In meiner Ausbildung zur Psychotherapeutin in einer Rehabilitationsklinik sah ich Menschen mit verschiedensten Arbeitsproblemen. Eine Gemeinsamkeit bei vielen war, dass sie in ihrer „eigentlichen Erkrankung“, wegen der sie in die Rehaklinik gekommen waren, schon gute Behandlungserfolge erzielt hatten. Sie hatten etwa nach einer depressiven Episode wieder Freude und Lust auf Aktivitäten – jedoch kamen sie plötzlich mit dem Wunsch, „nach der Reha noch eine Weile krankgeschrieben zu bleiben“. Es stellte sich…
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sie plötzlich mit dem Wunsch, „nach der Reha noch eine Weile krankgeschrieben zu bleiben“. Es stellte sich heraus, dass sich nach oft monatelanger Abwesenheit vom Arbeitsplatz Ängste aufgebaut hatten, etwa vor Überforderung, vor unangenehmen sozialen Situationen oder dass Einschränkungen nicht akzeptiert würden.
Schnell war klar: Die arbeitsbezogenen Ängste verschwinden nicht automatisch, wenn die depressive Stimmung verschwindet. Frühzeitig und konkret die Arbeitssituation zu besprechen kann helfen, derartige Ängste zu entdecken und gezielt zu behandeln. Eine Fortführung der Arbeitsunfähigkeit ohne aktives Angehen gegen die Angst bringt zumeist das Gegenteil, nämlich ihre Verfestigung und Ausbreitung. Das Gute an der Angst ist, dass sie im Grunde selbst ein Angsthase ist: Geht man gezielt, vorbereitet und schrittweise auf sie zu, macht sie sich aus dem Staub.
Prof. Dr. Beate Muschalla ist Verhaltenstherapeutin und Supervisorin mit Zusatzbezeichnung Sozialmedizin. Sie ist Professorin für Psychotherapie und Diagnostik an der Technischen Universität Braunschweig. Sie beschäftigt sich mit Arbeitsangst, Arbeitsfähigkeit, Verbitterungsphänomenen und Weisheit.