Herr Weigelt, gibt es so etwas wie eine wöchentliche Energiekurve?
Ja, Forschungsergebnisse belegen, dass unsere Kraft, unser Antrieb, unsere Energie sich innerhalb der Woche tatsächlich stark verändern: Die Vitalität steigt freitags und zu Beginn des Wochenendes. Am Sonntagabend beginnt sie zu sinken und erreicht Montagvormittag einen Tiefpunkt. Die Ursache ist eindeutig, denn mit dem Start in die neue Arbeitswoche gilt es, wieder in routinierte Abläufe einzusteigen. Zudem haben viele am Sonntag…
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eindeutig, denn mit dem Start in die neue Arbeitswoche gilt es, wieder in routinierte Abläufe einzusteigen. Zudem haben viele am Sonntag ausgeschlafen und das ist dann am Montag für die meisten von uns nicht möglich.
Diese Umstellung des Schlafrhythmus ist vermutlich ein wesentlicher Grund für den sogenannten Montagsblues. Der weitere Verlauf von Dienstag bis Donnerstag bleibt dann relativ konstant. Und Freitag schließlich steigt die Vitalitätskurve wieder an. In manchen Berufen wird an diesem Tag kürzer gearbeitet und der Terminplan ist oft nicht so voll wie sonst. Übrigens: Wochentagseffekte lassen sich nicht nur per Befragung erforschen, sondern auch anhand von Inhalten in Twitter-Kurznachrichten.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
In einer Studie aus dem Jahr 2016 wurde der Inhalt von gut 200 Millionen Tweets untersucht. Unter anderem wurde geschaut, inwieweit Begriffe mit Bezug zu positiven Emotionen wie Freude und Spaß oder negativen wie Stress und Ärger vorkommen. Der Analyse zufolge steigen im Verlauf der Woche Tweets mit positiven Emotionen und haben ihren Höhepunkt dann am Wochenende. Stressbezogene Tweets, verbunden mit negativen Gefühlen, tauchen an allen Werktagen gleichermaßen auf – außer am Freitag. Da beginnt wohl der Stress in den Hintergrund zu rücken.
Gibt es Aufgaben, die wir an einem bestimmten Wochentag erledigen sollten?
So generell kann man das nicht sagen, es hängt von den eigenen Präferenzen und von der jeweiligen Tätigkeit ab, die man ausübt. Wenn man in der Nacht von Sonntag auf Montag schlechter schläft als sonst, ist der Montag nicht ideal, um komplizierte Aufgaben zu lösen. Am Dienstag haben sich Körper und Geist wieder an den Arbeitsalltag gewöhnt – da lassen sich kompliziertere Angelegenheiten besser erledigen, ebenso am Mittwoch. Wobei man ja nicht immer die Wahl hat.
Die amerikanische Wissenschaftlerin Teresa Amabile hatte vor einigen Jahren in einer Tagebuchstudie zahlreiche Teams monatelang begleitet und darüber ein Buch geschrieben. Eine Erkenntnis ihrer Forschung ist: Wenn man Fortschritte bei persönlich bedeutsamen Aufgaben macht, dann hebt das die Stimmung und hat eine vitalisierende Wirkung, egal an welchem Tag.
Wir Arbeitspsychologen von der Uni Leipzig entwickeln derzeit Assistenzsysteme, die eine personalisierte Rückmeldung geben, welche individuellen Faktoren eine Rolle für den eigenen Energieverlauf spielen. Daraus lassen sich neue Wege herleiten, weg von der One size fits all-Faustregel, die besagt, dass an allen Tagen gleichermaßen Aufgaben angegangen werden sollten, alles an jedem beliebigen Tag klappen müsse. Ich plädiere für maßgeschneiderte Empfehlungen, genau für die jeweilige Lebenslage und die individuelle Arbeitsmethodik – einschließlich der entsprechenden Wochentage.
Es wäre also wichtig, sich der wöchentlichen Vitalitätskurve anzupassen?
Ja. Zum Beispiel bei Mitarbeitergesprächen ist es wichtig, dass die Rahmenbedingungen stimmen, dass alle Beteiligten genügend Zeit mitbringen und gut vorbereitet sind. Außerdem sollten sie im besten Fall auch ausgeschlafen sein. Denn es gibt Studien, die belegen, dass Führungskräfte und Mitarbeiter sich in Abhängigkeit vom Schlaf der letzten Nacht zugewandter oder im Gegensatz auch kritischer gegenüber ihrem Team verhalten.
