„Wir sind abgeschnitten vom Rest der Menschheit“

Sechs Menschen, zwölf Monate, eine Mission: Ein US-Forschungsprogramm HI-SEAS simuliert das enge Zusammenleben in einer Marsstation.

Frau Dr. Heinicke, Sie leben seit August 2015 in einer besonderen Wohngemeinschaft: Zusammen mit fünf anderen Wissenschaftlern bevölkern Sie für ein Jahr eine simulierte Marsstation auf Big Island, der größten hawaiianischen Insel. Wie außerirdisch fühlt sich Ihr Leben derzeit an?

Nun, es fühlt sich nicht an, als wären wir auf einem anderen Planeten, denn wie in Deutschland gibt es hier Wolken, Wind und blauen Himmel, die wir auch aus unserem einzigen Fenster sehen können. Dafür wirkt die vegetationslose…

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Himmel, die wir auch aus unserem einzigen Fenster sehen können. Dafür wirkt die vegetationslose Vulkanlandschaft von Hawaii umso fremdartiger. Dazu kommt die geografische und soziale Isolation: Wir sind definitiv weit weg von allem Geschehen daheim. Da macht es keinen Unterschied, ob 50 Millionen oder nur 50 Kilometer dazwischen liegen – wir sind abgeschnitten vom Rest der Menschheit.

Sie und Ihre fünf Mitbewohner sollen über die Dauer Ihres Aufenthalts unter möglichst ähnlichen Bedingungen leben, wie es Astronauten auf Marsmission tun würden. Was bedeutet das?

Wir wohnen in einem kuppelförmigen Habitat, das wir nur in Raumanzügen verlassen können. Das Habitat steht am Hang des Vulkans Mauna Loa inmitten ausgedehnter, praktisch vegetationsloser Lavafelder, fernab der Zivilisation. Jeglicher Kontakt mit der Außenwelt ist auf E-Mails beschränkt, die wegen des großen Abstands zwischen Mars und Erde 20 Minuten lang zu uns unterwegs sind. Die letzte Person, die wir von uns einmal abgesehen in natura gesehen und gehört haben, ist die Studienleiterin, die im August die Tür hinter uns geschlossen hat.

Wie sieht Ihr Alltag derzeit aus?

Es gibt sieben Fragebögen, die wir jeden Tag ausfüllen, dazu kommen weitere wöchentliche und monatliche. An ausgewählten Tagen führen wir Gruppenexperimente durch, die unter anderem untersuchen sollen, wie sich der Zusammenhalt im Team im Lauf der Zeit ändert. Dazwischen haben wir im Prinzip Freizeit, die wir unter unseren eigenen wissenschaftlichen Projekten, Sport und Hobbys aufteilen. Das Abendessen ist eines der wichtigsten Ereignisse, da kommen wir alle zusammen und reden über unseren Tag. Anschließend unternehmen wir oft etwas gemeinsam; mittwochs ist Spiele-, freitags Filmabend. Jeder hat einen Tag Küchendienst, samstags ist Resteessen, und am Sonntag putzen wir. An etwa zwei Tagen in der Woche haben wir Außeneinsätze, sogenannte EVAs.

Wie weit dürfen Sie sich bei diesen Ausflügen vom Habitat entfernen?

Etwa zwei Kilometer. Das klingt wenig, aber auf dem Lavagestein und im Anzug kommt man nur langsam vorwärts, sodass wir für diese Distanz etwa eine Stunde brauchen. In der Regel dauern unsere Außeneinsätze zwei bis drei Stunden, und das schließt die Arbeit selbst ein, den Weg dorthin und fünf Minuten in der Luftschleuse beim Ein- und Ausstieg.

Sie sind sonst seit mehreren Monaten umgeben von immer denselben Menschen, denselben Dingen, auf begrenztem Raum. Wie erleben Sie das?

Wir suchen uns abwechslungsreiche Beschäftigungen. Ich zum Beispiel lerne Französisch und Mundharmonika. Einige von uns arbeiten an wissenschaftlichen Projekten. Wenn das Neue nicht mehr zu uns kommen kann, erschaffen wir eben Neues.

Wie hat sich die Beziehung zu Ihren Mitbewohnern seit dem Einzug verändert?

