Herr Gürtler, wann ist denn der richtige Zeitpunkt, um in Rente zu gehen?
Bei den meisten Angestellten ist das Arbeitsende vorgegeben. In den jährlichen Zwischenbescheiden der Rentenversicherung kann man das herbeigesehnte oder drohende Arbeitsende schwarz auf weiß lesen. Immerhin haben Angestellte oft die Möglichkeit, über betriebliche Altersteilzeitmodelle einen sanften Übergang zur Rentenzeit einzuleiten. Bei Selbständigen ist das anders, sie bestimmen das Wann oder Wie des Karriereendes weitgehend…
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einzuleiten. Bei Selbständigen ist das anders, sie bestimmen das Wann oder Wie des Karriereendes weitgehend selbst.
Diese Fragen sind individuell zu beantworten und dabei besteht schon eine gewisse Gefahr, nicht loslassen zu können. Ich denke da etwa an Firmenpatriarchen oder -patriarchinnen, Schreinerei- oder Hofbesitzer, die nicht übergeben können, während die Nachkommen schon ihre Alleinverantwortung wahrnehmen wollen, aber immer noch den Segen „der Alten“ brauchen.
Wovor haben solche Menschen Angst?
Wie der Psychotherapeut Irvin D. Yalom beschrieben hat, gibt es verschiedene existenzielle Grundkonflikte, die allesamt Quellen der Angst darstellen können. Einer dieser Konflikte liegt zwischen dem Bedürfnis nach Freiheit einerseits und nach Ordnung oder Struktur andererseits. Die Rente ermöglicht zeitliche und inhaltliche Freiräume, die gleichzeitig mit einem wesentlichen Verlust von Struktur einhergehen. Beim Beginn der Berufstätigkeit war es genau andersherum: Wir verloren an zeitlicher Flexibilität, gewannen dafür aber an Alltagsstruktur.
In beiden Lebensphasen geht es darum, eine passende Balance in diesem Grundkonflikt zu finden. Eine weitere Quelle der Angst entsteht Yalom zufolge im Spannungsfeld von Nähe und Einsamkeit, das sich in der Rente noch mal verändert. Die Arbeit gibt, teils auch unbewusst, einen starken sozialen Halt. Nach jahrelanger, gar jahrzehntelanger Zusammenarbeit bestehen Beziehungen mit Menschen aus dem Job.
Geht es nicht auch um Bedeutungsverlust?
Die Furcht vor einem Bedeutungsverlust schwingt oft mit, wenn der Beruf eine zentrale Säule der Identität und des Selbstwerts darstellt. Dies ist sicherlich bei vielen Babyboomerinnen der Fall, die sich beruflich viel mehr selbstverwirklichen konnten als ihre Eltern. Um ein persönliches Beispiel zu geben: Ein halbes Jahr vor meiner eigenen Berentung hatte ich eine mentale Krise, weil mich die Frage nach meiner zukünftigen Bedeutung quälte. In der Klinik fühlte ich mich wichtig: „Ich war wer!“ Wie würde das in Zukunft sein?
Es waren nicht materielle Ängste, sondern die Sorge um mein Selbstbild, die mich schlaflos machte. Das klingt ein bisschen eitel und ist es vielleicht auch. Generell denke ich, dass das biografische Narrativ eine Rolle spielt: Habe ich mich dank sozialdemokratischer Bildungspolitik vom Bauernsohn zum leitenden Angestellten hochgearbeitet, dann kann das eine tolle Lebensleistung sein, die mich mit Stolz erfüllt. Ebenso wenn ich mich als Mädchen über die Emma und feministischen Zeitgeist vom Hausfrauendasein der fünfziger Jahre befreit habe und als Doktorin in Rente gehe.
Andererseits kann für solche Karrieren mit hohem Ansehen oder Sozialprestige der Übergang ins Rentendasein einen Bedeutungsverlust mit sich bringen, der verarbeitet werden muss. Wer oft um seinen fachlichen Rat gefragt wurde und gewohnt war, Anweisungen zu geben, der wird die Veränderung eventuell auch als Verlust erleben.