Das würde also gegen Meetings an einem Montag sprechen. Ein Brainstorming oder Gespräche über neue Vorhaben wären freitags passend, wenn die Woche hinter einem liegt, Aufgaben angegangen oder erledigt wurden. Das weitet den Blick und hilft, am Ende der Arbeitswoche produktiv und kreativ zu sein.
Wie können wir Gefühle und Einstellungen zu unliebsamen Wochentagen verändern?
Nehmen wir den Montag. Der Tag selbst ist ja nicht schuld an einer möglicherweise miesen Stimmung, sondern es ist die eigene Haltung zur Arbeit und den entsprechenden Aufgaben, ob man sie eben mag oder nicht. Bei anhaltendem Montagsblues sollte man generell etwas an den Gegebenheiten und Arbeitsabläufen ändern und sich fragen, ob der Job zu einem passt.
Da helfen Überlegungen wie: Wird meine Arbeit wertgeschätzt? Werde ich in Entscheidungen eingebunden? Wie viel Arbeit wird von mir erwartet? Wie klar sind meine Aufgaben? In vielen Berufen gibt es Spielräume, die Arbeit angenehmer zu gestalten, zum Beispiel mehr in jenen Aufgabenbereichen zu arbeiten, die einem liegen und Freude machen.
Die Arbeitszeiten sollten, wenn möglich, den eigenen Prämissen angepasst werden. Wenn ich ein Morgenmuffel bin und ungern früh aufstehe, macht es einen Unterschied, ob meine Kernarbeitszeit um sieben Uhr morgens oder um elf Uhr vormittags beginnt. Wenn der Job gut zu mir passt, wirkt sich das nicht nur positiv auf das eigene Befinden, sondern auch auf den Start in die Woche aus. Dann spielt die sinusförmige wöchentliche Energiekurve eine untergeordnete Rolle.
Wie ist es eigentlich, wenn man von Montag bis Donnerstag arbeitet? Wird der Donnerstag vom Gefühl her wie ein Freitag bei einer Fünftagewoche erlebt?
Ja, es gibt in diesem Fall den sogenannten Thank God, it’s Thursday-Effekt, obwohl der etwas schwächer ausgeprägt ist als bei einer Fünftagewoche. Wir haben Untersuchungen durchgeführt, ob sich die Wochentagseffekte für Arbeitnehmerinnen in Teilzeit anders darstellen. Wir fanden keine größeren Abweichungen zur durchgängigen, üblichen Arbeitswoche von Montag bis Freitag.
Das Ende der Arbeitswoche ist generell ein psychologisch wichtiger Punkt, egal wie viele Tage man hinter sich hat. Wie stark man den Kontrast zwischen Wochenende und Arbeitswoche empfindet, ist eine Frage der Work-Life-Balance.
Wie kommt es, dass wir Wochentage verwechseln, meistens jedoch nur die in der Mitte der Woche?
Es betrifft zumeist Dienstag, Mittwoch und Donnerstag. An diesen Tagen liegen wir nicht selten daneben: Unser Mittwoch ist tatsächlich ein Dienstag. Da fehlen markante Eckpunkte, vor allem die Nähe zum kommenden oder vergangenen Wochenende. Dagegen werden Montag und Freitag kaum mit anderen Werktagen verwechselt, weil beide Übergänge bilden zwischen dem Wochenende und der Arbeitswoche, das macht sie eindeutig.
Was wäre, wenn wir das festgelegte System von Arbeits- und arbeitsfreien Tagen auflösten, würde es uns besser gehen?
Anfang der dreißiger Jahre hat man in der Sowjetunion eine nur aus fünf Tagen bestehende Woche eingeführt – die sogenannte nepreryvka, was so viel wie „die Ununterbrochene“ heißt. Da hatte jede Arbeiterin und jeder Arbeiter an einem anderen Tag der Woche frei. Die Idee war gewesen, dass die Maschinen nie stillstehen und die Produktivität steigen sollte. Doch eines hatte man nicht bedacht: dass eben nur 20 Prozent der Bevölkerung auf einen gemeinsamen freien Tag kamen. Das sorgte für Unmut, für Chaos und die Produktivität sank.