Im Großen und Ganzen haben sich Tendenzen, die sich am Anfang schon abgezeichnet haben, verstärkt. Diejenigen Crewmitglieder, mit denen ich beim Einzug auf gutem Fuß stand, sind heute enge Freunde, während ich die, mit denen es gleich Reibereien gab, bestenfalls als Kollegen oder Mitbewohner bezeichnen würde.

Wie gehen Sie mit dem Thema Sex um? Ist Sex „erlaubt“, sind Beziehungen gar erwünscht?

Vonseiten der Studienleitung ist Sex weder verboten, noch wird er gefördert. Wir wurden nur darauf hingewiesen, dass Beziehungen problematisch werden können, wenn sie zerbrechen – man kann dem oder der Ex hier schließlich nicht aus dem Weg gehen. Crewintern waren wir uns alle von Beginn an einig, dass Beziehungen akzeptabel sind, solange sie die Mission nicht beeinträchtigen. Zu den Situationen, die wir uns vorgenommen haben zu vermeiden, zählen lautstarke Konflikte, Eifersüchteleien, aber auch das Gegenteil: allzu öffentliches Herumgeknutsche.

Klappt das?

Bisher ja – zumindest habe ich noch keine der eben genannten Verhaltensweisen hier beobachtet.

In anderen Isolationsstudien kam es zu teils erheblichen Spannungen in der Gruppe.

Bei uns läuft bisher alles friedlich ab. Klar hatten wir Auseinandersetzungen, und zwei- oder dreimal haben sich einzelne Crewmitglieder für den Rest des Tages in ihre Zimmer zurückgezogen. Aber jedesmal haben wir spätestens am nächsten Morgen wieder miteinander gesprochen und zusammen gearbeitet.

Was haben Sie im Verlauf des Aufenthalts lernen müssen – über sich und andere?

Ich habe mich immer für eine schlechte Köchin gehalten. Doch tatsächlich gibt es an meinen Küchendiensttagen die wenigsten Reste, egal wie voll der Topf vorher war. Dass ich zum Beispiel viel toleranter geworden bin, glaube ich aber nicht. Ich habe schon immer dazu geneigt, kleine Fehler oder Unachtsamkeiten durchgehen zu lassen. Erst wenn sie sich häufen, bringe ich sie zur Sprache. Ich denke, wer ständig auf Kleinigkeiten herumreitet, macht sich selbst das Leben schwerer.

Wie ist es um Ihre Privatsphäre bestellt? Gibt es so etwas für Sie derzeit überhaupt?

Jeder hat sein eigenes Zimmer, das zwar winzig ist, aber mit allem Notwendigen ausgestattet. Wer seine Ruhe haben möchte, kann sich also zurückziehen. Überhaupt: Wir haben zwar Kameras im Habitat, die sind aber nur auf den Essbereich gerichtet. Labor, Bad, Lagerraum, Gemeinschaftsraum, unsere Zimmer – all diese Bereiche sind nicht überwacht.

Wie geht es Ihnen körperlich? Bemerken Sie Einschränkungen, was Bewegung, Schlaf, Konzentration angeht?

Die anderen behaupten, dass ich 30 Stunden am Tag schlafe. Tatsächlich ist es aber in etwa so viel wie vor Missionsbeginn. Ich achte darauf, regelmäßig auszuschlafen, damit ich mich besser konzentrieren kann. Schwieriger ist für mich der Bewegungsmangel. Einige von uns treiben täglich mehrere Stunden Sport, wir haben hier ein Laufband, ein Generatorfahrrad und Yogamatten. Das ist mir zu eintönig: Nach einer halben Stunde auf dem Fahrrad hatte ich genug für den Rest der Mission. Im Moment nutze ich das Laufband regelmäßig – und lese dabei.

Die Stimmung von Teilnehmern ähnlicher Isolationsexperimente soll sich laut Studien nach einer gewissen Zeit verschlechtern. Bemerken Sie so etwas bei sich oder Ihren Mitbewohnern?

Das würde man vor allem ungefähr zur Halbzeit erwarten, zu Beginn des sogenannten dritten Viertels, wenn der Alltag längst eingetreten, das Ende der Mission aber noch lange nicht in Sicht ist. Mir selbst ist um die Zeit herum keine Verschlechterung aufgefallen. Das muss aber nichts heißen – wir wären nicht die Ersten, denen diese schleichende Veränderung entgangen ist. Genau deshalb führen wir ja regelmäßig Experimente durch, die unsere Kooperationsbereitschaft und Produktivität objektiv bewerten sollen.

