Im Herbst 2018 veröffentlichten drei US-Wissenschaftlerinnen einen bemerkenswerten Befund. Sie hatten die Familiengeschichte von Männern unter die Lupe genommen, die in den 1860er Jahren im Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südstaaten gekämpft hatten. Ein Teil der Soldaten war in dieser Zeit in Gefangenschaft geraten – sie hatten dort unter oft menschenunwürdigen Bedingungen vegetiert.
Diese traumatische Erfahrung hatte generationenübergreifende Folgen: Wenn ehemalige Kriegsgefangene nach der Rückkehr zu ihren Familien Söhne zeugten, wurden diese oft nicht alt. Gegenüber vor dem Krieg geborenen Brüdern verstarben sie mehr als doppelt so häufig vor Erreichen ihres 45. Lebensjahres. Ursache war ein erheblich erhöhtes Risiko für Hirnblutungen und Krebserkrankungen. Bei den Töchtern fand sich diese Auffälligkeit nicht, ebenso wenig bei Kindern (Mädchen oder Jungen) von Soldaten, die nicht in Feindeshand geraten waren.
Es sieht fast so aus, als hätten die Ex-Gefangenen ihre Traumatisierung weitervererbt. Und zwar ausschließlich an ihre Söhne, die dadurch anfälliger für lebensbedrohliche (und möglicherweise stressbedingte) Erkrankungen wurden. Diese These vertreten jedenfalls die Autorinnen: „Unsere Beobachtungen passten am besten zu einer epigenetischen Erklärung“, schreiben sie.
In den Kinderschuhen
Die Epigenetik ist ein noch junges Forschungsfeld. Der Wortzusatz epi (Altgriechisch: danach, dazu, außerdem) signalisiert, dass die Wissenschaft hier gerade eine Art Anhang zur Genetik schreibt. Die Epigenetik rüttelt an der klassischen genetischen Sicht,...
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