In den kommenden zehn Jahren gehen in Deutschland mehr als sieben Millionen Babyboomer in Rente. Was zeichnet die neuen Rentner und Rentnerinnen aus?
Unter Babyboomern verstehen wir hierzulande Menschen, die zwischen 1955 und 1969 geboren wurden. Eine Gemeinsamkeit ist, dass sie sich im Vergleich zu ihrer Elterngeneration finanziell und zeitlich vieles während des Berufslebens leisten konnten. Auch in der Rente stehen ihnen mehr Möglichkeiten zur Verfügung, um Reisen, Kultur und andere Freizeitaktivitäten nach den eigenen Vorstellungen zu genießen.
Durch eine längere Lebenserwartung haben sie auch mehr Zeit, diese Vorhaben umzusetzen. Frühere Generationen, die vom Zweiten Weltkrieg und den Nachkriegsjahren geprägt waren, verfügten in jungen Jahren über wenig Geld, Mobilität und Fremdsprachenkenntnisse. Sie haben versucht, im Alter Träume nachzuholen. Das müssen Babyboomerinnen nicht.
Ist die Mentalität „In der Rente lasse ich es mir dann gutgehen“ also nicht mehr zeitgemäß?
Da würde ich Ihnen zustimmen, zumindest was die meisten Akademiker betrifft. Ihr Motto wird eher lauten: In der Rente lasse ich es mir erst recht gutgehen. Ich nehme häufig eine Entschlossenheit wahr, dass man sich dem Alter nicht hingeben will.
Entwicklungspsychologisch betrachtet ist Altern viel mehr als Prozess zu begreifen denn als Kategorie. Markiert der Renteneintritt trotzdem den Beginn des Altseins?
Aus kultureller und individueller Perspektive: ja. Mit dem Renteneintritt beginnt ein neuer Lebensabschnitt, der bis ins hohe Alter reicht und eine neue Gruppenzugehörigkeit schafft. In Statistiken wird das höhere Alter meist ab 60 oder 65 Jahren beziffert. Doch alt ist nicht gleich alt: Wenn Sie als Mann in Deutschland mit 65 Jahren in Rente gehen, beträgt Ihre durchschnittliche Lebenserwartung noch 14 Jahre. Als Frau können Sie sich sogar auf 18 Jahre freuen.
Der Entwicklungspsychologe und Alternsforscher Paul Baltes hat das Alter in zwei Phasen geteilt. Etwa vom 60. bis zum 75. Lebensjahr erleben wir die „Belle Époque“: eine Blütezeit des Alterns, in der wir meist noch frei von gesundheitlichen Einschränkungen sind. Ab dem 75. bis 80. Lebensjahr sprach Baltes dagegen von „Hoffnung mit Trauerflor“: einer Phase des Lebens, in der Verluste und auch der Tod an Präsenz gewinnen und in dem eine neue Auseinandersetzung mit dem Altern erforderlich wird.
Wie alt fühlen sich denn die angehenden Rentnerinnen?
Das Gefühl weicht oft vom Alter ab, das im Ausweis steht. Studien zufolge empfinden wir uns mit Ende 50 als knapp 10 Jahre jünger. Viele stellen beim Blick in den Spiegel fest: Ich sehe älter aus als früher, fühle mich aber nicht so. Mit steigendem Alter wird die Diskrepanz zwischen subjektivem und objektivem Alter immer größer. Der Eindruck „Ich bin alt“ schiebt sich mittlerweile weit über die 70 hinaus.
Wenn körperliche Beeinträchtigungen oder Erkrankungen vorliegen, empfinden sich Menschen durchaus auch in jungen Jahren als alt. Doch der „gesunde Alte“ fühlt sich jünger – insbesondere wenn Gleichaltrige im Umfeld noch fit sind. Dementsprechend sehe ich im Rentenalter oft eine Anspruchshaltung, dass da noch was kommt.
Provokant gefragt: Was soll da noch kommen?
