Beziehungsfähig!

Jeder hat das Potential, mit einem anderen glücklich werden – vorausgesetzt, er macht sich mit seiner Bindungsgeschichte vertraut. ​

Julia und Robert lernten sich auf einer After-Work-Party kennen, sie tanzten und flirteten den ganzen Abend. Robert war total Julias Typ: Markant, männlich und selbstbewusst. Julia stand in Flammen, für sie war es Liebe auf den ersten Blick. Auch Robert fand Gefallen an Julia, und so wurden sie nach wenigen Dates ein Paar. In der Anfangszeit klebten sie förmlich aneinander und liebten sich leidenschaftlich. Nach einigen Monaten des rauschhaften Glücks träumte Julia von einer gemeinsamen Zukunft und sprach…

Sie wollen den ganzen Artikel downloaden? Mit der PH+-Flatrate haben Sie unbegrenzten Zugriff auf über 2.000 Artikel. Jetzt bestellen

liebten sich leidenschaftlich. Nach einigen Monaten des rauschhaften Glücks träumte Julia von einer gemeinsamen Zukunft und sprach öfter davon zusammenzuziehen. Robert reagierte jedoch zögerlich und ausweichend auf ihre Wohnungspläne.

Auch sein Verhalten veränderte sich: Er meldete sich seltener, sein Handy war öfter ausgeschaltet. Im Bett war er zunehmend lustlos, was er mit zu viel Stress bei der Arbeit begründete. Julia hatte das Gefühl, dass Robert ihr zunehmend entglitt. Sie verspürte heftige Verlustangst, und ihre Liebe zu ihm wurde umso intensiver. Sie suchte oft das Gespräch mit ihm, er reagierte jedoch auf ihre Fragen ausweichend und verschlossen. Julia geriet psychisch aus der Balance, sie fühlte sich unsicher und hilflos. Immer häufiger kam es zu Szenen und Tränen. Eines Abends eröffnete Robert Julia, dass er sich trennen wolle – er sei beziehungsunfähig. Für Julia brach die Welt zusammen.

Seit Erscheinen des Bestsellers Generation beziehungsunfähig von Michael Nast ist Beziehungsunfähigkeit ein Thema. Nast ist überzeugt, dass der Perfektionismus und der Selbstoptimierungswahn in unserer Gesellschaft, vor allem in der jungen Generation, exorbitant seien und diese deswegen immer bindungsunwilliger würde. Die jüngere Generation suche nach dem perfekten Partner, den es aber leider nicht gebe. Außerdem werde, vor allem von jungen Männern, die Aussage: „Ich bin beziehungsunfähig!“, häufig als Ausrede für eine schlichte Bindungsunwilligkeit benutzt. Dating Portale wie Tinder und Co täten ihr Übriges hinzu, dass die Beziehungen immer oberflächlicher und unverbindlicher würden. „Beziehungsunfähig“ ist sozusagen die Migräne des Mannes. Michael Nast schreibt aus seiner persönlichen Erfahrung, und wie seine große Anhängerschaft zeigt, können viele seine Erfahrungen teilen.

Schwierige Beziehungen hat es schon immer gegeben

Die Phänomene, die Nast in seinem Buch beschreibt, sind folgende: die Suche nach dem perfekten Partner; plötzliches Abtauchen nach den ersten Dates; Promiskuität; Unverbindlichkeit und heftige Wechsel von Nähe und Distanz. All dies sind tatsächlich typische Symptome von Bindungsangst. Ist es aber wirklich so, dass die jüngere Generation bindungsängstlicher ist – oder gab es Bindungsängste nicht schon immer? Könnte es nicht sein, dass die Beziehungsunfähigkeit heute nur anders ausgelebt wird als früher? Schwierige Beziehungen und kaputte Ehen hat es schon immer gegeben, und man darf nicht die Dauer einer Partnerschaft als Kriterium für Beziehungsfähigkeit heranziehen.

Heutzutage trennen sich Paare zwar häufiger und schneller, aber nicht weil die Menschen weniger beziehungsfähig sind, sondern weil ihre Ansprüche an die Beziehungsqualität gestiegen sind. Dies hat etwas mit der wachsenden Unabhängigkeit von Frauen zu tun, die sehr viel seltener als früher geneigt sind, in einer unglücklichen „Versorgungsehe“ auszuharren. Die meisten Scheidungen werden von Frauen eingereicht. Außerdem ist auch das gesellschaftliche Korsett viel loser geworden: Kein Mensch muss heutzutage heiraten und eine Familie gründen, um als ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft zu gelten.

