Wer Raphaela Edelbauers Website besucht, den empfängt die Zeichnung eines riesigen, finster dreinblickenden Tintenfisches – doch dann, auf ihrem Porträtfoto, lächelt sie freundlich. Wer ihr auf Twitter folgt, liest Heiteres, Persönliches, aber bisweilen kann man ihr auch zusehen, wie sie eine Art Essenz aus Immanuel Kants Kritik der reinen Vernunft zur Melodie von Boney M.s Gassenhauer Ma Baker intoniert („Kakakakant, synthetisch ist Mathematik“). Slapstick, Philosophie, harte Naturwissenschaft, Kunst: Für…
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(„Kakakakant, synthetisch ist Mathematik“). Slapstick, Philosophie, harte Naturwissenschaft, Kunst: Für Raphaela Edelbauer sind das keine Gegensätze. In ihrer Literatur ist das alles vereint.
Zum Interview erwarte ich sie in der Lobby eines Hotels im 10. Wiener Bezirk, nicht weit von ihrer Wohnung. Es erscheint eine unauffällig in Freizeitbluse und Sommerhose gekleidete Frau von 30 Jahren, zugewandt, freundlich und eloquent. Sie singt nicht. Sie spricht klar, nicht in Rätseln, mit leichtem Wiener Zungenschlag. Wir reden bei einem Glas Soda Zitron, später bei einem Bier, und als der Kellner das Essen serviert – für sie einen Burger –, reden wir weiter. Wir reden über ihren vielbeachteten ersten Roman Das flüssige Land.
Frau Edelbauer, Ihr Roman spielt in einer fiktiven Kleinstadt namens Groß-Einland, einer seltsamen, abgekapselten Welt. Was ist das für ein Ort, der in keinem Atlas, keinem Telefonbuch verzeichnet ist?
Es ist ein Ort, an dem sich verschiedene Epochen Österreichs in größter Dichte sedimentiert haben, wo Monarchie mit der Neuzeit, mittelalterliche Mythen mit dem modernen Leben koexistieren. Meine Ich-Erzählerin, die Physikerin Ruth Schwarz, muss nach dem Tod ihrer Eltern hier an deren Geburtsort das Begräbnis organisieren. Ruth ist als Neuankömmling anfangs befremdet von dieser merkwürdigen Welt, gewöhnt sich dann aber schnell ein. Sie siedelt sich für eine irrational lange Zeit dort an und taucht damit auch immer weiter in das Soziotop ein, das diese komische, aus der Zeit gefallene Gemeinde ist. Sie entdeckt dort mehr und mehr die Spuren von Verbrechen aus dem Nationalsozialismus, in die sie sich schließlich in dem Maß, in dem ihre Mitwisserschaft wächst, auch selbst zu verstricken beginnt.
Es hat noch eine Bewandtnis mit diesem Ort: Er ist auf einem gigantischen, weitverzweigten Höhlensystem erbaut. Er hat keinen festen Grund, unter der pittoresken Oberfläche ist alles durchlöchert.
Tatsächlich steht die Gemeinde auf einem porösen Grund, und sie droht langsam abzusinken. Die Bewohner Groß-Einlands versuchen, diesen langsamen Untergang zu ignorieren, irgendwie ist ihnen der Vorgang peinlich, man spricht nicht darüber. Man treibt Symptombekämpfung, spachtelt hier einen Mauerspalt zu, ersetzt dort ein abgebrochenes Fensterbrett. Sie sind seit Generationen daran gewöhnt, dieses Absinken hinzunehmen. Sie nehmen es nicht einmal mehr richtig wahr. Sie haben da einen blinden Fleck.
Sie konstruieren in dem Roman eine mythische Legende um dieses Höhlensystem unter der Gemeinde, basierend auf einer jahrhundertealten Sage vom „Pergerhannes“, einem reichen Geschäftsmann, der im Silberrausch Stollen in den Berg treiben ließ und dort unten „in der tiefsten Schlurft seiner Grube“ den Teufel getroffen haben soll.