Wie die alle fünf Jahre durchgeführte Generali-Altersstudie zeigt, lag die durchschnittliche Lebenszufriedenheit bei Personen über 65 Jahren zuletzt bei 7,8 Punkten. Die Skala reicht dabei von 0 (sehr unzufrieden) bis 10 (sehr zufrieden). Was diese Zufriedenheit ausmacht, ist vielseitig: Gesundheit, Freude an Enkelkindern oder mehr Zeit für Partnerschaft und Hobbys.
Wichtig finde ich, dass Zufriedenheit nicht gleichbedeutend ist mit Glück. Die Frage „Bist du glücklich?“ ist emotional so aufgeladen, dass sie für viele schwierig zu beantworten ist. So liefert die Generali-Altersstudie darauf keine Antworten. Doch die Zufriedenheit mit dem Leben im Großen und Ganzen scheint im Rentenalter hoch zu sein.
Psychologinnen sprechen vom Wohlbefindensparadox: Im Durchschnitt unterschätzen wir in der Jugend, wie hoch unsere Lebenszufriedenheit im Alter sein wird. Später sind wir erstaunt, dass es damit noch mal bergauf geht.
Selbstverständlich gibt es bis ins hohe Alter hinein positive Überraschungen darüber, wie wir uns selbst und unsere Umwelt erleben. Gleichzeitig spreche ich mich ähnlich wie der Alternsforscher Baltes gegen eine happy gerontology aus. Man muss sich nicht in die Tasche lügen, dass Altern per se schön ist. Es ist eine Frage der kognitiven und emotionalen Bewältigung: Nehme ich die Veränderungen an mit ihren Vorteilen, aber auch mit ihren Einschränkungen?
Zählt das empty desk syndrome zu den zentralen Herausforderungen des Renteneintritts?
Vom empty desk syndrome spricht der Psychologe Otto Quadbeck, wenn Menschen nach dem Ende ihres Berufslebens in ein tiefes Loch fallen. In Analogie zum sogenannten empty nest syndrome, bei dem die Kinder das Haus verlassen haben, wird hier Bezug auf den leeren Schreibtisch genommen. Meiner Ansicht nach ist es irreführend, von einem Syndrom zu sprechen. Das ist pathologisierend, ähnlich wie die frühere Bezeichnung „Rentnerneurose“. Berentung ist keine Krankheit, Alter an sich auch nicht, und der Zustand der Umstellung auf neue Lebensverhältnisse kann zwar kritisch sein, ist aber wie die Pubertät Teil der Biografie.
Bei meiner Arbeit in der Gerontopsychiatrie gab es durchaus Patientinnen, die am Beginn der Rente standen und damit gekämpft haben. Diese Menschen hatten jedoch meist eine klinische Vorgeschichte, mit bestimmten Vorbelastungen oder Persönlichkeitsstrukturen.
Welchen Einfluss hat die Berentung auf die Persönlichkeit?
Hierzu gibt es verschiedene spannende Studien, wobei die Faktenlage nicht konsistent ist. Meiner eigenen Erfahrung nach ist die Rentenzeit zwar biografisches Neuland, aber wir bleiben im Wesentlichen der- oder dieselbe. Habe ich früher Geselligkeiten gemieden, werde ich nicht plötzlich zum Partylöwen. Wenn ich eine Couch-Potato war, mutiere ich wahrscheinlich nicht zur Extremsportlerin. Wer in jüngeren Jahren viel innere Getriebenheit empfunden hat, wird sie auch in der Rente spüren und sich deshalb ähnlichen Situationen aussetzen wie zuvor.
Befragungen zufolge möchten 25 Prozent der Babyboomer nach Beginn der Rente weiterarbeiten. Woher kommt die Unruhe?
In einer durchgetakteten Gesellschaft müssen wir schon schwer an uns selbst arbeiten, um nicht im gleichen Stress zu bleiben. Unternehmen wie BMW bieten extra Seminare dafür an, wie man in der Rente vom hohen Arbeitsniveau runterkommt. Die Angewohnheit, den Tag zu strukturieren und Erledigungen zu tätigen, hilft vielen. Man kann sich aber auch so zwanghaft an ihr festhalten, dass sie zur Belastung wird.
