Manchmal toxisch

Warum Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich selbst bezichtigen, wenn sie von Vorgesetzten schlecht behandelt werden.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die an sich eine gute Beziehung zu ihren Vorgesetzten haben, reagieren offenbar mit Selbstbeschuldigungen auf unerwartet negatives Verhalten ihrer Führungskräfte. Dies ist das Ergebnis zweier psychologischer Studien. Wie die Autoren schreiben, berichteten die Teilnehmenden, dass sie nach plötzlichem Mobbing ihre Vorgesetzten mehr unterstützten als vorher, vermutlich, um die gute Arbeitsbeziehung nicht zu gefährden.

Negatives Verhalten von Vorgesetzten, wie etwa das Ignorieren von E-Mails, oder Witze auf Kosten einzelner, wird in der Psychologie unter dem Begriff abusive supervision zusammengefasst. Wie die Wissenschaftler schreiben, kann es auch dann passieren, wenn die Beziehungen zwischen einer Führungskraft und einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter eigentlich gut sind. Die Wissenschaftler gingen nun der Frage nach, inwieweit eine gute Arbeitsbeziehung dazu führt, dass die Mitarbeiter ihre Führungskraft für negatives Verhalten belohnen. Der Hintergrund: Forschungen zeigen, dass sich Angestellte nach negativem Führungsverhalten eher kontraproduktiv verhalten, weil sie sich ärgern oder dem oder der Vorgesetzten die Schuld dafür geben.

In der ersten Studie legten die Forscher 200 Befragten Szenarios vor, in denen missbräuchliches Führungsverhalten beschrieben wurde und erhoben, wie die Teilnehmenden damit umgehen würden und wie sie sich gegenüber dem oder der Vorgesetzten verhalten würden. Weil Szenarios hypothetisch sind und um Daten aus der Realität zu erhalten, organisierten die Forscher zusätzlich eine Tagebuchstudie, bei der weitere 275 Teilnehmende nach einer Eingangsbefragung 10 Arbeitstage lang zwei Mal täglich eine Onlinebefragung ausfüllten, ob sich Vorgesetzte negativ verhalten hatten und wie sie damit umgingen.

Die Wissenschaftler weisen darauf hin, dass sich die Beschuldigung anderer und der eigenen Person nicht ausschließen. Beide könnten durchaus parallel stattfinden, bis eine der widersprüchlichen Dynamiken die Oberhand gewinne, damit die kognitive Dissonanz zurückgehe. Auch aus anderen Studien, die nicht das Arbeitsleben untersuchten, sei bekannt, dass etwa Beziehungspartner sehr ambivalent, also gleichzeitig als Quelle eines Konflikts und als Unterstützung wahrgenommen werden können. Die Wissenschaftler verweisen zudem auf eine Studie, wonach negatives oder toxisches Führungsverhalten in 85 Prozent der Unternehmen im deutschsprachigen Unternehmen vorkomme. Es ziehe das Risiko nach sich, dass Mitarbeitende psychische Probleme entwickelten.

Christian Tröster, Niels Van Quaquebeke: When victims help their abusive supervisors: The role of LMX, self-blame, and guilt. Academy of Management Journal, 2021. DOI: 10.5465/amj.2019.0559

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