Ich glaube, dass in solchen Mythen und Märchen oft Wahrheiten kodiert sind. Es ist der Versuch, schreckliche Dinge zu chiffrieren, über die man explizit nicht sprechen kann. In Grimms Märchen etwa entlädt sich oft ein unglaublicher Hang zur Gewalt. Dort geschehen grausame Dinge, über die man literal gar nicht in der Lage wäre zu kommunizieren. Aber im Mythos, symbolisch verkleidet als Urkräfte, geht es. Im Fall von Groß-Einland ist der Mythos um diese Höhlen eine kodierte Bewältigung der nationalsozialistischen Vergangenheit. Wenn in den Erzählungen etwa von Kindern die Rede ist, die in den Löchern verschwunden sind, die sich plötzlich im Erdboden auftaten, dann steht das für Roma und Sinti, die in der NS-Zeit verschleppt und ermordet wurden.
Welche Leichen haben die Groß-Einländer da nicht nur sprichwörtlich in ihrem Keller?
Meine historische Vorlage war ein Verbrechen in meinem Geburtsort Hinterbrühl, einer Vorstadt von Wien. Dort gab es eine Außenstelle des KZ Mauthausen, in der mehr als 2000 Zwangsarbeiter unter Tage Flugzeugteile zusammengeschweißt haben. Am Ostersonntag 1945, als die Alliierten näherrückten, wurden manche der Gefangenen mit Benzininjektionen ermordet und verscharrt. Hunderte weitere starben auf dem Todesmarsch ins KZ.
Ein finsteres, tief verästeltes Stollengewölbe unter der freundlichen Oberfläche: Steht die Metapher für das Unbewusste mit seinen verdrängten Schrecken?
Das Wesentliche an einer Metapher ist nun mal, dass man sie nicht vollständig explizit erklären kann. Wenn ich das könnte, hätte ich nicht 400 Seiten Roman drumherum schreiben müssen. Natürlich kann man dieses Höhlengewölbe mit dem Unbewussten assoziieren. Auf einer anderen Ebene hat es aber auch mit der Natur zu tun, auch der menschlichen Natur, die die Kruste der Zivilisation, die wir auf ihr errichtet haben, zunichtemacht. Es ist ein Untergrund, der am Ende doch wieder ausspuckt, was man für immer vergraben meinte.
Groß-Einland ist eine seltsam zeitlose Welt, ähnlich wie das Sanatorium Berghof in Thomas Manns Zauberberg. Jeder Tag vergeht wie der andere, und abends trifft man alle in der Kneipe. Solch ein rhythmischer Ablauf, der die Zeit strukturiert, gibt Menschen Geborgenheit, und so scheint es auch Ihrer Protagonistin Ruth zu ergehen.
Ruth scheint dieses rhythmische, bis ins Kleinste geregelte Leben inmitten von vermeintlicher Kleinstadtidylle und Natur tatsächlich widerwillig zu genießen. Sie steht für viele Vertreter meiner Generation, für die Heimat und jede Form von Verwurzelung vorgeblich verpönt ist. Man gibt vor, auf dem ganzen Globus daheim zu sein. Doch gleichzeitig haben dieselben Menschen eine absolute Sucht nach Heimat und Geborgenheit.
Ruth schildert sich selbst als „verloren in der Zeit“. In ihrem alten Leben an der Universität hatte sie gar keinen natürlichen Biorhythmus, sie arbeitete und schlief in einer chaotischen Abfolge. Sie ist tablettensüchtig, nimmt massenweise Beruhigungsmittel und andere Psychopharmaka ein.
Diese Verwirrung und die Tablettensucht machen Ruth zu einer unzuverlässigen Erzählerin, und ich bin ein großer Fan des unzuverlässigen Erzählens. Es wäre doch langweilig, über jedes Detail einer Chronologie Bescheid zu wissen. Solch eine säuberliche Zeitordnung ist auch gar nicht die Art, wie wir die Welt erleben. Unser Empfinden ist grundsätzlich unchronologisch. Ruth leidet unter diesem zeitlichen Durcheinander und versucht es mit Medikamenten zu therapieren – was es aber letztlich nur noch schlimmer macht. Im Roman ist das für mich eine Möglichkeit, zu demonstrieren, wie brüchig unser Alltagsverständnis von Zeit ist. Ich bin überzeugt: Es gibt eigentlich gar keine Zeit.
Wie ist es denn um die zeitliche Tagesstruktur von Ihnen, Raphaela Edelbauer, bestellt?
Als Freiberuflerin bin ich darauf angewiesen, mir den Tag sehr diszipliniert einzuteilen. Ich habe feste Zeiten, an denen ich arbeite, ich treibe jeden Nachmittag ab 17.30 Uhr Sport – Rudern auf der Donau –, und ich gehe immer zur selben Zeit zu Bett.