Interessanterweise scheinen Babyboomer medial ansprechbar auf Begriffe wie „erfolgreiches Altern“ zu sein. Erfolg im Beruf war ein Auftrag im Nachkriegs-Wirtschaftssystem. Dauerndes Wachstum und kapitalistisches Produktivsein sollen sich nun in erfolgreichem Altern fortsetzen.
Das klingt nach Druck. Von wem geht er aus?
Zum einen von Gleichaltrigen, die fragen: Wollt ihr die Rente etwa nur zu Hause auf dem Balkon oder im Garten verbringen? Das sind häufig diejenigen, die schon länger Pläne für den Ruhestand hatten: beim Hausbau ihrer Kinder helfen, viel reisen oder jeden Tag ins Kino oder Theater gehen. Man ist dann eher der Exot, wenn man die freie Zeit, die man in der Rente geschenkt bekommt, nicht entsprechend nutzt. Zum anderen gibt es zahlreiche Ratgeber, die überschäumend optimistisch geschrieben und meist mit überfitten, strahlenden Alten bebildert sind.
Unterstrichen wird das Ganze durch einen medizinisch fundierten Anti-Aging-Lifestyle mit Fitness durch gezielten Muskelaufbau und kognitivem Training zur Demenzvorbeugung. Diesen propagierten Lebensstil der rastlosen „Silver Ager“, wie es im Marketing heißt, möchte man mitmachen. Man will trotz silbergrauem Haar dem Motto folgen: Rausholen, was noch geht, um bloß nicht zu den gebrechlichen Alten zu gehören.
Das passt zu Studienergebnissen, wonach in der Allgemeinbevölkerung viele negative, aber auch einseitige positive Altersstereotype vorherrschen. Welche kulturellen Perspektiven prägen unsere Sicht auf das Alter?
Simone de Beauvoir, die viele Babyboomerinnen beeinflusst hat, schrieb schon vor 50 Jahren über Perspektiven auf das und Umgangsformen mit dem Alter in historischen Gesellschaften. In ihren Recherchen spiegeln sich sowohl Würdigung als auch Ausgrenzung wider. Eine kulturvergleichende Studie der Robert-Bosch-Stiftung über Altersbilder kam zum Ergebnis, dass in allen untersuchten Ländern mit dem Alter sowohl Gewinne als auch Verluste, sowohl Potenziale als auch Belastungen für die Gesellschaft assoziiert wurden.
So meint Cicero in Cato maior de senectute, dass die Krönung des Alters das Ansehen sei. Fast 2000 Jahre später schreibt der italienische Philosoph Norberto Bobbio: „Wer das Alter preist, hat ihm noch nicht ins Gesicht gesehen.“ Insofern pendelt unser Umgang mit dem Alter immer zwischen Abschiebung ins Siechenheim und hochschätzender Würdigung. Ich denke, es fehlt eine Kultur des realistischen Alterns, die Raum für die Zwischentöne lässt.
Wie könnte das ideale Älterwerden aussehen?
Für mich bedeutet es, möglichst selbstbestimmt zwischen Zuständen von Aktivierung und Disengagement zu wechseln. Das heißt, auf der einen Seite das Sozialleben zu gestalten und Handlungsspielräume zu nutzen, sich auf der anderen Seite aber auch auf sich selbst zu besinnen und sich äußeren Erwartungen zu entziehen.
Ich stelle mir einen Menschen vor, der um seine Ecken und Kanten weiß und trotzdem alles in allem mit sich im Reinen ist. Eine Person, die ihr Leben als reich betrachtet, wenn auch nicht ohne Brüche und Krisen. Durch das Gefühl, das ein oder andere bewältigt und geleistet zu haben, kann sie sich einer gewissen Ernte erfreuen, die sie zum Ende des Arbeitslebens eingefahren hat.
Welche Rolle spielt beim Ausscheiden aus dem Beruf die fear of missing out, die Angst, etwas zu verpassen?
