Warum nutzen manche Menschen eine politische Ideologie als Vehikel für die Befriedigung ihrer psychischen Bedürfnisse?

Manche Formen des Aktivismus wirken insbesondere für Menschen mit finsteren Persönlichkeiten anziehend, sagen Forscher der Universität Bern.

Die Silhouette einen Mannes, der eine Krone trägt und in Siegerpose im Sonnenuntergang dasteht, daneben sind zwei Pfeile, die auf ihn zeigen
Sie suchen nach Aufmerksamkeit oder Nervenkitzel und finden Befriedigung in politischen Ideologien. © Viktor Aheiev/Getty Images

Was verstehen Sie unter dem dark-ego-vehicle principle?

Wir haben in unseren Studien festgestellt, dass offenbar Menschen mit einer düsteren Persönlichkeit – damit meinen wir die „dunkle Triade“ aus Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie – sich zu bestimmten politischen Ideologien, etwa Rechts- oder Linksautoritarismus hingezogen fühlen. Wir nehmen an, dass sie diese wie ein Vehikel nutzen, um sich ihre düsteren Bedürfnisse zu erfüllen. Sie wollen andere dominieren, kontrollieren, ihnen schaden. Und sie suchen nach Aufmerksamkeit oder Nervenkitzel. In der Psychologie heißt das sensation seeking.

Unsere Studien legen nahe: Es scheint hier nicht primär um die politischen Inhalte zu gehen, sondern eben um die Befriedigung der genannten psychischen Bedürfnisse. Diese Personen suchen sich dann die passende Gruppe, im Falle von Rechtsautoritarismus rechte Milieus. Personen mit einer düsteren Persönlichkeit, die einer linksautoritären Ideologie anhängen, scheinen sich zu anderen Gruppen, beispielsweise Klimaaktivistinnen hingezogen zu fühlen.

Sie haben dieses Prinzip nun auch am Beispiel des Antisemitismus untersucht. Wie sind Sie vorgegangen?

Zunächst haben wir rund 4000 Teilnehmende aus unserer vorherigen Forschung wieder eingeladen und Antisemitismusskalen ausfüllen lassen. Die eine erfasst den traditionellen Antisemitismus, wie es ihn seit Jahrhunderten gibt und der sich direkt gegen jüdische Personen richtet.

Die andere Skala misst speziell Antizionismus, die Feindseligkeit gegen das als jüdisches Kollektiv betrachtete Israel, das laut dieser Haltung viel zu viel Einfluss in den Medien ausübt und bevorzugt wird. Beide Skalen beruhen auf der Arbeitsdefinition von Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance, welche derzeit 44 Länder angenommen haben. Beide Facetten sind empirisch unterscheidbar, aber es gibt Überlappungen.

Zusätzlich haben wir die Eigenschaften der dunklen Triade sowie der dunklen Tetrade gemessen, Letztere erfasst zusätzlich Sadismus und die psychischen Bedürfnisse wie Aggression, sensation seeking und virtue ­signalling.

Was haben Sie herausgefunden?

Beide Arten des Antisemitismus scheinen für Menschen mit einer düsteren Persönlichkeit als Vehikel attraktiv zu sein. So hängen beispielsweise beide mit Psychopathie zusammen.

Wie bewerten Sie Ihre Ergebnisse?

Wir sehen in dem dark-ego-vehicle principle einen Ansatz, die psychischen Mechanismen des Antisemitismus besser zu erkennen. Menschen mit einer düsteren Persönlichkeit entwerten andere Gruppen, weil es vermutlich ihren düsteren Bedürfnissen dient.

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Quelle

Alex Bertrams, Ann Krispenz: Antisemitism as a dark-ego vehicle. Current Psychology, 2025. https://doi.org/10.1007/s12144-024-07120-z

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