Wie aus dem Nichts

Warum narzisstische Personen manchmal unvermittelt andere angreifen und warum das etwas mit unbewusstem Narzissmus zu tun hat.

Was uns im Kopf umtreibt, ist uns nicht immer bewusst, das gilt auch für narzisstische Personen. © Mads Perch/Getty Images

Unvermittelt – scheinbar aus dem Off – werden narzisstische Personen manchmal aggressiv, greifen Kolleginnen und Kollegen an oder machen sich lustig. In so einem Moment wird nach Meinung von Forschenden wohl von außen unbemerkt ein narzisstisches Selbstkonzept „angetriggert“, was das impulsive und unreflektierte Verhalten zur Folge hat. Nun zeigt eine Studie: Kommt dieses unreflektierte narzisstische Agieren mit bewusstem Handeln zusammen, etwa der Abwertung anderer zugunsten der Aufwertung des eigenen Selbst, kann das im Arbeitsleben eine „toxische Mischung“ sein, schreiben die Autoren, die Forscher Ramzi Fatfouta und Dominik Schwarzinger von der HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Berlin. Eine Studie mit rund 500 Angestellten aus Finanz-, Versicherungs- und anderer Dienstleistungsunternehmen bestätigte das nun.

Die Wissenschaftler halten die Unterscheidung zwischen den unbewussten und bewussten Anteilen des Narzissmus für notwendig, um die seit langem nachgewiesenen negativen Auswirkungen auf das Verhalten bei der Arbeit besser zu verstehen. Die Studienergebnisse zeigen nach Auffassung der Autoren, dass implizit narzisstisches Verhalten sowie selbst berichteter Narzissmus miteinander interagieren und somit sich noch stärker kontraproduktives Verhalten zeigt, wie beispielsweise andere zu attackieren, lächerlich zu machen, aber auch bewusst weniger Leistung bringen.

Die unbewussten Anteile narzisstischen Verhaltens

Fatfouta und Schwarzinger ließen die Angestellten mehrere Fragebögen zum normalen, expliziten Narzissmus sowie zum so genannten impliziten Narzissmus ausfüllen. Bei letzterem antworten die Teilnehmenden nicht direkt auf Fragen wie „Wenn ich mich kritisiert fühle, verteidige ich mich sofort“, sondern reagieren sehr schnell auf bestimmte Kategorien von Begriffen, die einen Bezug zum „Ich“ oder keinen dazu haben und weitere Begriffe, die narzisstischen Bezug haben oder keinen solchen Bezug. So wollen Wissenschaftlerinnen unbewussten Haltungen auf die Spur kommen, die das alltägliche Verhalten prägen. Ein dabei häufig verwendeter Fragebogen ist der Implicit Association Test.

Des Weiteren fragten die beiden Forscher danach, inwieweit die Teilnehmenden kontraproduktives Verhalten bei der Arbeit bewusst gezeigt hatten, also etwa Kolleginnen und Kollegen beleidigt hatten, absichtlich langsam oder nachlässig gearbeitet hatten, sich zurückgezogen hatten sprich, insgesamt sich nicht im Interesse ihrer Organisation und der dort Arbeitenden verhalten hatten. Allen war zugesichert worden, dass die Befragung anonym war und die Antworten vertraulich.

Es zeigte sich, dass expliziter, also selbst berichteter Narzissmus solch kontraproduktives Verhalten signifikant vorhersagte. Der implizite, verborgene Narzissmus, der sich in impulsiven und unreflektierten Verhalten ausdrückt, beeinflusste diesen Zusammenhang zusätzlich. Die narzisstischen Probandinnen und Probanden kannten also ihr Verhalten. Doch manchmal verhielten sie sich offenbar auch kontraproduktiv, ohne dass es ihnen bewusst war oder dass sie darüber nachgedacht hatten.

Offenbar, so die Forscher, interagierten beide, expliziter und impliziter Narzissmus, miteinander. Sie empfehlen, dass implizite Persönlichkeitseigenschaften, die das Verhalten von narzisstischen Personen in der Arbeitswelt ebenso prägten wie das bewusste, in der Forschung stärker in den Blick genommen werden sollte.

Ramzi Fatfouta, Dominik Schwarzinger: Explicit and implicit narcissism and counterproductive work behavior. Applied Psychology, 2023. DOI: 10.1111/apps.12482

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