Es gibt nicht nur die Angst, etwas zu verpassen, sondern auch die, etwas verpasst zu haben. Sie ist in dieser Lebensphase oft zentraler. Aus zahlreichen Therapiegesprächen ist mir bewusst, dass niemand alles erleben kann. Sonst würde man sich und das Leben überfordern. Unsere psychische Kapazität und Tragbarkeit sind begrenzt. Aus einer eher melancholischen Haltung kann man sich vorwerfen: Hier hätte ich eine Weichenstellung vornehmen sollen. Eine optimistischere Perspektive wäre, Möglichkeiten zu sehen, die man vielleicht hatte, und zugleich zu sehen, dass man damals gar nicht die Energie, den Wunsch oder die Zeit hatte, sie alle umzusetzen.
In langjährigen Paarbeziehungen kann im Einzelfall das Gefühl aufkommen: Der andere hat mir ein Stück weit mein Leben versaut und jetzt möchte ich die verbleibenden 10, 20 Jahre freier entscheiden können. Dass eine neue Partnerschaft einen völlig verändert, Bitterkeit und Ängste nachhaltig aus dem Weg räumt, halte ich jedoch für einen Trugschluss.
Die Generation 50 plus macht mehr als die Hälfte der Nutzer von Onlinedatingportalen aus. Ist die Frage danach, mit wem ich alt werden will, mit 65 Jahren nicht viel drängender als beispielsweise mit 25 Jahren?
Rein statistisch betrachtet gibt es heute mehr Scheidungen, auch nach 30- bis 40-jährigen Beziehungen. Doch es scheint mir kein Trend zu sein, im Rentenalter seine Beziehung grundsätzlich auf den Prüfstand zu stellen. Eine langfristige Partnerschaft ist eine Herausforderung. Doch sie stellt Studien zufolge für die meisten Menschen auch eine zentrale Ressource dar. Wenn sich beide darauf einlassen, besteht die Chance der weiteren „Co-Evolution“, der gemeinsamen persönlichen Weiterentwicklung, wie es der Schweizer Paartherapeut Jürg Willi einmal genannt hat.
Man kann sich zum Beispiel auch im Alter noch fragen, was man sich vom anderen abschauen kann: Wie schafft es meine Partnerin, sich aufzurappeln? Welche guten Angewohnheiten hat sie? Bei welchem Ausflug, Kulturevent oder Treffen könnte ich mich ihr anschließen?
Welche Veränderungen und Potenziale bringt das Rentenalter für die Partnerschaft?
Wenn die Rente bei einem oder beiden beginnt, gestalten sich oft auch die Rollen im Alltag neu. Wichtig ist hierbei die Aufgabenteilung, etwa im Haushalt oder bei Organisatorischem. Gerade wenn es keine Enkelkinder oder pflegebedürftigen Angehörigen gibt, steht viel Zeit zur Verfügung, die man auch gemeinsam gestalten kann. Somit gibt es mehr Gelegenheit, unterschiedliche Standpunkte zu diskutieren und zusammenzuführen, einander tiefer zuzuhören, zu streiten. Das alles bedeutet meist eine bessere Beziehung.
Emotional kann sich die Partnerschaft insofern verändern, dass eine stärkere Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der oder des anderen notwendig ist, damit man sich nicht gegenseitig einengt. Das Bewusstsein, sich im Alter stützen zu müssen und auch zu wollen, wächst. Wenn die Paarbeziehung eine größere zeitliche Bedeutung und damit ein größeres emotionales Gewicht bekommt, ähnelt sie im Aufeinanderbezogensein wieder den Jugendjahren. Weil die Energie nicht mehr für die Arbeit verbraucht wird, bleibt sie füreinander, um die Sehnsucht nach dem Verstandenwerden zu stillen und zu reden: über alte Zeiten, aber auch über Visionen und Wünsche.
Zum Weiterlesen
Generali Deutschland AG (Hg.): Generali Altersstudie 2017. Wie ältere Menschen in Deutschland denken und leben. Springer, Berlin 2017
Klaus Gürtler: Psychotherapie im Alter: Von der Dualität des Alterns. Deutsches Ärzteblatt, PP 17/4, 2019, 170–172
Dr. Klaus Gürtler ist als Dozent tätig sowie als Vorstand der Stiftung Alzheimer Demenz: Pflege und Forschung. Er hat im Regensburger Bezirksklinikum am Zentrum für Altersmedizin gearbeitet und ist seit drei Jahren in Rente