Herr Schroeder, Ihr neues Buch trägt den Titel Frauen. Fast eine Liebeserklärung. Warum nur „fast“?
Spannend wird die Beschreibung aus männlicher Sicht dann, wenn sie auch ambivalent bleibt. Wenn zum Verständnis für die alltägliche Überlastungssituation der Frau zwischen verruchter Liebhaberin und treusorgender Mutter, zwischen Perfektion im Job und Optimierung der Partnerschaft auch ein Kopfschütteln kommt: Warum nehmen Frauen nach wie vor so viel hin? Zum Beispiel dass sie mehr bezahlen und weniger…
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kommt: Warum nehmen Frauen nach wie vor so viel hin? Zum Beispiel dass sie mehr bezahlen und weniger verdienen. Und das fängt bei Kindern schon an: Das pinke Schaumbad mit dem Namen „Sternenzauber“ für Mädchen kostet bis zu 40 Prozent mehr als das blaue für Jungen mit dem schönen Namen „Saubär“. Ob Einwegrasierer, Kurzhaarschnitt oder Krankenkassenbeitrag – Frauen zahlen immer mehr! Warum machen sie das mit?
Zu Beginn Ihres Buches zitieren Sie Sigmund Freud. Er meinte: „Auch nach meinem dreißigjährigen Studium habe ich immer noch nicht herausgefunden, was Frauen wollen.“ Und Sie ergänzen: „Ohne dreißigjähriges Studium geht es mir auch nicht anders.“ Dann aber schreiben Sie ein ganzes Buch über das weibliche Geschlecht – und mir scheint, Sie haben eine Menge verstanden. Irre ich mich?
Was mich mit Freud hier verbindet, ist vielleicht eher ein Bewusstsein für die Rätselhaftigkeit des Wesens Frau, die aus männlicher Sicht unbedingt erhalten werden muss. Was wir vollständig verstanden haben, interessiert uns nicht mehr, damit sind wir fertig – und das wäre doch sehr traurig.
Ich habe mich, während ich den Partnerschaftsteil des Buches schrieb, oft gefragt, woran Partnerschaften heute zerbrechen. Meine These ist: Frauen kann nichts mehr genügen. Der Anspruch an die Perfektionierung der eigenen Person, der Druck, all die Möglichkeiten zu nutzen, die sie heute haben, sorgt für ein Lebensgefühl im permanenten Hamsterrad. Und dieses Gefühl bringen Frauen auch in Beziehungen ein. Die Auswirkungen dieses Umstandes zeigen sich exemplarisch am Valentinstag: Da soll Mann von sich aus den Liebesbeweis erbringen, den sie stillschweigend erwartet, was aber nicht so erwartungsvoll aussehen soll, wie es ist. Und bringt er dann nichts mit, erntet er Verärgerung dafür, dass er eine Erwartung nicht erfüllt hat, die es offiziell gar nicht gab. Oft sehen die Frauen in einem Mann auch Dinge, von denen der Mann selbst nichts weiß und auch nie wissen wird. Da wird die beunruhigende Leidenschaft für Eisenbahnen schon mal als Beweis dafür uminterpretiert, dass der Kerl doch eigentlich Ingenieur werden müsste– und nur weil er dem Sohn der Schwester fehlerfrei die Schuhe gebunden hat, seht ihr in ihm schon den fürsorglichen Vater. Viele sind dann später enttäuscht, fühlen sich betrogen um ihre Zuversicht, um all die Investitionen und den Kredit, den sie ihm gewährt haben. Schließlich trennen sie sich, weil er ein Versprechen nicht einlöst, das er nie abgegeben hat. Das Leben ist einfach nur ein sehr ausgedehnter Valentinstag.
Bei aller Kritik: Gibt es etwas, das Sie an Frauen bewundern?