Was stört Sie in Ihrem Alltag am meisten?

Wir können nicht spontan nach draußen gehen, wenn das schöne Wetter lockt. Dazu kommt, dass wir immer einen Anzug tragen müssen, egal wie warm es ist. Daher ist es kein Zufall, dass meine Duschtage mit unseren EVA-Tagen zusammenfallen.

Dürfen Sie nur begrenzt duschen?

Nein, aber intern wetteifern wir darum, wer am kürzesten duscht und somit am wenigsten Wasser verbraucht. Unsere männlichen Teamkollegen liegen häufig unter einer Minute, ich schaffe es selten unter zwei. Darüber hinaus haben wir uns angewöhnt, ein- bis zweimal in der Woche zu duschen, bevorzugt nach schweißtreibenden Aktivitäten. Dazwischen waschen wir uns; es stinkt niemand.

Was fehlt Ihnen besonders?

Frische Tomaten! Wir arbeiten daran, aber es ist nicht einfach, hier Pflanzen zu ziehen.

Was ist daran so schwierig?

Unsere Pflanzen leiden unter Lichtmangel und einer Fliegenplage. Hier auf 2500 Meter Höhe verirrt sich selten ein Lebewesen. Aber irgendwoher haben sich Fliegen in unseren Kompostiertoiletten eingenistet, und deren Larven mögen auch junge Pflänzchen.

Was essen Sie sonst?

Unser „normales“ Essen besteht aus Gefriergetrocknetem, dazu Nudeln und Reis. Wir haben Gemüse, Obst, Fleisch, Milch – alles, was man in der Küche so braucht. Nur eben in dehydrierter Form. Der Vorteil: Alles ist schon in mundgerechte Stücke vorgeschnitten, man braucht es nur noch in eine Schüssel mit Wasser werfen und warten.

Was ist für Sie die größte Herausforderung bei dieser Mission?

Das klingt vielleicht banal, aber ich vermisse, ungehindert geradeaus laufen zu können. Wir sind bis auf fünf bis sechs Stunden in der Woche ständig drinnen. Der Durchmesser unseres Habitats beträgt etwa zwölf Meter, das ist die längste Strecke, die wir zurücklegen können, ohne umkehren zu müssen.

Was tun Sie, um bei Laune zu bleiben?

Das hängt vom Tag ab. Ich liebe unsere Außeneinsätze, besonders wenn wir uns dabei weiter vom Habitat entfernen. Ich lerne wie gesagt Französisch und gelegentlich Morsecode. Theoretisch übe ich auch, Mundharmonika zu spielen, aber dazu bin ich schon seit einigen Wochen nicht mehr gekommen.

Sie werden teils von Kameras beobachtet, Puls, Schlaf, Bewegungen werden aufgezeichnet. Wissenschaftler aus aller Welt erhoffen sich daraus Erkenntnisse zum Beispiel dazu, wie sich das Zusammenleben in isolierten Gruppen entwickelt. Wie viel bekommen Sie davon mit?

Die Kameras sind ja nur auf den Essbereich ausgerichtet und zeichnen keinen Ton auf. Wir tragen Fitness-Tracker am Handgelenk, die spürt man kaum. Andere Sensoren, die wir unter anderem um den Hals legen müssen, sind störender, aber die tragen wir nur zu bestimmten Zeiten. Neben dieser passiven Überwachung führen wir regelmäßig die verschiedenen Sozialexperimente durch. Die wohl meiste Zeit verbringen wir aber mit dem Ausfüllen der Fragebögen. Darin geht es zum Beispiel um unsere Stimmung während des Tages, mit wem wir wie erfolgreich interagiert haben oder wie wir in der Nacht geschlafen haben.

Inwieweit beeinträchtigt Sie die Rolle als Versuchsperson?

Beeinträchtigen ist das falsche Wort. Klar würde ich die Stunden am Tag, die für die Untersuchungen draufgehen, lieber für meine eigene Forschung nutzen. Aber ich gehöre auch zu dem Teil der Gruppe, der sofort noch mehr Versuche auf sich nehmen würde, um aus dieser einmaligen Gelegenheit wissenschaftlich so viel wie möglich herauszuholen.

Wie geht es Ihnen mit dem Mangel an Natur?