In einem Zeitungsartikel brachte es ein Mann auf den Punkt: „Was nützt mir mein freier Tag, wenn meine Frau auf Arbeit ist, meine Kinder in der Schule sind und meine Freunde mich nicht besuchen können?“ Das Zitat zeigt uns, dass synchronisierte Rhythmen in einer Gesellschaft sehr zum Wohlbefinden aller beitragen. Diese fließende Fünftagewoche in der Sowjetunion wurde nach zwei Jahren wieder abgeschafft.
Könnte man den Wochentagen Farben zuordnen?
In meinem Umfeld höre ich, der Dienstag sei gelb, der Mittwoch grün, der Sonntag rot, mal abgesehen vom Blau des Montags. Für andere wiederum ist der Montag gelb und der Dienstag rosa. Die Farbwahl gestaltet sich recht uneinheitlich. Ich selbst finde eine bestimmte Farbgebung für die einzelnen Tage unangebracht, denn jeder von uns verbindet mit einer bestimmten Farbe andere Assoziationen. Das tägliche Erleben ist vielschichtiger und komplexer, als es die Typenlehre abbilden kann.
Kann einem die bevorstehende Arbeitswoche auch das gesamte Wochenende vermiesen?
Sie meinen die Sunday scaries, die beginnende innere Unruhe am Sonntag? Ja, wenn man sich da bereits gedanklich wieder mit dem Job beschäftigt, das E-Mail-Postfach checkt, sortiert und Anfragen beantwortet. Wir haben uns dieses Phänomen wissenschaftlich genauer angesehen und für eine Studie Teilnehmer im Verlauf des Wochenendes dazu befragt, inwiefern sie sich angespannt, nervös oder gereizt fühlten.
Wir stellten einen u-förmigen Wochenendverlauf fest: Am Beginn des Samstags ging die Anspannung zurück und stieg gegen Sonntagabend wieder an. Das heißt, die Befragten gewannen Abstand von der Arbeit bis zur Mitte des Wochenendes, der dann wieder zunehmend kleiner wurde.
Wie kann man trotz einer bevorstehenden stressigen Arbeitswoche das Wochenende genießen und den Montag erst einmal ausblenden?
Dieses Wiederannähern an die Arbeit hängt unter anderem mit den unerledigten Aufgaben zusammen, deren Bearbeitung wieder konkreter wird, je näher der Wochenbeginn rückt. Meine Kollegin Christine Syrek und ich haben herausgefunden, dass sich Berufstätige am Wochenende besser erholen, wenn sie am Samstag oder Sonntag mit bis dahin unerledigten Aufgaben vorangekommen sind.
Das bedeutet jedoch nicht, am Wochenende weiterzuarbeiten, weil das einen hohen Preis hat! Was helfen kann, ist, freitags eine To-do-Liste beziehungsweise einen Plan für die nächste Woche anzulegen, um in der Freizeit besser abschalten zu können.
Wie verhält es sich mit den Feiertagen: Macht es einen Unterschied, ob Heiligabend auf einen Sonntag oder Dienstag fällt?
Die Besonderheiten der einzelnen Wochentage treten im Urlaub oder in den Ferien in den Hintergrund. So ist ein Montagsblues am Ostermontag recht unwahrscheinlich. Die Bedeutung der Wochentage ergibt sich über die Arbeit hinaus daraus, dass sie mit bestimmten Routinen verbunden sind, zum Beispiel Sportkurs am Dienstag oder gemeinsames Frühstück im Team am Freitag. Solche Abläufe werden an freien Tagen und Feiertagen unterbrochen.
Zunächst macht es keinen großen Unterschied, ob Weihnachten nun auf einen Montag oder Sonntag fällt. Selbst wenn es nur ein „einfaches Wochenende“ ist, die meisten nehmen ein paar Tage Urlaub zwischen den Jahren, und so kommt schon das Gefühl einer kleinen Auszeit auf.
Wir haben vor einigen Jahren untersucht, wie es um den Erholungswert rund um Weihnachten aussieht. Das Erstaunliche war, dass das Wohlbefinden bereits in der Adventszeit anstieg. Ähnlich wie beim Thank God, it’s Friday-Effekt spielt also Antizipation zukünftiger Ereignisse eine wichtige Rolle, teilweise bereits lange vor dem eigentlichen Ereignis.
Haben Sie einen Lieblingswochentag?
