Schutz vor Energieräubern

Vor Überforderung kann man sich schützen - indem man disziplinierter wird und sich selbst besser organisiert.

Sind wir hundemüde, können wir uns kaum dazu durchringen, konzentriert zu arbeiten, eine Entscheidung zu treffen oder etwas zu planen. In diesem Zustand neigen wir auch zu emotionalen Überreaktionen. Kurzum: Je weniger geistige Energie wir haben, desto mehr leidet unsere Selbstkontrolle. Der amerikanische Psychologe Roy Baumeister beobachtete dies bereits vor rund zwanzig Jahren bei Teilnehmern im Labor und taufte den Zustand ego depletion (Selbsterschöpfung). Jetzt belegt eine aktuelle Studie: Wer von Natur aus selbstdiszipliniert ist, ist offenbar geschickter darin, Überforderung im Alltag zu vermeiden.

Für die neue Studie werteten die Wissenschaftler erstmals Daten zur Selbstkontrolle und Selbsterschöpfung aus, die nicht im Labor entstanden. Sie stammten aus der sogenannten SoulPulse Study zum Wohlbefinden und zur Ego-Depletion, die zwischen Ende 2013 und Frühjahr 2017 stattfand. Dabei ermittelten Baumeister, der US-amerikanische Soziologe Brad Wright von der University of Connecticut sowie weitere Psychologen an US-Universitäten umfassend Wohlbefinden, persönliche Überzeugungen wie Religiosität und Spiritualität ihrer Teilnehmer sowie deren Persönlichkeit. Sie fragten auch nach den Lebensgewohnheiten. So standen den Forschern die Antworten von über 3300 Personen zur Verfügung.

Repräsentativ sei diese Stichprobe nicht, heißt es, denn Voraussetzung für die Teilnahme war der Besitz eines Smartphones. Es handele sich also um eher jüngere, gebildete Städter. Die Teilnehmer waren im Schnitt 44 Jahre alt und zu etwas über 60 Prozent weiblich. Alle wurden zunächst vor Ort hinsichtlich ihrer Persönlichkeit, ihren religiösen Überzeugungen, ihrer Selbstkontrolle oder ihrer Gesundheit befragt. Dann bekamen sie über zwei Wochen hinweg zweimal täglich einen Fragebogen auf ihr Handy geschickt – und standen auf diesem Weg den Psychologen Rede und Antwort.

Ermüdende Momente vermeiden

Indem sie die Probanden danach fragten, wie oft sie sich geistig erschöpft fühlten, fanden Baumeister und seine Kollegen heraus, welche der Probanden generell viel Selbstkontrolle (trait self-control) besaßen. Ob jemand von Natur aus besonders selbstdiszipliniert ist, spiele eine wichtige Rolle: „Denn selbstkontrollierte Menschen scheinen ihren Tag besser zu planen – so dass sie erschöpfenden Momenten aus dem Weg gehen und auf diese Weise weniger Ego-Depletion erleben“, schreiben die Forscher. Sie gingen darüber hinaus einer Reihe von „Energieräubern“ nach, zu denen nicht nur Hunger und Schlafmangel, sondern auch Streitereien mit unseren Mitmenschen, Schmerz sowie Krankheit zählten.

So bestätigten die Wissenschaftler unter anderem: Guter, ruhiger Schlaf ist prima für unsere Selbstkontrolle. Aber leider gilt offenbar auch: Schlechter Schlaf kann emotional und mental auslaugen – wodurch wir leichter überreagieren und zu übereilten Entscheidungen neigen. Schmerz und Krankheiten nagen ebenfalls an unserer Selbstbeherrschung. Dabei scheint chronischer Schmerz besonders knifflig zu sein: Betroffene erfahren anhaltende Ego-Depletion. „Unsere Beobachtungen demonstrieren einen wichtigen Zusammenhang zwischen Körper und Geist“, betonen die Forscher.

Multitasking trage ebenfalls zur Ego-Depletion bei, heißt es. Selbst die Teilnehmer mit grundsätzlich starker Selbstkontrolle gaben an, Multitasking sei anstrengend für sie. Allerdings hatten diese Probanden einen Vorteil: Weil sie besser planten und ihren Tagesablauf gut organisierten, gerieten sie deutlich seltener in die Lage, mehrere Dinge auf einmal erledigen zu müssen.

Gehetzt durchs Leben

„Dagegen sind Leute mit wenig Selbstkontrolle daran zu erkennen, dass sie sich häufig gehetzt fühlen, dass sie kaum reflektieren, was sie gerade tun, und dass sie dazu neigen, reflexhaft und unüberlegt zu reagieren“, stellten die Wissenschaftler um Baumeister fest. Auch das Alter spielt offenbar eine Rolle dabei, ob eine Person sich im Griff hat: Jüngere Probanden beherrschten sich weniger gut als ältere Teilnehmer.

Aber wie können wir alle – ungeachtet Alter oder Naturell – die Ego-Depletion umgehen? „Schlafen Sie sich möglichst immer gut aus, und vermeiden Sie Konflikte mit Ihren Mitmenschen“, raten die Forscher. Denn Schlafmangel und Streitereien waren die zwei größten Energieräuber. Außerdem machten die Forscher eine interessante Beobachtung: „Menschen mit starken ideologischen und religiösen Überzeugungen klagten seltener über Ego-Depletion“, so die Psychologen. Dasselbe galt für Teilnehmer, die glaubten, ihr Leben habe einen Sinn.

Quelle

Roy F. Baumeister u. a.: Self-control “in the wild”: Experience sampling study of trait and state self-regulation. Self and Identity, 2018. DOI:10.1080/15298868.2018.1478324

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Wie Selbstcoaching uns hilft, gesund zu bleiben, berichten wir in Psychologie Heute Compact Nr. 55/2018.

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute Compact 55: Den Alltag meistern
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