Nach mehreren Monaten ihrer Beziehung stand für Katja und Jochen eine Premiere an: Am Wochenende würde sie seine Kinder kennenlernen. „Ich war so aufgeregt, aber wir hatten uns ein ziemlich überzeugendes Programm überlegt“, erzählt die 38-jährige Duisburgerin. „Vom Zoo übers Eisessen und für den Abend noch die König der Löwen-DVD.“
Es konnte nichts schiefgehen. Tat es aber doch: Jochens offensichtlich übelgelaunter Sohn Samuel, 8, ignorierte Katja komplett und nörgelte an allem herum, die vier Jahre alte…
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das Prinzesschen, drängelte sich ständig auf Papas Schoß und nachts an Papas Seite im Bett. Katja verzog sich entnervt aufs Sofa und begann noch in der Nacht, die Liebe ihres Lebens mit anderen Augen zu sehen: „Wieso ließ der Mann sich so von seinen Kindern um den Finger wickeln? Ich war eifersüchtig. Auf Kinder! Das ist so peinlich, und dafür hasste ich mich selbst.“
Sylvias erstes Kennenlernen mit der 6-jährigen Tochter ihres Lebensgefährten Joachim war zunächst deutlich entspannter: „Ein tolles Wochenende“, erinnert sich die 29-Jährige aus einem kleinen Ort bei Bremen, „Leonie hat sogar mit mir gekuschelt, und als Jo sie zurück zu ihrer Mutter brachte, gab sie mir ein Küsschen auf die Wange. Ich dachte noch: So leicht ist das also! Patchwork – ein Kinderspiel.“
Wenig Forschung zu Stiefeltern
Ein paar ebenso gelungene Kinderwochenenden später entwand sie Leonie die Schokolade, die diese kurz vor dem Abendbrot aus dem Einkaufskorb gemopst hatte. „Du darfst mir nichts sagen, du bist nicht meine Mama“, weinte die Kleine, schmollte für den Rest des Wochenendes, streckte Sylvia die Zunge heraus. „Da schwante mir, dass mir als Stiefmutter wohl noch einiges bevorstehen würde“, erinnert sich Sylvia.
150000 Ehen wurden 2019 in Deutschland geschieden, 122000 minderjährige Kinder waren davon betroffen, rund 14 Prozent der Familien hierzulande sind Stieffamilien. Viele Stiefmütter und -väter schließt die Statistik nicht mal ein, weil sie mit den Kindern ihres Partners oder ihrer Partnerin nicht zusammenleben und sie zum Beispiel nur an Wochenenden erleben. Die sogenannte Patchworksituation hat ihren Exotenstatus längst verloren. Sie ist ein Stück Normalität geworden, und Stiefmutter oder Stiefvater gehören vielerorts sozusagen zur Familie.
Die Forschung hat sich mit ihnen bislang kaum beschäftigt. Die Psychologie etwa hatte bei ihren Betrachtungen bislang mehr die Stiefkinder im Fokus. „Wie es den Stiefvätern oder Stiefmüttern ging, wurde eher vernachlässigt“, sagt der Berliner Psychotherapeut Wolfgang Krüger.
Bild der Stiefmutter als zerstörerische, verschlingende Person
„Die Dramatik fing kaum einer ein. Die Männer und Frauen haben von sich aus oft eher geschwiegen. Das liegt sicher daran, dass es hier um sehr persönliche und teilweise unangenehme Gefühle geht. Man muss durchhalten und sich völlig zurücknehmen können“, so Krüger, der auch aus eigener Erfahrung spricht. Ein leichtes Spiel? Bestimmt nicht. Aber eines, an dessen Ende alle Beteiligten die Sieger sein können.
Studien wie die der Psychologinnen Danielle Shapiro und Abigail Stewart von der US-amerikanischen University of Michigan zeigen allerdings, dass es von allen Mitgliedern im Patchworksystem der Stiefmutter am schlechtesten geht, weil sie das Gefühl hat, alles nur falsch machen zu können.