Das, was man den Panoramablick nennt: Die ungeheure Fähigkeit zur gleichzeitigen Aufmerksamkeit an verschiedenen Fronten. Gleichzeitig ein Meeting vorzubereiten, nebenher den Mann davon abzuhalten, das Geschirr fallen zu lassen, und gleichzeitig noch Mails zu lesen und die Kinder zu beruhigen. Frauen sind die Jongleure des Lebens: Sie werfen zehn Bälle nach oben und fangen sie irgendwie alle wieder auf, während Männer sich verbissen auf einen Ball konzentrieren und ihn dann fallenlassen. Frauen sind in ihrer Mehrheit aufmerksamer als Männer, würde ich sagen. Wir Männer neigen zum Tunnelblick: Wir machen eine Sache richtig, und was gerade nicht auf dem Radar ist, wird beherzt ignoriert, am besten mit Worten wie „Passt schon“, aber es passt halt eben nicht. Fahren Frauen in Urlaub, legen sie ihre Klamotten schon drei Wochen vorher auf acht verschiedene Stapel für jedes Wetter, jede Tages- und Nachtzeit und auch für jedes Urlaubsziel. Alles ist Teil eines großen Plans, den nur sie kennen.
Wo sehen Sie die größten Schwachstellen des weiblichen Geschlechts?
Ich habe für dieses Buch unzählige Gespräche geführt. Mit Müttern, mit Feministinnen, mit Singles und Frauen in Paarbeziehungen. Es waren sehr unterschiedliche Frauen, doch was alle gemeinsam hatten, war eine große Unzufriedenheit. Frauen finden sich zu dick, zu dünn, zu pink, zu wenig sexy oder zu sehr. Wenn sie arbeiten, dann zu viel oder zu den falschen Zeiten. Frauen hinterfragen sich permanent. Männer fragen auf dem Weg nach oben: „Wie mache ich das?“ Frauen fragen: „Wozu mache ich das?“
Werden Männer zum Stichtag mit einer Aufgabe nicht fertig, reden sie erst einmal breitbeinig eine Stunde über die 20 Prozent, die komplett sind, in der Hoffnung, dass dann schon keiner mehr nach den restlichen 80 Prozent fragen wird. Haben Frauen 80 Prozent eines Projekts fertig, reden sie erst einmal eine gefühlte halbe Stunde über die 20 Prozent, die fehlen, sodass sich für die Zuhörer auch die vorhandenen 80 Prozent anhören wie 5 Prozent. Wenn es um unsere Erfolge geht, machen wir aus einer Mücke einen Elefanten, Frauen schaffen es noch immer, aus einem Elefanten eine Mücke zu machen.
In letzter Zeit ist viel die Rede von der Beziehungsunfähigkeit und Bindungsangst von Frauen, vor allem aber von Männern. Stimmt aus Ihrer Sicht diese Diagnose?
Ich halte wenig von diesen Schlagworten, und die Diagnose stimmt so auch nicht. Das ist alles eine Nummer zu einfach. Die Schwierigkeiten liegen tiefer: Ich erlebe eine ungeheure Sehnsucht nach Bindung und stabilen Partnerschaften, gerade in meiner Generation. Die Schwierigkeit liegt in der Überbetonung der Autonomie, der Selbstbestimmung. Das ist unsere Bibel geworden. Wir ertragen es nicht mehr, abhängig zu sein, wenn auch nur partiell. In dem Moment aber, in dem ich einen anderen Menschen in mein Leben lasse, bin ich abhängig, sonst kann ich gar nicht lieben. Hegel spricht von Entäußerung, ein wunderbarer Begriff. Ich muss aus mir heraustreten. Das Spannungsverhältnis zwischen Autonomie und Anerkennung ist in ein massives Missverhältnis geraten. Das führt zwangsläufig in einen Eiertanz der Unabhängigkeit. Wenn sich Menschen heute kennenlernen, geht es vor allem darum, dem anderen zu zeigen, wie unabhängig man ist; dass er nicht gebraucht wird, dass es auch ohne ihn wunderbar funktioniert. Immer schön einen Schritt nach vorn und zwei zurück.
Sie behaupten, dass Frauen Beziehungen „viel radikaler“ bestimmen und kontrollieren als Männer. Inwiefern?
Frauen haben eine größere Singlekompetenz, sie sind weniger angewiesen auf einen Mann, das gibt ihnen mehr Freiheit. Frauen entscheiden die Geschwindigkeit des Kennenlernens, sie fordern Entwicklung, forcieren die nächsten Schritte. Meist sind es Frauen, die zusammenziehen wollen, sie erwarten Verbindlichkeit, sie sind es aber auch, die sich schneller trennen. Frauen sind weniger denn je bereit, Kompromisse zu machen, nur um eine Beziehung fortzuführen. Sie sind weniger bereit, ein totes Pferd zu reiten, auch wenn es noch zuckt.