Ziemlich strukturiert für jemand, der behauptet, dass es die Zeit gar nicht gibt!
Haha, das ist schon wahr. Vielleicht ist das Strukturieren für mich gerade deshalb wichtig, weil die Zeit selbst ein so unsicherer Gegenstand ist.
Was fasziniert Sie an der Zeit?
Zeit ist ein total interessantes Phänomen, weil sie physikalisch nicht zu erklären ist – jedenfalls nicht so, wie es uns der gesunde Menschenverstand vorgaukelt. Die Zeittheorien der Physik sind völlig unintuitiv. Zum Raum haben wir ein viel unmittelbareres Verhältnis: Links, rechts, oben, unten, da fällt uns die Orientierung relativ leicht. Bei der Zeit ist das anders. Es fängt damit an, dass die gemessene Zeit ganz anders vergeht als die empfundene Zeit. Damit lässt sich übrigens auch erzählerisch effektvoll arbeiten: Man kann Romanpassagen schnell machen und an anderer Stelle nimmt man das Tempo heraus. In meinem Roman ist Ruth am Schluss entsetzt, wie viele Jahre außerhalb von Groß-Einland seit ihrem Aufbruch vergangen sind, ihr kam das kürzer vor.
Sie streuen – getarnt als Auszüge aus der Habilitationsschrift, an der Ruth arbeitet – im Roman immer wieder Passagen zu quantentheoretischen und anderen Zeittheorien aus der Physik ein, nach deren Lektüre einem ganz schwindlig im Kopf ist. Wie kommt es, dass Sie sich als ehemalige Sprachkunststudentin dermaßen gut in diesem Nerd-Wissensgebiet auskennen?
Das ist einfach ein Interesse und eine Vorliebe von mir. Naturwissenschaften versuchen zu ergründen, was der Fall ist – aber sie relativieren dabei eben auch immer, was der Fall ist. Mir kommt es darauf an, auf eine erzählerische Weise zu zeigen, dass die Wirklichkeit nicht so fest und eindeutig ist, wie wir uns sie gerne vorstellen. Und außerdem liefern mir diese naturwissenschaftlichen Modelle immer wieder einen Zugriff auf einen unverbrauchten Metaphernschatz – es gibt nicht so viele andere Romanciers, die mit physikalischen Metaphern arbeiten!
Wenn es um die Zeit geht, wird gern ein Aphorismus von Augustinus zitiert: „Was aber ist Zeit? Wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es; will ich es einem Fragenden erklären, weiß ich es nicht.“ Wie würden Sie Zeit erklären?
Ich denke tatsächlich, dass es die Zeit, wie wir sie uns vorstellen, nicht gibt. Das ist das Erschreckende.
Aber wir leben doch in der Zeit! Jede unserer Bewegungen erfordert zeitliche Koordination. Und wir machen Pläne, wir werden älter und sterben. All dies spielt sich in der Zeit ab.
Schon, aber ob das alles so hübsch hintereinander passiert, das ist die Frage. Unser Alltagsverständnis von Zeit wird ja nicht dadurch obsolet, dass wir auf einer tieferen Ebene erkennen, wie fraglich es ist. Auch wenn ich weiß, dass dieser Tisch hier eigentlich nicht fest ist, sondern aus lauter Atomen besteht, bleibt er für mich doch ein Tisch. Aber wenn ich einfach leugne, dass er aus Atomen besteht, ist es auch blöd. Dann lebt man in einer fortdauernden Illusion.
Auch Psychologen haben auf ein paar Eigentümlichkeiten unseres Zeitempfindens hingewiesen. Zum Beispiel existieren in unserem Erleben Vergangenheit und Zukunft eigentlich gar nicht, sondern immer nur die Gegenwart. Wenn wir uns an etwas Vergangenes erinnern, dann ist es ein Rekonstruieren dieser Szene, die jetzt in unserem Bewusstsein wiederaufgeführt wird. Und auch die Zukunft nehmen wir natürlich nicht wirklich vorweg, sondern stellen sie uns jetzt vor.
Das deckt sich mit Ruths Erkenntnissen in ihrer fiktiven Habilitationsschrift: dass es nur die Gegenwart gibt und alles andere Verhältnisse sind, die dieses Gegenwartserleben mit anderen Gedanken eingeht. Für mich ist das ein weiteres Beispiel dafür, dass wissenschaftliche Erkenntnisse über die Zeit ein einziges Dekonstruieren von allem sind, was wir intuitiv über die Zeit zu wissen glauben und was uns richtig erscheint. So wie uns die Wissenschaft entgegen unserer Anschauung gezeigt hat, dass die Welt, auf der wir leben, rund und nicht flach ist. Zeit, wie sie uns erscheint, ist ein Scheinphänomen.
