Irritierende Gedanken

Zeitdruck und Komplexität im Job sind kurzfristig in Ordnung. Dauern sie aber zu lange an, führen sie zu belastendem Grübeln, stellten Psychologen fest.

Ein über Wochen andauernder Zeitdruck und zu komplexe Anforderungen im Job tun Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht gut. Das ist das Ergebnis einer Studie, in der die Psychologen Arian Kunzelmann und Thomas Rigotti der Frage nachgingen, inwieweit Zeitdruck und hohe Komplexität bei der Arbeit die Resilienz entweder stärken und dazu führen, dass Angestellte lernen und sich weiterentwickeln oder – unter welchen Umständen sie es nicht tun.

Die Autoren kommen zu dem Schluss: Zeitdruck und Arbeitskomplexität wirken indirekt. Bestehen sie über längere Zeit, verursachen sie die in der Psychologie so genannten „kognitive Irritationen“: Menschen beginnen zu grübeln, ihre Gedanken kreisen über die Arbeit hinaus ständig um die Arbeit. Darunter leidet die Fähigkeit, sich zur Erholung mental und emotional von Arbeit zu lösen. Dieses häufige Grübeln und zu wenig und emotionale mentale Distanz zum Job schwächen auf längere Sicht die Widerstandskraft.

Wie Kunzelmann und Rigotti feststellten, konnten einige Versuchsteilnehmende an größeren Herausforderungen bei der Arbeit auch wachsen und daraus lernen. Länger bestehender Zeitdruck überforderte aber auch sie.  

Um prüfen zu können, ob sich Lerneffekte oder zunehmende Belastungen bei den Befragten einstellten, wurde ein Teil der insgesamt rund 600 Teilnehmenden zwei Mal befragt, mit einem Abstand von acht Wochen. Gemessen wurde, inwieweit sie Zeitdruck erlebten, ob sie viel über ihre Arbeit nachdachten (Grübeln), ob sie das Gefühl hatten zu lernen und ob sich ihr Gefühl der Resilienz über die Zeit veränderte. Die Psychologen berichten, dass der negative Effekt von Zeitdruck und Komplexität indirekt ist, also auftrat, weil die Teilnehmenden über den Befragungszeitraum vermehrt grübelten und mental nicht loslassen konnten. Für Unternehmen sei es wichtig, Erholungspausen zu ermöglichen, während derer sich Angestellte von ihrer Arbeit zurückziehen könnten. Zeitdruck und Komplexität könnten kurzfristig förderlich sein für die Entwicklung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Arian Kunzelmann, Thomas Rigotti: Challenge demands and resilience. Strain and learning as different pathways. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 2021. DOI: 10.1026/0932-4089/a000363

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