andere und Macht. Dann ermittelten sie, wie gut diese Motive übereinstimmten.

Diejenigen Teilnehmer, deren unbewusste Bedürfnisse sich stark von den bewussten unterschieden, fühlten sich unmotivierter und berichteten häufiger von Gefühlen des Burnout als jene, deren Motive sich besser deckten. Ein Beispiel: Eine Führungskraft strebt täglich nach Erfolg (Leistungsmotiv) und macht dafür viele Überstunden, sie hat also wenig Freizeit. Sehnt sie sich unbewusst aber nach Zeit mit Freunden und der Familie (Anschlussmotiv), kann dieser Widerspruch zu Unzufriedenheit und Stress führen.

Was ein gutes Betriebsklima ausmacht

Wie wir die Atmosphäre in einem Betrieb beurteilen, hängt von der Qualität unserer Zusammenarbeit mit anderen ab, fanden die Sozialforscher Edelgard Kutzner und Klaus Kopp von der Technischen Universität Dortmund in einem mehrjährigen Projekt heraus. Vorgesetzte und Mitarbeiter tauschen täglich Lohn und Leistung, aber auch Informationen oder Unterstützung aus. Dabei sollte es gerecht und solidarisch zugehen.

Konkret ist zum Beispiel wichtig, dass sich alle aufeinander verlassen können. Der Vorgesetzte sollte zudem die persönlichen Anstrengungen seiner Mitarbeiter würdigen, sie bei selbständigen Tätigkeiten unterstützen, die Anforderungen der Arbeit klar definieren und die Mitarbeiter an betrieblichen Entscheidungen beteiligen. Nett zueinander zu sein reiche nicht aus, folgern die Wissenschaftler. Spannungen ließen sich ohnehin nicht vermeiden, man solle Probleme der Zusammenarbeit und ihre Ursachen deshalb offen ansprechen und in Arbeitsgruppen oder Workshops hinterfragen.

Das erwartet die Generation Y von ihrem Arbeitsplatz

Die Welt verändert sich schneller und schneller. Junge Berufstätige sind unter vollkommen anderen Bedingungen aufgewachsen als ihre älteren Kollegen. Das wirkt sich auch auf ihre Ansprüche an den Arbeitsplatz aus. Die Trainerin und Autorin Steffi Burkhart (31) gehört zur sogenannten Generation Y, also zu den heute etwa 20- bis Mitte 30-Jährigen. Ihrer Erfahrung nach motivieren folgende Faktoren heutige Berufseinsteiger besonders.

1. Arbeit im Netzwerk

Viele Unternehmen und ihre Abteilungen waren bisher klar hierarchisch organisiert. Junge Menschen denken dagegen in Netzwerken. Ihre Generation sei geprägt von der digitalen Vernetzung und einer neuen Wir-Kultur, meint Steffi Burkhart: „Sie arbeiten gern mit anderen zusammen, wollen gemeinsam etwas auf die Beine stellen. Die Ellenbogenmentalität ist ihnen fremd.“

Viele junge Leute fühlten sich zudem abhängig von ihrem direkten Vorgesetzten. „Unternehmen sollten sie frei in Teams arbeiten lassen. So können sie neue, kreative Ideen entwickeln und einbringen.“

2. Chancen zur Weiterentwicklung

Befristete Arbeitsverträge, Stellenabbau, Firmenpleiten: Die Wahrscheinlichkeit, sein Leben lang an einem Arbeitsplatz bleiben zu können, halten junge Menschen für gering, ergab eine Umfrage der Unternehmensberatung PwC. Vielen ist daher klar: Um auf dem Arbeitsmarkt zu bestehen, müssen sie ihre Fähigkeiten ausbauen.

Möglichkeiten zur Weiterbildung sind für etwa die Hälfte der Hochschulabsolventen ausschlaggebend bei der Entscheidung für einen Arbeitgeber, ergab eine Studie des Beratungsinstituts Kienbaum. „Wenn qualifizierte junge Menschen dagegen das Gefühl haben, ihr Talent wird nicht erkannt und sie werden nicht unterstützt, wechseln viele das Unternehmen oder machen sich selbständig“, sagt Steffi Burkhart.