Auch die Sexualität kann heute viel freier und unverbindlicher ausgelebt werden. Das Internet macht die Anbahnung mühelos. Aber all diese Umstände tragen nicht dazu bei, dass die Menschen grundsätzlich beziehungsängstlicher werden, sondern sie machen es den Betroffenen lediglich leichter, mit ihrer Beziehungsangst zu leben. Es gibt also nicht mehr Beziehungsängstliche als früher, sie sind nur in unserer modernen Gesellschaft besser sichtbar.

Beziehungsfähigkeit lernen wir im Elternhaus

Beziehungsunfähigkeit entsteht nicht durch das Internet mit seinen vielen Wahlmöglichkeiten und auch nicht durch das Leben in der Großstadt. Beziehungsfähigkeit ist etwas, das man im Elternhaus lernt. Dort erfahren wir, ob wir liebenswerte Wesen sind und ob wir zwischenmenschlichen Beziehungen im Großen und Ganzen vertrauen können. Die Prägungen, die wir durch unsere Eltern bekommen, beeinflussen unser späteres Beziehungsleben ganz erheblich. Die Bedingungen für Kinder sind in den letzten Jahrzehnten jedoch nicht schlechter geworden. So sind die Eltern jüngerer Generationen wesentlich besser darüber informiert, was Kindern guttut, und sie gehen einfühlsamer mit ihrem Nachwuchs um, als es noch die häufig traumatisierten Eltern der Nachkriegsgenerationen taten.

Das Wissen über Kindererziehung hat unglaublich zugenommen, und auch in bildungsfernen Schichten hat sich herumgesprochen, dass es nicht gut ist, seine Kinder zu schlagen. Dem steht zwar eine höhere Scheidungsrate gegenüber, aber – auch das haben zahlreiche Studien ergeben – eine Scheidung ist für Kinder besser zu ertragen als ein Dauerstreit der Eltern. Eine hochzerstrittene Beziehung der eigenen Eltern ist übrigens eine häufige Ursache von Bindungsangst.

Klaus Grawe, der bekannte und leider früh verstorbene Psychotherapieforscher, postulierte, dass der Mensch über vier psychische Grundbedürfnisse verfügt: Das Bedürfnis nach Bindung. Das Bedürfnis nach Autonomie und Kontrolle. Das Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung. Und das Bedürfnis nach Lustgewinn oder Unlustvermeidung. Diese Bedürfnisse interagieren miteinander und sind somit nicht unabhängig voneinander zu betrachten.

Selbstwertgefühl und Vertrauen

Wenn Eltern ihr Kind liebevoll versorgen, dann erfüllen sie nicht nur dessen Bindungswunsch, sondern stärken auch sein Selbstwertgefühl. Das Kind fühlt sich geliebt und angenommen und entwickelt die Überzeugung: Ich bin okay! Wenn es den Eltern dann noch gelingt, ihr Kind auch in seiner autonomen Entwicklung zu fördern, es also zu einem selbständigen Menschen zu erziehen, dann hat auch dies einen sehr positiven Effekt auf dessen Selbstwerterleben.

Das Kind lernt hierdurch, dass es im positiven Sinne Macht hat, etwas bewirken und sich behaupten kann. Im Vertrauen auf seine Abgrenzungsfähigkeit fühlt es sich zwischenmenschlichen Beziehungen nicht ausgeliefert, sondern weiß, dass es diese mitgestalten kann. Die elterlichen Prägungen, die man in der Kindheit erwirbt, werden in der Psychologie mit dem Persönlichkeitsanteil des „inneren Kindes“ beschrieben. Jeder trägt solche Prägungen in sich – positive wie negative –, und sie sind ein wesentlicher Teil eines inneren „Beziehungsprogramms“.

Menschen, deren Bindungs- und Autonomiebedürfnisse durch die Eltern gut erfüllt worden sind, erlernen ganz automatisch jene sozialen Fähigkeiten, die für die Bindung und für die Autonomie wichtig sind. Zwischenmenschliche Bindungen verlangen, dass die Beteiligten aufeinander zugehen, sich öffnen, Kompromisse finden, sich integrieren, hinwenden, nachgeben und aneinander festhalten. Hier ist Anpassungsfähigkeit gefragt. Um autonom handeln zu können, muss man hingegen einen klaren eigenen Willen verspüren, diskutieren, argumentieren, streiten, sich durchsetzen und eventuell trennen können. Die Emotion, die diese Fähigkeiten unterstützt, ist im positiven Sinne Aggression.