Stiefmutter, das klingt schon unangenehm. Kein Wunder. In dem mittelhochdeutschen stief steckt das altgermanische stipan für berauben oder vernachlässigen. In den Märchen der Brüder Grimm sind die 13 Stiefmütter abgrundtief gemein. Auch in der analytischen Psychologie in der Tradition Carl Gustav Jungs gilt die Figur als Ausprägung eines verschlingenden, zerstörerischen Muttertyps.
Konfliktreicher Alltag in Stiefmutterfamilien
Der 2019 verstorbene dänische Familientherapeut Jesper Juul versuchte, mit dem Begriff „Bonusmutter“ einen positiv konnotierten Begriff zu schaffen. Auch die humorvoll gemeinte Bezeichnung „Beutemutter“ ist häufiger zu lesen. Die Wirklichkeit bildet keines der Wörter ab: Stiefmutter ist zu negativ besetzt, Bonusmutter ein wenig zu optimistisch (sie wird nicht immer als Gewinn gesehen), Beutemutter impliziert fälschlicherweise, dass die Kinder für die Betroffene einen gewünschten, problemlosen Zugewinn bedeuten.
Tatsächlich ist gerade die Beziehung von Stiefmüttern zu den Kindern des Partners oft belastet. Ein Forschungsbericht von Thomas G. O’Connor aus dem Jahr 2001 zeigt, dass das Zusammenleben in Stiefmutterfamilien konfliktreicher als in Stiefvaterfamilien verläuft. Das hat, vermuten die Autoren der Studie, mit den unterschiedlichen Rollenerwartungen an die Geschlechter zu tun.
In einer Befragung erwachsener Stiefkinder durch Constance Ahrons von der University of Southern California offenbarte sich, dass diese die neue Partnerschaft der Eltern oft als schwieriger erlebten als die Scheidung selbst – vor allem die Beziehung des Vaters. Noch 20 Jahre später schätzte weniger als die Hälfte der Befragten die Beziehung zur Stiefmutter als gut ein – die Beziehung zu Stiefvätern lobten dagegen zwei Drittel.
Die Mutterrolle als Vorbild
Stiefväter sind Stiefmüttern gegenüber im Vorteil: „Die Hauptverantwortung für die Familie trägt trotz des veränderten Vaterbildes unserer Zeit meistens noch die Frau“, sagt die Psychologin Katharina Grünewald. Sie hat unter anderem in einer tiefenpsychologischen Studie die Struktur von Patchworkfamilien untersucht. „Die Rolle des Stiefvaters ist eher die des Retters, der der Alleinerziehenden unter die Arme greift und die Kinder aushält.“ Bei der Stiefmutter sieht das anders aus:
„Eigentlich weiß niemand so genau, wie das gehen soll – Stiefmutter“, so Grünewald weiter. „Und dann beginnt man, sich unbewusst an anderen Rollen zu orientieren. An der Mutterrolle zum Beispiel.“ Die Mutterrolle als Vorbild: naheliegend. Aber als Ziel unerreichbar. Das Wort Mutter ist vor allem hierzulande so sehr mit positiven Attributen überfrachtet, dass darunter schon leibliche Mütter zu leiden haben.
Die erste Sackgasse, warnt Autorin Ute Kissling in ihrem Ratgeber How To Survive als Stiefmutter, lauert bereits darin, zu glauben, dass man die eigene Position in der Familie schon kenne: „In der Rolle, in die Sie geschlüpft sind, stecken Sie rund um die Uhr in einem Fettnapf – raus kommen Sie da erst wieder, wenn sie aufhören, in Rollenbildern, Definitionen und Erwartungshaltungen zu versinken wie in einem riesengroßen Butterfass.“
Kinder verweigern sich
Stiefmütter möchten die Kinder des Partners natürlich behüten, trösten, lieben – und ihm damit ganz nebenbei beweisen, dass sie auch auf diesem Parcours bestehen können. Nur: „Kinder brechen die Struktur der Beziehung radikal auf: Während man sich sonst auf die gegenseitigen Bedürfnisse konzentriert, soll man zu Besuchszeiten eine Familie sein. Der Mann kann dabei auf seine Rolle als Vater zurückgreifen, die Frau muss ihre gegenüber den Kindern erst erwerben“, sagt die Familienwissenschaftlerin Doris Früh-Naumann.
