„Ich komme wegen meines Sohnes.“ Herrn S.' Erscheinung ist so korrekt wie sein Genitiv. „Was ist denn mit Ihrem Sohn, und warum kommt er nicht selbst?“ Herr S. schaut mich an, als hätte ich überhaupt keine Ahnung und als sei meine naheliegende Frage die dümmste, die er je gehört hat. „Mein, das heißt: unser Sohn ist plötzlich ganz anders geworden. Er ist wie verwandelt. Auch seine Schwester erkennt ihn nicht wieder. Er verlässt sein Zimmer nicht mehr.“ „Vielleicht hat er schulische Probleme?“ Herr S. schaut mich mitleidig an: „Mein, also: unser Sohn ist kein Kind mehr.“ Das hatte ich mir angesichts des fortgeschrittenen Alters von Herrn S. auch gedacht.
„Ihr Sohn hat also Probleme mit Ihnen, beziehungsweise Sie haben Probleme mit Ihrem Sohn.“ Etwas Schlaueres fällt mir leider auch nicht ein. Der Mann macht mich sprachlos. Vielleicht so, wie seinen Sohn auch. „Die ganze Familie hat Probleme mit ihm. Meine Frau. Meine Tochter. Für sie ist er kein Bruder mehr.“ Schöne Familie, denke ich. „Ihr Sohn scheint ziemlich isoliert in Ihrer Familie.“ (Mit meinen Trivialitäten übertreffe ich mich wieder selber.) „Kein Wunder“, antwortet der Vater.
Mir wird zunehmend unheimlich zu Mute. „Hmmmm.“ „Was meinen Sie damit?“, fragt Herr S. (Dasselbe möchte ich auch gerne wissen.) „Ich glaube, dass ich nichts für Sie tun kann. Dafür müsste Ihr Sohn schon selbst zu mir kommen.“ Herr S geht mit einem schnaubenden Lachen, als hätte ich wirklich nichts begriffen. Das deckt sich mit meinem Eindruck.
Aus welchem Buch stammt der beschriebene Patient? Hier finden Sie die Auflösung.
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