Der Spagat zwischen Anpassung und Selbstbehauptung

Soll eine zwischenmenschliche Beziehung, welcher Natur auch immer, gelingen, so müssen die Beteiligten in der Lage sein, sich sowohl anpassen als auch selbst behaupten zu können. Wer sich nicht anpassen kann, kann sich nicht binden, und wer sich nicht selbst behaupten kann, verliert innerhalb einer Beziehung seine persönliche Freiheit. Die meisten Menschen passen sich jedoch eher zu sehr an, oder sie grenzen sich zu stark ab. Einige pendeln auch zwischen beiden Polen, je nach Art und Phase der Beziehung. Überangepasste Menschen unterdrücken weitgehend ihre Wünsche und Bedürfnisse in zwischenmenschlichen und insbesondere in Liebesbeziehungen.

Bei ihren Eltern haben sie erfahren, dass sie die Erwartungen ihrer Mitmenschen erfüllen müssen, um geliebt zu werden. In Liebesbeziehungen laufen sie deshalb Gefahr, den Kontakt zu ihren Gefühlen zu verlieren. Sich selbst können sie am besten spüren, wenn kein potenzieller „Erwartungsträger“ in der Nähe ist. Deswegen benötigen sie in der Partnerschaft immer wieder Rückzugsorte und Freiraum. Ihre Rettung vor dem Selbstverlust ist also die Autonomie. Manche sehen auch keinen anderen Ausweg, als die Partnerschaft zu beenden oder erst gar keine Partnerschaft einzugehen.

Aber nicht nur die Angst vor der totalen Vereinnahmung durch den Partner, sondern auch sehr starke Verlustängste tragen dazu bei, immer einen gewissen Sicherheitsabstand in der Beziehung einzuhalten. Das eine hängt mit dem anderen zusammen: Wenn mein inneres Kind davon überzeugt ist, dass es so, wie es wirklich ist, nicht liebenswert ist, dann rechnet es fest damit, verlassen zu werden. Um dies zu verhindern, muss es sich logischerweise stark an die Erwartungen seines Gegenübers anpassen, und schon ist es wieder in der Zone des Selbstverlusts.

Innerlich frei und doch verbunden

Beziehungsfähige Menschen können sich innerlich frei fühlen und in einer festen Beziehung sein, während Menschen mit Beziehungsproblemen sich entweder innerlich frei fühlen oder in einer Beziehung sind. Wenn es ihnen gelingt, das oder durch ein und zu ersetzen, könnten sie eine glückliche Beziehung führen. Die allermeisten Beziehungsprobleme lassen sich darauf zurückführen, dass mindestens einer der Beteiligten ein Problem damit hat, zwischen seinen Bindungs- und Autonomiebedürfnissen eine gute Balance zu finden.

Dies soll am Beispiel von Julia und Robert erklärt werden: Roberts inneres Kind wurde stark durch seine Mutter geprägt, die ihn abgöttisch geliebt und ihn sehr eng an sich gebunden hat. Der kleine Robert hatte immer das Gefühl, dass er seine Mutter nicht allein lassen dürfe, zumal der Vater durch häusliche Abwesenheit glänzte. Robert spürte, dass seine Mutter sich einsam und unglücklich fühlte, und übernahm deswegen unbewusst die Verantwortung für sie. Entsprechend hatte er oft Schuldgefühle, wenn er sich lieber mit seinen Freunden zum Spielen verabreden wollte, anstatt zu Hause zu bleiben. Roberts inneres Kind verbindet mit einer Liebesbeziehung Angebundensein, Verpflichtung und Schuldgefühle. Deswegen hielten seine Gefühle für Julia nur in der verliebten Anfangsphase stand; sobald die Beziehung enger wurde, bemächtigten sich seiner wieder die alten Kindergefühle von Enge und Verpflichtung, und er sah keinen anderen Ausweg, als Schluss zu machen. Roberts innere Balance ist also zugunsten der Autonomie aus dem Gleichgewicht. Das heißt: Seine sicherste Option ist das Alleinsein.