Im Mutter-Kind-Spiel verweigern sich die Kinder meist – schon aus Solidarität zur biologischen Mutter. Und das Gefühl spielt auch selten mit: Die Liebe fehlt zunächst, die mütterliche wie die der Kinder. Emotionen müssen wachsen. Das macht die neue Aufgabe als Stiefmutter anstrengender, enttäuschender.
Mit den Puzzlesteinen aus eigenen Erwartungen versuchen viele Stiefmütter, ein Bild zusammenzulegen, das sie vor Augen haben – aber die einzelnen Teile scheinen nicht zu passen: „Mit Sebastians 14-jähriger Tochter wollte ich ein freundschaftliches Verhältnis aufbauen“, hatte sich die Freiburgerin Elke vorgenommen. Als sie ihr vorschlug, zusammen shoppen zu gehen, bekam sie heftigen Gegenwind: „Sie fuhr mich an: ,Willst du dich einschleimen oder was? Wenn ich wollte, könnte ich euch sofort auseinanderbringen‘, drohte sie mir.
Belastung für die Paarbeziehung
Ich fühlte mich so unglaublich klein. Und irgendwie auch entlarvt. Denn natürlich wollte ich mich – ja, einschleimen. Man möchte doch gemocht werden von den Menschen, die dein Partner liebt.“ Noch heute, fünf Jahre später, vergleicht Elke ihre ersten Gehversuche auf dem gefühlt verminten Stiefmutterterrain mit einem Werbespot: „Ich wollte so was wie die Jacobs-Kaffee-Frau sein. Immer perfekt, in jeder Lebenslage. Und dabei entspannt.“
Dazu kam: „Mein Partner schien mich gar nicht zu verstehen, er sagte nur: ,In der Pubertät sind sie alle so.‘ Wenn ich ihn bat, doch mal ein Machtwort zu sprechen, biss ich auf Granit.“ Als Paar hatten sie immer nach Antworten auf die Frage „Wie machen wir das?“ gesucht. In Familiendingen hieß es dagegen immer: „Wir machen das jetzt so.“
Die Partnerschaft gerät in Schieflage. Entscheidungen scheinen nicht mehr auf Augenhöhe gefällt zu werden, viele Stiefmütter fühlen sich ständig überstimmt. Weil der Partner gegenüber seinem leiblichen Kind oft nicht wagt, klare Position zugunsten seiner Partnerin zu beziehen, kommt es womöglich zu weiteren Konflikten.
Emotionale Unterstützung vom Partner
Nur ein Viertel der Stiefmütter aus der Studie von Shapiro und Stewart gab an, dass der leibliche Vater der Kinder hinter ihnen stehe und Probleme gemeinsam mit ihnen löse. Genau das aber wäre für Stiefmütter die wichtigste Maßnahme zur Entlastung. Die emotionale Sicherheit sei einer der wichtigsten unterstützenden Punkte.
Eine Untersuchung des Zentralinstituts für Ehe und Familie in der Gesellschaft in Eichstätt zeigt ebenfalls: Sobald die Kinder in der Nähe sind, scheint das Kräfteverhältnis in der Partnerschaft gestört. Viele Stiefmütter fühlen sich ungerecht behandelt und vom Partner nicht ausreichend unterstützt, wenn sie etwa von den Kindern Missachtung erfahren, aber selbst das Gefühl haben, alles für die Kinder zu tun.
Am stärksten empfinden dies einer Studie der britischen Regent’s University zufolge Stiefmütter, die sich gleichzeitig um Stiefkinder und eigene Kinder kümmern – aber auch denjenigen, die nur Stiefkinder betreuen, also keine eigenen Kinder haben und damit auch keinerlei Erfahrung mit dem Nachwuchs, ist diese Empfindung nicht fremd.