Ich finde das Vulkangestein um uns herum nicht so trostlos, wie es sich für andere vielleicht anhört. Die Landschaft ist fremdartig und spannend für mich: Man sieht die unmöglichsten Formen, in denen das Gestein mitten im Fluss erstarrt ist. Nach fünf Monaten haben wir unseren Bewegungsradius allerdings so gut wie ausgeschöpft, es wird zunehmend schwerer, noch Neues zu entdecken. Dazu engt uns der Anzug ein, und es kann ziemlich lästig sein, eine interessante Gesteinsformation durch den Helm betrachten zu müssen und nicht mit den Fingern berühren zu können. Manchmal schaue ich mir sehnsüchtig Fotos von alten Ausflügen an. Mal wieder nach einer schweißtreibenden Wanderung in einem Waldsee zu baden wäre schon schön. Aber unser Leben hier ist so andersartig, dass ich wohl mehr irritiert als glücklich wäre, hier einen Baum oder einen See zu finden. Und die Abgeschiedenheit hat durchaus auch Vorteile: Selbst durch unser Fenster hindurch können wir problemlos die Milchstraße erkennen.

Jedes Crewmitglied hat nur begrenzten, um 40 Minuten verzögerten Zugang zum Internet. E-Mails erreichen Sie erst mit 20 Minuten Verspätung. Die Möglichkeiten, Kontakt mit der Außenwelt zu halten, sind entsprechend gering. Wie hat sich Ihre Art zu kommunizieren verändert?

Ich war nie der große Telefonierer, die Beschränkung auf E-Mails fällt mir daher meist gar nicht auf. Erst bei Problemen, die sich per Mail einfach nicht effizient lösen lassen, vermisse ich die Möglichkeit, einfach zum Hörer zu greifen. Ich bin gezwungen, auch komplizierte Sachverhalte schriftlich darzulegen. Durch den Zeitverzug kann der Empfänger nicht mal eben nachfragen, wenn etwas unklar geblieben ist. Dadurch erstrecken sich fast alle „Gespräche“ über längere Zeiträume. Was außerhalb der Station eine Stunde dauert, kann sich hier über mehrere Tage hinziehen.

Inwieweit beeinflusst Ihr Aufenthalt die Beziehung zu Freunden und Familie?

Ich tausche mit ihnen gelegentlich Videonachrichten aus, wobei ich es immer noch eigenartig finde, mit einer Kamera zu sprechen. Ich denke, unser Kontakt hat sich vom Umfang her wenig geändert, nur das Medium ist jetzt ein anderes. Vermutlich hilft es, dass meine Freunde und Familie an die Trennung gewöhnt sind; ich habe schon vor Beginn der Mission für längere Zeiten im Ausland gelebt.

Sie haben sich vorgenommen, während der HI-SEAS-Zeit „mindestens eine Sprache zu lernen und ein Instrument“ – und ab und zu Kuchen zu backen. Wie sind Sie damit vorangekommen?

Die Französisch-Grundlagen sitzen, und demnächst werde ich anfangen, mit unserem französischen Teammitglied zu üben. Zum Mundharmonikaspielen komme ich nur sporadisch, das kann man leider nicht nebenher auf dem Laufband machen. Kuchen backe ich gelegentlich, aber die anderen backen auch sehr gern, sodass wir uns mit dem Aufessen regelrecht beeilen müssen.

Und Ihre Forschung? Sie haben mit dem Aufenthalt ja auch wissenschaftliche Ziele verknüpft.

Eines meiner Projekte ist die Gewinnung von Wasser aus dem Boden. Das Lavagestein hier ist vergleichbar mit dem Mars, sowohl was den Wassergehalt angeht als auch die chemische Zusammensetzung. In einer Woche gewinne ich durch reine Verdunstung etwa zwei Liter Wasser aus einem Quadratmeter Boden. Die anderen Projekte beschäftigen sich unter anderem mit unserem Wasserverbrauch, unserem Schlafverhalten und Problemen, die mit Pflanzenwachstum auf Marsboden zusammenhängen.

Worin besteht für Sie der größte Reiz an dem HI-SEAS-Experiment?

Für mich waren zwei Gründe für die Teilnahme ausschlaggebend: die persönliche Herausforderung und die Möglichkeit, aktiv zur Weltraumforschung beizutragen. Ein angenehmer Nebeneffekt ist, dass ich einen recht tiefen Einblick in die Spezialgebiete meiner Teamkollegen erhalte.

Was interessiert Sie da besonders?

