Mann, ist das traurig

Wie man Männer in einer Verlustkrise ünterstützen kann, zeigt Thomas Aschenbach.

Männer sitzen nicht gern in Wollsocken im Stuhlkreis. Sie machen auch nicht besonders gern Traumreisen. Jedenfalls im Allgemeinen. Der Titel des Buchs von Thomas Achenbach Männer trauern anders ist zwar eine grobe Verallgemeinerung. Aber durchaus eine zulässige.

Männliche Trauer, so scheint es, verbirgt sich hinter einer Fassade von Selbstkontrolle und Tüchtigkeit. Ohne diese Kontrollillusion ist die Ohnmacht, die der Tod eines geliebten Menschen auslöst, offenbar schwer zu ertragen. Vor allem ältere Männer machen selten viel Worte um das, was sie bewegt.

Naheliegend, dass der Trauerbegleiter Thomas Achenbach eine Erfahrung gemacht hat, die er mit der gesamten Branche teilt: Männer sind nicht leicht für Beratungsangebote zu gewinnen. Ohnehin sind Tod und Trauer weibliche Domänen. Frauen machen Hospizarbeit, leiten ehrenamtliche Trauergruppen – und besuchen sie.

Wer das Buch Achenbachs lesen wird? Sehr wahrscheinlich: Frauen. Das heißt natürlich nicht, dass Männer nicht trauern. Sie machen den Verlust schlicht mit sich selbst ab. Das kann funktionieren, muss aber nicht. Die hohe Suizidrate von Männern, die Achenbach anführt, ist zwar nicht zwingend Folge eines schiefgegangenen Trauerprozesses, macht aber doch deutlich: Manche Männer kommen mit den eigenen Strategien zur Bewältigung von Problemen nicht zurecht.

Verdienstvolle Vorschläge

Wie sie unterstützt werden können, zeigt Achenbachs Buch. Seine schön konkreten Vorschläge wenden sich dabei vor allem an professionelle Trauerbegleiter. Man könne Vortragsreihen anbieten zum Thema Wissenschaft und Trauer. Oder eine Kochgruppe für Witwer, denen Praxiserfahrungen in der Küche fehlen. Fotografie, Malen, Bewegung. Und natürlich: Lagerfeuerabende – ein Klischee zwar, aber eben trotzdem kraftvoll und verbindend. Und warum nicht mal ein Fitnessstudio mit einem Trauernden besuchen?

Auch eine männergerechte Wortwahl mahnt der Autor an. Das scheint nicht einfach, zumal sein Buch selbst den leicht betulichen, weichen Ton sucht, der Trauerbücher zu Trostbüchern machen soll.

Dennoch: Achenbachs Vorschläge sind verdienstvoll, insoweit sie Männer in ihren Bedürfnissen ernst nehmen. Wer allein nicht zurechtkommt, ist in einer Trauergruppe – egal welchen Zuschnitts – tatsächlich gut aufgehoben. Und doch bleibt ein merkwürdiger Beigeschmack und die Frage: Ist es wirklich fair, an der „Männertrauer“ bloß das Defizitäre auszumachen?

Vielleicht hat unsere Gesellschaft, die inzwischen coacht und therapiert, was das Zeug hält, ja doch einen blinden Fleck für (männliche) Tugenden, die weniger kommunikativ, aber pflichtbewusst daherkommen. Nach innen zu trauern, nach außen Verantwortung zu übernehmen angesichts einer Tragödie: Das hat ja nicht nur etwas Klassisch-Männliches. Sondern auch eine wichtige Funktion für die Gemeinschaft. Und, was gern übersehen wird, eine gewisse Würde.

Monika Goetsch

Thomas Achenbach: Männer trauern anders. Was ihnen hilft und guttut. Patmos, Ostfildern 2019, 167 S., € 17,–

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 3/2020: Ruhe im Kopf
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