Raus aus dem Rollenchaos
„Willkommen in der Prinzessinnenfalle“, sagt Psychologin Grünewald. In der Zweisamkeit schien der Partner so nah, mit den Kindern jedoch ist Konkurrenz aufgetaucht. Der Platz an seiner Seite ist durch sie offensichtlich belegt. „Tatsächlich spielt es in der Stieffamilie eine große Rolle, welchen Platz man besetzen und welchen Raum man einnehmen darf“, sagt die Wiener Familientherapeutin Corina Ahlers. „Darüber werden ja auch Zugehörigkeiten definiert.“
Neid und Eifersucht sind Tretminen auf dem Weg durchs Stiefmutterleben. Sie stehen nicht nur dem neuen Familienglück, sondern auch der eigenen Zufriedenheit im Weg. Zumal der Kampf um die Prinzessinnenrolle im Familienkonstrukt ohnehin längst entschieden ist. „Es ist sinnlos, mit den Kindern um den ersten Platz zu konkurrieren“, warnte Erziehungsexperte Jesper Juuls.
Der Weg muss also raus aus dem Rollenchaos führen, weg von Mutterrolle, Kernfamilienimitation und Prinzessinnenfalle. Aber wie gelingt das?
Wer in die Stieffamilie einzieht, muss damit rechnen, dass das Umfeld, oft auch die Familienangehörigen selbst, zunächst nur auf die Kinder schaut. Diese müssen schließlich eine Trennung verarbeiten und damit klarkommen, dass nun ein neuer Lebenspartner zu ihrem Alltag gehört.
An der neuen Rolle wachsen
Psychologin Katharina Grünewald rät Stiefelternteilen, vor allem bei sich zu bleiben. „Eine gute Stiefmutter will keine Mutter für die Kinder ihres Mannes sein, sie ist einfach eine zusätzliche Bezugsperson.“ Das funktioniere am besten, wenn die Frauen authentisch blieben. Dann, so ist Grünewald überzeugt, bietet die Stiefmutterposition eine große Chance, gerade weil man sich darin oft mit unangenehmen Gefühlen und Gedanken auseinandersetzen muss. „Die Stiefmutter kann dabei ihre eigenen Bedürfnisse und alten Familienmuster genauer erforschen.“
Sie kann lernen, ihre erwachsenen Anliegen als Partnerin und die Gefühle des kleinen Mädchens, die in ihr noch schlummern, zu trennen. „Die Übertragung der als Kind nicht eingelösten Sehnsüchte und ungelösten Konflikte auf den Partner klappt nicht“, erklärt Grünewald. Sie ist überzeugt: An der Stiefmutterrolle kann die eigene Persönlichkeit wachsen. Das sei sozusagen ein kostenloses Persönlichkeitscoaching.
Mehr noch: Wer nicht in der Mutterrolle steckt, kann auch die eigenen Bedürfnisse wieder ernst nehmen. Für Katja aus Duisburg bedeutete das eine komplette Kehrtwende auf ihrem Weg. „Ich habe mich an den Kinderwochenenden mal verabredet oder mich mit einem Buch zurückgezogen, wenn Jochens Sohn wieder mal den Quälgeist spielte.
"Das ist jetzt so."
Mein Partner war darüber zunächst irritiert, und auch für mich war das völlig ungewohnt, mich so rauszuhalten. Aber ich fühlte mich wohler.“ Katja entzog sich damit Erwartungen – auch denen, die sie an sich selbst vorher hatte. Seitdem kommt sie mit der Situation besser zurecht.
Selbstfürsorge sei ganz wichtig, mahnt Psychologin Grünewald. Wer innerlich immer ein wenig Abstand zur vermeintlichen Krisensituation hält und sich nicht jedem Erwartungsdruck von außen beugt, hat gute Chancen, auch zu sich selbst freundlicher zu sein. „Das ist jetzt so“, empfiehlt sie Stiefmüttern als Mantra. Aus der undankbaren Rolle könne man schließlich auch lernen, sich mit Dingen abzufinden, nicht gegen Windmühlen zu kämpfen.