Julia hingegen hatte liebevolle Eltern, die allerdings im öffentlichen Leben standen. Ihre Prominenz brachte es mit sich, dass sie oft in der Welt unterwegs waren und die kleine Julia der Obhut von Kindermädchen überließen. Wie alle kleinen Kinder gab Julia sich selbst die Schuld für die häufige Abwesenheit ihrer Eltern. Sie dachte: „Ich bin nicht wichtig. Ich genüge nicht!“ Diese inneren Glaubenssätze bestimmen ihr Beziehungsprogramm. Ihre sicherste Option ist, dass sie geliebt wird und jemand bei ihr ist. Allerdings bindet sie sich unbewusst immer an Männer, die ihr genau diesen Wunsch nicht erfüllen. Sie kämpft also wie als kleines Kind bei ihren Eltern gegen das Verlassenwerden an. Durch die Dynamik zwischen Julias und Roberts innerem Kind ist ein Teufelskreis entstanden: Je mehr Julia sich an Robert klammerte, desto vereinnahmter fühlte er sich und flüchtete, was wiederum die Verlustangst in Julia schürte und sie umso mehr klammern ließ.

Die Rollen können wechseln

Längst nicht alle schwierigen Beziehungen enden jedoch so dramatisch wie bei Robert und Julia. Es gibt auch Dauerbeziehungen und Ehen, die stark bindungsgestörte Strukturen aufweisen. Einer oder beide Beteiligten sorgen dann durch zahlreiche Distanzmanöver dafür, dass sich die Nähe zum Partner in überschaubaren Grenzen hält. Flucht in die Arbeit, in aufwendige Hobbys oder Außenbeziehungen sind probate Mittel, um den partnerschaftlichen Kontakt auf ein erträgliches Maß zu reduzieren.

Menschen, die unter Bindungsangst leiden, kennen das Phänomen: Wenn sie einen Partner sicher haben, verliert er plötzlich an Attraktivität. Wenn sie sich des Partners hingegen nicht sicher sind, wollen sie ihn unbedingt einfangen. In diesem Zusammenhang spricht man auch von passiver und aktiver Bindungsangst. Der passive Partner ist in unserem Beispiel Julia, die sich an Robert klammert. Der aktive Part jener, der immer wieder Distanz herstellt – also Robert. Beide haben Angst vor zu viel Intimität und Nähe. Die Rollen, wer aktiv und wer passiv ist, können zwischen den Partnern wechseln. Wenn Julia sich beispielsweise von Robert abwenden würde, weil sie einen anderen Mann kennengelernt hat, wäre es sehr wahrscheinlich, dass Robert plötzlich in Liebe zu ihr entflammt und um sie kämpft.

Was passiert da? Solange ich mich in einer Partnerschaft nicht sicher angekommen fühle (ein Zustand, der auch in einer lebenslangen Ehe vorkommen kann), schweigt die Angst vor der Vereinnahmung und dem Autonomieverlust. Stattdessen leide ich unter Verlustangst, und deshalb ist der Bindungswunsch sehr aktiv. Mit anderen Worten: Das Bindungssystem im Gehirn ist aktiviert. Ein aktiviertes Bindungssystem will unbedingt die Zielperson an sich binden und befindet sich in höchster Alarmbereitschaft. Der Mensch in diesem Zustand ist getrieben von seiner Verlustangst und möchte alles dafür tun, um über diesen Zustand Kontrolle zu gewinnen.

Angst vor dem Autonomieverlust

Wenn das Zielobjekt gesichert ist, dann ist der Selbstwert bestätigt und das Bindungssystem beruhigt. Nun erwacht jedoch in bindungsängstlichen Menschen die Angst vor dem Autonomieverlust. In einer festen Beziehung angekommen, fühlen sie sich plötzlich von den Erwartungen ihres Partners umzingelt und bereuen schon so manches Versprechen, das sie in der ersten Leidenschaft abgegeben haben. Plötzlich fühlen sie sich unwohl und eingeengt. Nun springt ihr Autonomiesystem an. Dies führt häufig zum plötzlichen Gefühlstod. Die verliebten Gefühle erkalten, der Partner verliert rasant an Attraktivität.