Männer fragen sich: „Was will die Frau?“ Aber auch Frauen stellen sich die Frage: „Wie tickt er nur?“ Was sollten Frauen über Männer wissen? Was ist das Wichtigste, was Sie Frauen über Ihr Geschlecht mitteilen wollen?
Vielleicht, dass die Unsicherheit, was das eigene Rollenverständnis angeht, genauso groß ist wie bei Frauen. So wie Frauen widersprüchliche, fast unerfüllbare Erwartungen erfüllen sollen, ergeht diese Forderung auch an Männer: Sei entschieden! Mach Ansagen! Sei kein Weichei! Und zugleich: Sei einfühlsam! Sei kein Macho! Nimm Elternzeit und hänge die Wäsche auf! Die Verunsicherung ist auf beiden Seiten da und der fatale Perfektionismus ebenso. Das ist der Anfang vom Ende jeder Begegnung. Alle verkapseln sich im eigenen Perfektionswahn. Ich zum Beispiel habe viele Facetten, die je nach Ansicht verdammt unmännlich wirken können: Mein Interesse an Autos beschränkt sich auf die Frage, ob ich meine zu langen Beine auf zu langen Strecken irgendwie ausstrecken kann. Ich interessiere mich nur während EM und WM für Fußball, schreie, weine und jubele eher in mich hinein und fliege nicht mit anderen Typen in den Männerurlaub nach Malle. Ich bin technisch mittelmäßig und handwerklich unterbegabt. Wer also auf lötende, hämmernde und beim 3 laut brüllende echte Kerle steht, wird von mir nachhaltig enttäuscht werden. Auch wenn ich weiß, dass Frauen es wahnsinnig sexy finden, wenn er mal eben, halbnackt unterm Auto liegend, den SUV neu zusammenschraubt, hat mich meine schrauberische Impotenz nie wirklich beschäftigt. Ich kann dafür fehlerfrei die Wäsche aufhängen. Gerne auch halbnackt!
Florian Schroeder hat Germanistik und Philosophie an der Universität Freiburg studiert. Als Kabarettist feiert er große Erfolge, u.a. mit seinem Programm „Entscheidet euch!“. Im Fernsehen moderiert er die „Spätschicht“ (SWR/ARD). Außerdem ist er regelmäßig Gastgeber der „großen radioeins Satireshow“ (rbb) im Tipi am Kanzleramt in Berlin. Als Blogger schreibt er regelmäßig für Psychologie Heute. Sein aktuelles Buch Frauen. Fast eine Liebeserklärung ist soeben im Rowohlt-Verlag erschienen.
Jetzt ist sie weg!
Warum Frauen Schluss machen
Von Florian Schroeder
Als Sarah sich irgendwann von mir trennte, sagte sie, das Leben, das sie sich wünsche, sei mit mir nicht möglich: Sie habe lange gekämpft um die Aufmerksamkeit, die sie wolle, sie habe ihr Ausdruck verliehen in vielen Gesprächen, aber es habe nichts gebracht. Lieber allein unglücklich als zu zweit. Sie wolle nicht im Wege stehen, mir nicht, sich nicht, zwei Menschen, zwei Lebensentwürfe. Es sei Zeit, den Tatsachen ins Gesicht zu sehen. Sie gehe aus Überzeugung, aber mit Respekt. Ihre Wünsche seien andere, sie wolle sie sich erfüllen mit jemandem, der dazu bereit sei. Ich sei es nicht. In diesem Moment tat sich unter mir ein Abgrund auf. Ich fühlte mich überlebensunfähig, war erstaunt von dem Mut und der Aufrichtigkeit, die ich nicht aufgebracht hätte. Ich dachte: Eine Frau, die so Schluss macht, müsste man heiraten. Aber dafür war es wohl zu spät. Wie ein Film zog alles an mir vorüber, was sie in meinem Leben besser, anders gemacht hatte. Wer sollte mir sagen, ob der graue Pulli vielleicht doch ein wenig zu weit oder dem Anlass nur so halb angemessen ist? Wie waren wir dahin gekommen, wo wir jetzt waren? Wahrscheinlich war es auch dieser Unabhängigkeitskampf, den wir über Jahre geführt hatten. Wir hatten gekämpft um uns und doch jeder nur für sich. Wir hatten vor allem darum gekämpft, autonom zu bleiben, permanent residents des eigenen Adlerhorsts. Ich habe nie wirklich ein Opfer für sie gebracht, hatte Sarah zum Abschied gesagt, nie etwas aufgegeben für uns als Paar. In genau dem Maß, wie wir unsere Unabhängigkeit überbetonen, fordert die Anerkennung ihren Tribut. Sie fällt ins Extrem und fordert das Unmögliche: Die Selbstaufgabe wird zum letztgültigen Liebesbeweis.