„Ich muss mich fragen: Welche Bedingungen kann ich ändern, welche nicht? Ich kann nicht ändern, dass mein Partner Kinder hat, dass diese Kinder Bedürfnisse haben, dass es da vielleicht eine nervende Ex-Frau gibt“, sagt die Therapeutin. „Also tue ich gut daran, das zu akzeptieren.“
Augen auf - und durch
Ein Ergebnis der sogenannten „Aschenputtel-Studie“ von Forschern des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung in Rostock war schließlich auch, dass das Empfinden der Stiefmutter offenbar ein wichtiger Schlüssel zum Gelingen des Familienmodells ist. Wenn sie versteht, dass die Kinder aus erster Ehe dem eigenen Familienglück nicht im Wege stehen, kann sie entspannen, die hohen Erwartungen an sich selbst loslassen und die Situation mit mehr Abstand betrachten.
„Wenn man die eigenen Erwartungen herunterschraubt, freut man sich über alles, was gelingt, und darüber, wie viel das doch in der Konstellation ist“, sagt auch Psychologin Katharina Grünewald. Ein verändertes Mindset, eine neue Sichtweise, weniger Druck – auch so gesehen lernt man in der Stiefelternrolle fürs Leben.
Augen auf – und durch: Das kann die Richtlinie für die neue Stiefmütterlichkeit sein, die vielleicht zu einer wunderbaren Freundschaft zwischen den Kindern und der Neuen im Bunde führen wird. Psychotherapeut Krüger empfiehlt dafür, eine gehörige Portion Frustrationstoleranz und Geduld mitzubringen – auch aus eigener Erfahrung. „Bloß nicht zu eitel sein, das hilft“, sagt er. „Und eine gehörige Portion Humor.“
Eine der schönsten Erfahrungen des Lebens
Seine Stieftochter habe „lange Jahre die Giftküche aufgemacht“. Er sei darüber vom Konfliktvermeider zu einem Menschen geworden, dem es möglich ist, auch das Positive und die Kraft in einem Konflikt zu sehen. „Wer das durchsteht, kann eine der schönsten Erfahrungen des Lebens machen.“ In einer von ihm im Jahr 2016 durchgeführten Studie gaben 72 Prozent der Stiefeltern das Zusammenleben mit den Kindern des Partners als Bereicherung an – die Mehrheit davon bereits nach einem Zeitraum von ein bis drei Jahren.
Ein guter Kontakt, schreibt Jesper Juul in seinem Ratgeber Aus Stiefeltern werden Bonuseltern, sei dabei nicht unbedingt ein enger Kontakt. Man sei erst ein Gast und werde allmählich Teil der neuen Familie. „Bonuseltern“ haben es seiner Meinung nach leichter, eine gleichwertige persönliche Beziehung aufzubauen, weil sie sich nicht erst durch Mutter- oder Vaterrolle durcharbeiten müssen.
Die negativen Auswirkungen der Trennung abfedern
Am Ende könne so ein Verhältnis stehen, das sogar ungezwungener sei als das zu den eigenen Eltern. Eine Einschätzung, die Cara Zaharychuk von der Athabasca University in Kanada teilt. Stiefmütter, lautet ihr Resümee aus einer eigenen Studie, halten sogar die neue Familie zusammen: „Sie können helfen, negative Auswirkungen der Trennung abzufedern.“
Sylvia, Stiefmutter der inzwischen 11-jährigen Leonie, hat ihren Frieden mit der Kleinen gemacht. Aber auch mit sich selbst und mit der Erkenntnis, dass sie die Tochter ihres Partners nicht erziehen darf – aber eben auch nicht erziehen muss. „Ehrlich gesagt, ist das auch ziemlich erleichternd“, sagt sie. „Ich habe oft gedacht: Halt dich zurück, das ist nicht dein Job. Seither bin ich entspannter und eher ich selbst. Leonie akzeptiert mich. Ich bin eine Art Patentante für sie.“
Wie bereichernd die Rolle sein kann, leuchtet im Französischen auf. Dort heißt die neue Frau an der Seite eines liebenden Vaters belle-mère, die schöne Mutter.
Literatur
Corina Ahlers: Patchworkfamilien beraten. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2018.
Katharina Grünewald: Glückliche Stiefmutter. Gut zusammen leben in Patchworkfamilien. Herder, Freiburg im Breisgau 2018.
Jesper Juul: Aus Stiefeltern werden Bonuseltern. Chancen und Herausforderungen für Patchwork-Familien. Beltz, Weinheim 2015.