Sobald Robert das Gefühl hatte, dass er Julia sicher an der Angel hat, fühlte er sich von ihren Erwartungen an ihn vereinnahmt. Ab diesem Zeitpunkt setzte unbewusst die Assoziation zu seiner übergriffigen, erwartungsvollen Mutter ein. Das Autonomiesystem sorgt dafür, dass sich Robert von Julia distanzieren und „in Sicherheit“ bringen kann. Die Folge dieser Mechanismen: Robert wird nie in einer Beziehung ankommen, wenn er sein Beziehungsprogramm nicht reflektiert. Denn jede Frau, die sich auf eine Beziehung mit ihm einlässt, wird spätestens nach der ersten Verliebtheitsphase seinen Fluchtimpuls triggern. Auch Julia wird sich stets weiter an ambivalente Partner mit Fluchtimpuls binden, wenn sie nicht erkennt, dass ihr inneres Kind in einem Wiederholungszwang feststeckt, es sich also unbewusst immer Männer aussucht, um deren Liebe es kämpfen muss.

Wenn man diese alten Programme entmachten möchte, muss man sie im ersten Schritt analysieren, im zweiten Schritt einen Abstand zu ihnen einnehmen und im dritten Schritt neue, der heutigen Realität angemessene Einstellungen und Verhaltensweisen einüben.

Komm her, geh weg

Ein passiv bindungsängstlicher Partner klammert sich an den anderen. Der aktiv bindungsängstliche Part geht immer wieder in Distanz. Beiden gemeinsam ist: Sie haben Angst vor zu viel Intimität und Nähe. Die Rollen, wer aktiv und wer passiv ist, können zwischen den Partnern wechseln

Typische Symptome eines aktivierten Bindungssystems

  • Man fühlt sich total verliebt und verzehrt sich nach dem Partner.

  • Man kann an kaum noch etwas anderes denken als an den Partner und die Frage, warum er sich so ambivalent verhält.

  • Man hofft unermüdlich auf ein Happy End und dass der Partner sich letztlich doch noch richtig auf die Beziehung einlässt.

  • Man versucht mit Tricks und Perfektionsstreben, den Partner von sich zu überzeugen.

  • Man täuscht Gleichgültigkeit vor oder versucht den Partner eifersüchtig zu machen, um ihn einzufangen.

  • Man lebt in beständiger Unsicherheit und Angst, den Partner zu verlieren, was wiederum zu großer Trauer führen kann.

  • Man erlebt sich wie süchtig und abhängig vom Partner.

  • Man findet das eigene Verhalten in Bezug auf den Partner als gestört.

Typische Symptome eines aktivierten Autonomiesystems

  • Man sucht nach dem perfekten Partner.

  • Hat man den Partner nach einer Phase der Eroberung sicher an der Angel, setzt der Schwächenzoom ein: Man fokussiert auf die Schwächen des Partners. Die Schwächen erscheinen so ausgeprägt, dass man in heftige Zweifel gerät, ob der Partner der oder die Richtige ist.

  • Man ist der Alleinherrscher über die Nähe und Distanz in der Beziehung, sprich: Man übt eine stark einseitige Kontrolle darüber aus, wann der Partner einem nah sein darf.

  • Man legt sich nicht auf eine gemeinsame Zukunft fest und eiert auch häufig um Verabredungen drum herum.

  • Man erlebt den Partner als Eindringling im eigenen Revier, wenn dieser sich in der Wohnung aufhält.

  • Man zweifelt an der Beziehung und denkt darüber nach, sich zu trennen.

  • Nach Momenten der Nähe zum Partner taucht man ab und stellt wieder Distanz her.

  • Man ist häufig nicht erreichbar für den Partner.

  • Im Kontakt mit dem Partner schaltet man innerlich ab.

  • Man verliert das Interesse an Sex mit dem Partner

Gelernte Muster

Wie frühe Erfahrungen unsere Beziehung beeinflussen

Wer in der Kindheit eine sichere, gute Bindung an eine wichtige Bezugsperson entwickeln konnte, ist auch in seinen späteren Beziehungen bindungssicher. War dagegen auf Mutter und Vater kein Verlass, entwickelt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit ein unsicher-vermeidender oder unsicher-ambivalenter Bindungsstil. Das konnten Bindungsforscher in der Vergangenheit eindrucksvoll belegen. Wie sich die unterschiedlichen Bindungsstile in Beziehungen auswirken, lässt sich an drei Bereichen gut verdeutlichen: Trennung, Kommunikation und Konfliktbewältigung.

