Den eigenen Mond erreichen

Die Mondlandung war das Ergebnis der Kooperation und des Einsatzes sehr vieler Menschen. Dies beschreibt der Psychologe Richard Wiseman in einem Buch.

Wer auf dem Mond spazieren gehen will, hat sich mehr vorgenommen als andere. Es ist ein so ambitioniertes Ziel, dass manche Zeitgenossen daran zweifeln, dass es je erreicht wurde. Mit dunklen Verschwörungstheorien, die in den Apollo-Flügen zum Mond nur einen Riesenbetrug sehen, hat Richard Wiseman jedoch nichts am Hut. Wenn er sich in seinem Buch Sprung auf den Mond der ersten Mondlandung widmet, will der britische Psychologe und Sachbuchautor anhand der Pioniertat der NASA psychologisch basierte Lehren für unser Alltagsleben ableiten. Kann das gelingen?

Der Raumflug zum Mond, auf den Präsident John F. Kennedy 1961 seine Nation eingeschworen hatte, war ein tollkühnes Unterfangen und seine Erfüllung selbst für eine Supermacht eine enorme Kraftanstrengung, an der bis zu 400 000 Menschen beteiligt waren.

Den Weg für die Astronauten gebahnt

Der Autor hat sich das Personal näher angesehen, mit dem die NASA dies bewerkstelligte. Erstaunlicherweise waren die Mitarbeiter im Kontrollzentrum in Houston oft weder erfahrene Ingenieure noch Wissenschaftler. Die „unbekannten Helden der Mondfahrt“, so nennt sie der Apollo-Astronaut Charlie Duke, stammten oft aus bescheidenen sozialen Verhältnissen und sie waren mit durchschnittlich 27 Jahren auch relativ jung. Aber es trieb sie eine besondere innere Einstellung an, die ihnen half, Kennedys Vorgabe zu erfüllen. Was brachte so viele Menschen zu dem enormen Arbeitseinsatz? In eigenen Interviews und beim Stöbern in Archiven rekonstruiert Wiseman die Leidenschaft, mit der die Bodenmannschaft Armstrong und elf weiteren Astronauten den Weg bahnte: „Ich würde nicht von Arbeit sprechen, sondern von Spiel. Ich hatte nie das Gefühl, dass wir gearbeitet haben. Es hat Spaß gemacht“, zitiert Wiseman einen leitenden Ingenieur.

Was besagt dies nun für die persönlichen Ziele, die wir uns im Leben setzen? Laut Wiseman darf es ruhig eine Nummer größer sein. „Statt über die Gründung eines Kleinunternehmens nachzudenken, stellen Sie sich lieber den Aufbau eines Imperiums vor“, schreibt er – dies wäre sozusagen ein dem Apollo-Projekt ebenbürtiges Ziel. Dazu ein praktischer Tipp vom Autor: Wer seine Ziele in ein Tagebuch einträgt, hat um 30 Prozent bessere Aussichten, sie zu erreichen.

Schon seinerzeit wurde mit dem Mondflug für allerlei Banales wie Rohre oder Kopiergeräte geworben. Und auch heute will die Ratgeberliteratur vom erwartbaren Jubiläumsfokus in den Medien profitieren. Dennoch ist Wiseman eine gehaltvolle Lektüre gelungen, sie verdient auch Leser, die normalerweise nicht der Raumfahrt zugetan sind. Zudem gelingen ihm immer wieder interessante zeitgeschichtliche Einblicke. Und die praktischen Übungen, mit denen er zur Selbstreflexion und Selbstoptimierung anhält, mögen auch bei der Annäherung an persönliche Ziele hilfreich sein.

Richard Wiseman: Sprung auf den Mond. Wie wir Unerreichbares schaffen können. Aus dem Englischen von Jürgen Neubauer. S. Fischer, Frankfurt a. M. 2019, 220 S., € 18,–

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 8/2019: Paare im Stress
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