Cyprien Verseux ist unser Astrobiologe, der hier unter anderem an Cyanobakterien forscht. Das Faszinierende an diesen Bakterien ist, dass sie im Labor unscheinbar wirken, sie sehen fast wie ein Schluck Waldmeisterbrause aus. Tatsächlich steckt in ihnen großes Potenzial: Sie können das Leben auf dem Mars ermöglichen und als Nahrungsquelle, Sauerstofflieferant oder sogar Dünger für Pflanzen dienen.

Wie hoch ist eigentlich die Vergütung dafür, ein Jahr die Kontrolle über sein Leben abzugeben?

Wir erhalten eine Aufwandsentschädigung, freies Essen und freie Unterkunft. Im Gesamtwert entspricht das dem, was ich in Deutschland als wissenschaftliche Mitarbeiterin erhalten habe.

Wie bereiten Sie sich auf die Rückkehr in die Zivilisation vor?

Den ersten Tag nach dem Ende der Simulation stelle ich mir schwierig vor – plötzlich wieder von so vielen Menschen umgeben zu sein. Deshalb werde ich im ersten Monat nach meiner Rückkehr „auf die Erde“ erst einmal ausgiebig zelten gehen.

Was nehmen Sie als wichtigste Erfahrung mit?

Weil wir nicht mal eben im nächsten Supermarkt unsere Essensvorräte auffüllen können, müssen wir einen Überblick darüber behalten, was wir verbrauchen. Unser Strom wird von Solarpaneelen erzeugt und in Akkus gespeichert, die wir nachts entladen. Da diverse Systeme über Nacht laufen müssen, bedeutet das, dass wir zum Beispiel nach Sonnenuntergang nicht mehr kochen können. Noch stärker ist der Einschnitt beim Wasser: Wir sparen, wo wir können. Die gesamte sechsköpfige Crew verbraucht pro Tag knapp 100 Liter Wasser. Das ist weniger, als ein einzelner deutscher Durchschnittsbürger täglich verwendet, und der hat kein gefriergetrocknetes Essen, das mit Wasser versetzt werden muss. Das zeigt mir, dass wir alle deutlich ressourcenschonender leben könnten. Meine Hoffnung ist, dass die Entwicklungen, die nötig sind, um das Überleben von Menschen auf dem Mars zu sichern, auch den „Daheimgebliebenen“ auf der Erde von Nutzen sein werden.

Worauf freuen Sie sich am meisten?

Frisches Obst, frisches Gemüse, frisches Fleisch, frische Milch, frisches – alles. Und mal wieder weiter weg als eine Handvoll Kilometer von meinem Arbeitsplatz zu sein.

Würden Sie wieder teilnehmen, wieder ein Jahr in Isolation leben?

Ja – wenn die richtigen Menschen dabei sind.

Was ist Ihnen da besonders wichtig?

Wer dauerhaft auf so engem Raum zusammenleben will, muss ein Teamplayer sein, nett, kooperativ, und grundsätzlich Respekt vor anderen haben. Das ist schwerer, als es klingt. Jeder kann für ein paar Stunden oder Tage nett sein, aber eine Fassade kann man nicht über Monate aufrechterhalten. Da ist man, wie man ist. PH

Interview: Eva-Maria Träger

Das Interview wurde per E-Mail geführt

Christiane Heinicke, 30, ist promovierte Physikerin. Die Bitterfelderin studierte in Ilmenau und Uppsala. Bevor sie sich für die Teilnahme bewarb, arbeitete sie an der Aalto University in Helsinki. Über ihr Leben im Habitat schreibt sie auf www.scilogs.de/leben-auf-dem-mars

Was ist HI-SEAS?

Das Programm Hawaii Space Exploration Analog and Simulation (HI-SEAS) ist ein Projekt der Universität von Hawaii. Mit Unterstützung der US-Raumfahrtbehörde NASA erforschen Wissenschaftler seit 2012, wie sich das isolierte Zusammenleben auf eine Gruppe auswirkt. Dafür werden je sechs freiwillige „Astronauten“ ausgewählt, die gemeinsam mehrere Monate in einer simulierten Marsstation zubringen. Die Forscher erhoffen sich unter anderem Erkenntnisse über die ideale Zusammensetzung künftiger Astronautenteams. Die aktuelle vierte Mission ist die erste mit einer Länge von einem Jahr. www.hi-seas.org

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 6/2016: Drüber stehn!