3. Gute Führung

„Viele Führungskräfte der alten Schule haben nicht gelernt, was es heißt, Menschen zu führen“, sagt Steffi Burkhart. Oftmals würden Menschen befördert, die viel Fachwissen haben und ihren Job am besten organisieren. „Das bedeutet aber nicht, dass sie auch gut führen können – geschweige denn Lust darauf haben.“ Vorgesetzte seien häufig auch zu stark im operativen Geschäft eingebunden, als dass sie ihre Mitarbeiter richtig coachen könnten. „Junge Menschen wünschen sich Führungskräfte, die sie dabei unterstützen, eigene Stärken weiter auszubauen.“ Burkharts Vorschlag: Die Aufgaben „Führung“ und „Management“ zwischen zwei gleichwertigen Positionen aufteilen, ähnlich wie im Profifußball, wo ein Trainer die Mannschaft betreut, während der Teammanager die Organisation hinter dem Training übernimmt.

„Kündigen – oder versuchen, den Job anzupassen“

Die Würzburger Arbeitspsychologin Tanja Bipp forscht zum Thema Job Crafting: Wie man seinen Arbeitsplatz so verändert, dass er besser zu einem passt

Frau Bipp, wie funktioniert Job Crafting?

Jeder Mensch hat bestimmte Präferenzen. Werden sie nicht erfüllt, kann ich den Arbeitsplatz wechseln oder versuchen, meinen Job so umzugestalten, dass er besser zu mir passt – über drei Drehschrauben: Ich kann meine Aufgaben anpassen, also die Arbeit an sich. Zum Beispiel indem ich Zusatzaufgaben annehme, die vielleicht nicht direkt Teil des Jobs sind, mich aber persönlich interessieren. Ich kann aber auch die Beziehungsebene verändern, meine Interaktion mit anderen. Oder ich versuche, anders über meine Arbeit zu denken.

Wie geht das konkret?

Zunächst sollte man sich Fragen stellen wie: Was hat mir mein Arbeitsplatz zu bieten? Welche Aufgaben mache ich gern? Was vermisse ich? Was bringe ich für Fähigkeiten mit? Wie kann ich mit hohen Anforderungen wie Zeitdruck umgehen? Wenn man diese Anforderungen nicht reduzieren kann, sollte man sich auf die Suche nach sogenannten Ressourcen in seinem Job begeben. Sie helfen einem, auch in einem fordernden Umfeld motiviert zu bleiben.

Was können Ressourcen sein?

Zum Beispiel soziale Unterstützung, also andere – wie den Vorgesetzten oder Kollegen – um Feedback oder Hilfe zu bitten. Oder Weiterbildung: neue Fähigkeiten zu lernen, Kompetenzen auszubauen. Das wird oft angeboten, aber wenig genutzt. Job Crafting kann einem helfen, neue Ressourcen aufzubauen.

Und das motiviert?

Ja, Job Crafting erhöht das Engagement und die Leistung von Beschäftigten. Das hat unter anderem unsere Studie mit Mitarbeitern eines Krankenhauses gezeigt, die wir trainiert haben. Das Training wirkte sich auch positiv auf ihre Gesundheit aus: Gefühle des Burnout ließen nach. Aus weiteren Studien wissen wir zudem, dass einige Arbeitnehmer vermehrt Aufgaben übernehmen, die über ihren Job hinausgehen, also sogenanntes extra-role behavior zeigen. Das alles kommt letztlich auch dem Unternehmen zugute.

Aber wenn ich nur noch die Aufgaben erledige, die ich mag, bleibt dann nicht Arbeit liegen?

Wenn sich alle die Rosinen herauspicken, kann sich Job Crafting tatsächlich negativ auswirken und zum Beispiel zur Überlastung von Kollegen führen. Als Führungskraft sollte man daher auch ein Auge darauf haben, dass es nicht übertrieben wird. Die Grundidee ist aber, dass Job Crafting nicht angeleitet oder überwacht wird. Der Arbeitnehmer soll die Veränderungen selbst anstoßen.

Klappt das in jedem Job?

Grundsätzlich ja. Vielleicht ist es leichter, wenn ich schon über ein hohes Maß an Autonomie verfüge, also mehr selbst entscheiden und anpassen kann. Aber selbst Fabrikarbeiter am Fließband craften! Eine Möglichkeit kann sein, verstärkt anders über seine Tätigkeit nachzudenken. Reinigungskräfte im Krankenhaus können sich zum Beispiel bewusstmachen, dass sie auch dazu beitragen, dass Patienten schneller genesen und allgemein gesünder sind. Das fördert die erlebte Bedeutsamkeit der Arbeit und damit auch wieder die Motivation und Leistung.

Interview: Nele Langosch

So kann Job-Crafting aussehen

Aufgaben verändern

Die PR-Managerin mit einer Vorliebe für Ordnung übernimmt die strukturierte Ablage von Kundendaten in ihrer Firma.