Bei mir liegt der Freitag ganz weit vorne. Der Tag hat für mich etwas von Aufbruch, der Entwicklung kreativer Ideen und Planung neuer Vorhaben. Das gelingt mir persönlich freitags gut, weil weniger Routineaufgaben anstehen und auch weniger Termine stattfinden als an anderen Tagen. Aber eigentlich hat jeder Tag seinen besonderen Charme.
Am Mittwoch das Bergfest feiern
Warum wir in einem Wochenrhythmus leben und eine Woche sieben Tage hat
Kalender
Ein Bewusstsein dafür, dass sich in der Natur Ereignisse zyklisch wiederholen, hatten Menschen vermutlich schon immer. Archäologen vermuten, dass es Kalender bereits etwa 8000 vor Christus gab. Damals wurden Pfähle in Löcher gesteckt, mit denen die Positionen des Mondes zu bestimmten Zeitpunkten angezeigt wurden. Vorläufer der heute bekannten Kalender wurden in den Jahrhunderten vor Christus entwickelt, beispielsweise in Ägypten und Babylonien oder im antiken Rom.
Grundlage war die Beobachtung, dass ein Mondzyklus, in dem der Mond alle Phasen durchläuft, gut 29 Tage dauert. Dieser Zeitraum wurde in den historischen Kalendern häufig durch die Zahl sieben geteilt, vermutlich weil damals sieben Himmelskörper bekannt waren: Mond, Sonne, Mars, Jupiter, Saturn, Merkur, Venus. So entstand die Sieben-Tage-Woche, die bis heute unser Leben strukturiert.
Gregorianischer Kalender
Benannt ist er nach Papst Gregor XIII., der ihn im Jahr 1582 erstmals verordnete. Er gilt als der heute weltweit am meisten verwendete und wurde mit dem Ziel erstellt, die Länge des Kalenderjahres mit seinen gleich langen Einheiten noch besser an die beobachtete Länge des Sonnenjahres anzupassen, damit beide auf Dauer nicht zu sehr auseinanderdriften.
Der gregorianische Kalender diente auch bei der ISO-Norm 8601 als Grundlage, die festlegt, dass der Montag immer der erste Tag einer neuen Kalenderwoche ist, und außerdem als normgerechtes numerisches Datumsformat YYYY-MM-DD vorgibt – für den Ersten Mai dieses Jahres wäre das also 2022-05-01 –, um international Missverständnisse zu vermeiden.
Die Wochentage
Die meisten deutschen Tagesnamen gehen auf germanische Bezeichnungen von Gottheiten zurück, so stammt etwa Donnerstag von Donar und Freitag entweder von der Göttin Frija oder Freya. Ausnahmen sind der Samstag, der auf den jüdischen Sabbat zurückgeführt wird, und der Mittwoch, der nach der jüdisch-christlichen Zählung der Tage in der Mitte der Woche liegt.
Montag: In den meisten Kulturen beginnt die Woche an einem Montag, einige definieren den Sonntag als ersten Wochentag.
Dienstag: In den USA wird stets an einem Dienstag gewählt.
Mittwoch: An diesem Tag feiern Menschen im Netz das Bergfest. Der Begriff steht für das Gefühl, dass man an einem Mittwoch etwa die Hälfte der wöchentlichen Arbeit geschafft hat, es also von jetzt an abwärts und damit leichter geht.
Donnerstag: Einige religiöse Feiertage wie beispielsweise Fronleichnam fallen in Deutschland immer auf einen Donnerstag. An diesem Wochentag starten hierzulande neue Kinofilme.
Freitag: Für viele ist es heutzutage ein angenehmer Tag mit der Aussicht aufs Wochenende. Der Karfreitag zählt im Christentum zu den höchsten Feiertagen. Im Judentum dient der Freitag der Vorbereitung des Sabbats. Im Islam ist es der Tag, an dem gemeinsam gebetet werden soll.
Samstag: Er ist in Deutschland rechtlich ein Werktag, wird jedoch bei Fristen behandelt wie ein Sonn- oder Feiertag. In vielen Berufen wird samstags nicht gearbeitet.
An Sonntagen dürfen Arbeitnehmende laut deutschem Arbeitszeitgesetz nicht beschäftigt werden (Sonntagsruhe). Es gibt viele, ebenfalls gesetzlich geregelte Ausnahmen.
Oliver Weigelt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Wilhelm-Wundt-Institut für Psychologie der Universität Leipzig. Er erforscht arbeitsbezogenen Stress, die Arbeit im Wochenrhythmus sowie die Erholung von der Arbeit in der Freizeit.