Trennung

Australische Forscher haben untersucht, wie Menschen auf eine kurzfristige Trennung vom Partner reagieren. Dabei haben sie deutliche Unterschiede festgestellt:

Sicher gebundene  Menschen empfinden es zwar als traurig, wenn sie vom anderen getrennt sind, fühlen sich dadurch aber nicht besonders gestresst. Sie denken nicht dauernd an den abwesenden Partner, sondern sind in der Lage, ihren Alltagsgeschäften nachzugehen. Durch regelmäßige Anrufe, Briefe oder auch Gespräche über den Abwesenden halten sie die Verbindung zum anderen aufrecht.

Unsicher-vermeidend Gebundene hegen in dieser Situation negative Gefühle für den anderen. Sie sind ärgerlich über die Trennung, erkalten innerlich. Eifersüchtig denken sie darüber nach, was der andere alles ohne sie tut. Die Trennung ist für sie nur sehr schwer auszuhalten, und sie versuchen, ihre negativen Gefühle durch Ablenkungen oder auch Alkohol zu beherrschen.

Unsicher-ambivalent Gebundene fühlen sich krank und wertlos ohne den anderen. Sie verspüren eine große innere Leere und sind zutiefst verunsichert.

Kommunikation

Auch die Bereitschaft, sich dem anderen zu öffnen und ihn hinter die eigenen Kulissen blicken zu lassen, hängt in großem Maße vom Bindungsstil ab.

Sicher gebundene Personen haben keine Scheu, mit dem Partner über alles zu sprechen. Sie machen aus ihrem Herzen keine Mördergrube. Sie erzählen, wie sie sich fühlen, worüber sie sich geärgert haben, wovor sie sich fürchten, was sie freut und was sie sich vom anderen wünschen.

Unsicher-vermeidende Menschen reden nicht gerne über sich, sie gehen intimen Gesprächen mit dem Partner aus dem Weg. Aber sie sind sehr begabt darin, den anderen zum Sprechen zu bringen. Sie sind gute Zuhörer, interessieren sich für die Probleme, Sorgen und Gedanken des anderen. Auf diese Weise vermeiden sie, über sich selbst sprechen zu müssen. Sie schützen sich mit ihrem Interesse gegen ein zu großes Interesse an ihrer Person.

Unsicher-ambivalente Menschen reden zwar gerne über sich, haben aber Mühe, auf den anderen einzugehen.

Konfliktbewältigung

Sicher gebundene Menschen sind nicht gleich verunsichert, wenn der Partner ein Versprechen nicht hält, einen Termin versäumt oder sie auf andere Weise enttäuscht. Sie vertrauen darauf, dass der andere schon gute Gründe und eine plausible Entschuldigung haben wird. Ihr grundsätzliches Vertrauen in den anderen wird nicht erschüttert.

Anders dagegen reagieren unsicher Gebundene: Werden sie vom Partner enttäuscht, stellen sie meist sofort die Grundsatzfrage. „Liebt er, liebt sie mich noch?“ Sie zweifeln, ob sie dem Partner vertrauen können, ob er wirklich der richtige für sie ist.

Wie sehr sich Kindheitserfahrungen auf die spätere Partnerschaft auswirken können, hat auch eine Studie der Universität Jena gezeigt. 1509 Personen gaben Auskunft über das Erziehungsverhalten ihrer Eltern. Sie beantworteten beispielsweise Fragen wie: „Wurden Sie von Ihren Eltern hart bestraft, auch für Kleinigkeiten?“ „Wurden Sie von Ihren Eltern getröstet, wenn Sie traurig waren?“ „Lehnten Ihre Eltern die Freunde und Kameraden ab, mit denen Sie sich gerne trafen?“ Zusätzlich interessierten sich die Jenaer Wissenschaftler für die Qualitäten der aktuellen Partnerschaften der Befragten.

Die Ergebnisse fielen eindeutig aus: Wer das elterliche Erziehungsverhalten als negativ erinnerte, hatte häufiger Probleme in seiner Partnerschaft. Er fühlte sich weniger akzeptiert, konnte sich nur schwer dem Partner anvertrauen und suchte bei Problemen weniger oft Trost bei anderen. Wer dagegen eine positive, sichere Bindung an die Eltern hatte, führte eine stabile Partnerschaft, über die er sich zufrieden äußerte.

Dennoch: Der in der Kindheit entstandene Bindungsstil ist kein Schicksal. Auch unsicher gebundene Menschen können Vertrauen lernen. Voraussetzung ist allerdings, dass sie ihr Bindungsmuster kennen und wissen, wie sie damit konstruktiv umgehen können.

UN

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 12/2017: Beziehungsfähig!