Eine wissenschaftliche Mitarbeiterin, die gern programmiert, präsentiert die Forschungsergebnisse ihrer Arbeitsgruppe auf einer selbst erstellten Website.

Beziehungen fördern

Ein Verkaufsmitarbeiter, der sich besonders für Technik interessiert, hilft seinen Kollegen bei Computerproblemen.

Ein Manager lädt die neuen Mitarbeiter seiner Firma regelmäßig zum Frühstück ein, um sich von ihren Ideen und Ansichten inspirieren zu lassen.

Umdenken

Der Versicherungsangestellte leitet nicht nur eine Schadensabteilung, sondern hilft täglich Menschen in einer Lebenskrise.

Der Koch sieht seine Arbeit nicht nur als bezahlte Dienstleistung an, sondern auch als Beitrag zur gesunden Ernährung in seiner Stadt.

Literatur

Arnold Bakker, Evangelia Demerouti: Übersicht über die Befunde und das Job Resources-Demands-Model unter www.arnoldbakker.com/jdrmodel.php

Tanja Bipp: What do people want from their jobs? The big five, core self-evaluations and work motivation. International Journal of Selection and Assessment, 18, 2010, 28–39. DOI: 10.1111/j.1468-2389.2010.00486.x

J. Stuart Bunderson, Jeffery A. Thompson: The call oft the wild: Zookeepers, callings, and the dual edges of deeply meeningful work. Administrative Science Quarterly, 54, 2009, 32–57. DOI: 10.2189/asqu.2009.54.1.32

Steffi Burkhart: Die spinnen, die Jungen: Eine Gebrauchsanweisung für die Generation Y. Gabal Verlag, Offenbach 2016

Edward L. Deci, Richard M. Ryan: The empirical exploration of intrinsic motivational processes. In Leonard Berkowitz (Hrsg.): Advances in experimental social psychology, 13, 39-80. Academic Press, New York 1980

Edward L. Deci: A meta-analytic review of experiments examining the effects of extrinsic rewards on intrinsic motivation. Psychological Bulletin, 125, 1999, 627–668. DOI: 10.1037/0033-2909.125.6.627

Gallup Deutschland: Gallup Engagement Index. Berlin, 2015

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Hay Group: Mitarbeiter sind käuflich, ihre Motivation nicht. Ergebnisse einer aktuellen Studie zur Arbeitsmotivation. Frankfurt, 2012

HMS Think Tank Journalismusforschung: Was wird aus den Digital Natives? Hamburg, 2014

Thomas Höge, Tatjana Schnell: Kein Arbeitsengagement ohne Sinnerfüllung. Eine Studie zum Zusammenhang von Work Engagement, Sinnerfüllung und Tätigkeitsmerkmalen. Wirtschaftspsychologie, 1, 2012, 91–99.

Klaus Hurrelmann, Eric Albrecht: Die heimlichen Revolutionäre: Wie die Generation Y unsere Welt verändert. Beltz, Weinheim 2014

Kelly Services: Kelly Global Workforce Index. Troy, 2009

Kienbaum Institut: Absolventen 2015 unter die Lupe genommen: Ziele, Wertvorstellungen und Karriereoptimierung der Generation Y. Dortmund, 2015.

Edelgard Kutzner, Klaus Kock: Gutes Betriebsklima durch Veränderung sozialer Praktiken. Sozialwissenschaften und Berufspraxis, 38, 2015, 249-260

Edelgard Kutzner, Klaus Kock: Betriebsklima und gute Arbeit. Ergebnisse eines Forschungsprojekts. Dortmund, 2014

PWC: Millennials at work: Reshaping the workplace. London, 2011.

Maika Rawolle u. a.: No fit, no fun: The effect of motive incongruence on job burnout and the mediating role of intrinsic motivation. Personality and Individual Differences, 89, 2016, 65–68. DOI: 10.1016/j.paid.2015.09.030

Tatjana Schnell u. a.: Predicting meaning in work: Theory, data, implications. The Journal of Positive Psychology, 8, 2013, 543–554. DOI: 10.1080/17439760.2013.830763

Tatjana Schnell: Psychologie des Lebenssinns. Springer, Heidelberg 2016

Tim Weitzel u. a.: Bewerbungspraxis 2015. Eine empirische Studie mit 7000 Stellensuchenden und Karriereinteressierten im Internet. Bamberg, 2015

Wissenschaftliches Institut der AOK: Fehlzeiten-Report 2016. Berlin, 2016

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 1/2017: Gelassen bleiben