Hat man bislang eher Frauen zugeschrieben, auch an längst toten Partnerschaften Wiederbelebungsversuche vorzunehmen, haben sich die Seiten heute verkehrt: Mehr Männer als Frauen würden ihren eigenen Kindern raten, eine Partnerschaft aufrechtzuerhalten, selbst wenn man sich auseinandergelebt hat. Früher gingen Frauen zum Therapeuten, weil sie als einsame Geliebte eines Mannes sitzengelassen wurden– heute sitzen die Männer dort, weil sie sich einen Lover gesucht hat, der sie nicht nur als Teilzeitfrau sieht. Selbst bei Paartherapeuten rufen vermehrt Männer an, weil die Partnerin sich trennen will.
Frauen sind bereit, Opfer für Kinder zu bringen, jedoch nicht mehr zwangsläufig für die Partnerschaft. Allerdings kommt der Umweg über die Kinder doch wieder dem Mann zugute– ihretwegen bleibt sie zu Hause, ihretwegen kocht sie, und ihretwegen brennt sie nicht mit dem heißen Yogalehrer durch.
Ihr Frauen hinterfragt euch selbst stärker, nehmt Probleme früher wahr und sprecht sie früher an. Ihr sagt zu euren Männern, was ihr gerne ausprobieren, erleben und angucken würdet, während er sich denkt: „Die hat wohl ihre Tage, das vergeht schon!“ Dann kommt ihr wieder und wieder an, und er denkt sich wieder und wieder: „Die kann doch nicht schon wieder ihre Tage haben?!“ Irgendwann vergeht nicht euer Wunsch, sondern ihr selbst geht, und er fragt sich: „Warum ist sie denn jetzt gegangen? Die hätte doch auch mal was sagen können!“
Heutzutage gehen zwei von drei Trennungen von Frauen aus. Sie beenden die Partnerschaft schneller und kompromissloser, sie kommen allein besser zurecht und sind emotional weniger abhängig vom Partner als Männer. Ja, auch für euch ist eine Trennung nicht immer einfach, ihr leidet und möchtet den Kerl am liebsten umbringen. Aber ihr habt eure Freundinnen, die euch auffangen, ihr nutzt die Trennung für einen Neuanfang, schneidet euch die Haare ab, dekoriert die Wohnung um und schmeißt sämtliche Klamotten zum Fenster raus. Männer haben keine Klamotten oder wissen nicht, wo sie sind.
Für den Mann ist die Ehe bis heute die lebenslange Mutterbrust. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts zeigte der französische Soziologe Émile Durkheim in seinem Buch Der Selbstmord, dass die Zahl der Selbsttötungen nach Scheidungen unter Männern bedeutend höher ist als unter Frauen. Auch heute sterben Witwer schneller als Witwen. Immer wieder lässt sich beobachten, wie Frauen schon vor Ablauf der moralisch vorgeschriebenen Trauerkarenzzeit aufblühen, zu neuen Ufern aufbrechen, während Männer nach dem Ableben ihrer Frau oft hilflos durchs Leben stolpern.
Ein Leben lang müssen sich Frauen anhören, dass sie welken, während Männer reifen. Ganz am Ende ist es umgekehrt: Frauen reifen, Männer verwelken. Ausgleichende, wenn auch späte Gerechtigkeit.
Textauszug aus Florian Schroeder: Frauen. Fast eine Liebeserklärung. Rowohlt, Reinbek 2017. Wir danken Autor und Verlag für die Abdruckgenehmigung.