Schon in Ihrem Buch Entdecker erwähnen Sie die aberwitzige physikalische Theorie von einem „Blockuniversum“. Sie besagt nach Ihren Worten, „dass alle Zeitpunkte, die sich jemals ereignet haben und ereignen werden, was streng genommen dasselbe ist, ebenso wie die, die sich nie ereignen, nebeneinander in einem gewaltigen Raum liegen“.
Diese Theorie geht unter anderem auf den Physiker Julian Barbour zurück, der in Cambridge unterrichtete. Nach diesem Modell existiert alles gleichzeitig – die Zeit liegt ausgebreitet da wie eine Landschaft. Dort gibt es keinen Zeitstrahl, kein Fortschreiten der Zeit: Alles ist schon da und war immer da. Es gibt dort keine Chronologie, aber Interferenzen, also eine Wechselwirkung, eine Art inhaltliche Verbindung zwischen den Koordinaten dieser Zeitlandschaft. Manche „zeitlichen Ereignisse“ hängen miteinander stärker zusammen.
Vergangenes, Verdrängtes, der Holocaust, das wäre dann nicht nur psychologisch für immer gegenwärtig, sondern auch physikalisch.
Genau. In Das flüssige Land experimentiere ich mit dieser Metapher: Das Verleugnen der vergangenen Verbrechen bringt den Raum, die Landschaft in Bewegung.
Ist es ein Spiel für Sie, wenn Sie diese Zeitkonzepte wie exotische Perlen in Ihrem Roman drapieren?
Es ist mir schon ernst, es geht mir um Erkenntnis. Spiel und Ernst sind für mich kein Gegensatz. Auch Spiele können Wirklichkeit erschließen. Ich sehe nicht ein, wieso philosophische Gedankenexperimente in einem Roman nichts zu suchen haben sollten.
So wie in guten Science-Fiction-Romanen. Lesen Sie solche?
Aber ja, zum Beispiel Stanislaw Lem oder Philip K. Dick, der übrigens auch eine eigene Theorie der Zeit entworfen hat.
An zwei Wendepunkten Ihres Romans taucht eine dämonische Figur auf, die einem David-Lynch-Film entsprungen sein könnte: der Maskenhändler, der Ruth beängstigende Vorträge über die „Traumzeit“ der australischen Aborigines hält. Was ist die Traumzeit?
Es geht dort um einen mythischen Schöpfungsbezug. Die Traumzeit wird von Ahnen bevölkert, aber sie ist kein Jenseits, sondern durchdringt unsere Welt und spiegelt sich in der Landschaft. Zum Beispiel: Wir begehen ein Verbrechen, dessen Auswirkungen die Ahnen in der Traumzeit in Kämpfe verstrickt, und in der Folge entsteht ein See, wo vorher eine Wiese war. Wir sind aber nicht in der Lage, diese permanenten Veränderungen wahrzunehmen – uns kommt es so vor, als sei dort schon immer ein See gewesen. Sie sehen: Andere Ethnien haben ganz andere Vorstellungen von Zeit entwickelt als wir. Fragen Sie meine Mutter, sie ist Ethnologin.
Dann könnte man Ihr Groß-Einland ebenfalls als eine solche mythische Welt sehen, in der die Landschaft die Taten und seelischen Verstrickungen der Menschen spiegelt.
Genau. Und wenn man es so interpretieren möchte: Die dort handelnden Personen sind solche Ahnen, also kristallisierte Prinzipien.
Ihrem Buch Entdecker stellen Sie eine Zeitkritik voran: „Wir leben in einer Welt, die alles entmystifiziert, durchdringt, ‚dekonstruiert‘, verpostmodernt – die uns erzählt, dass in nichts zu tauchen und nichts auf dem Grunde aufzufinden ist.“ Was missfällt Ihnen daran?
Gar nichts. Bloß sehe ich wissenschaftliche Theorien eher wie ästhetische Werke. Sie sind im besten Fall elegante Erklärungen, aber sie haben keinen endgültigen Wahrheitsanspruch. Und auf jeden Fall bin ich kein Freund von Simplifizierungen wie: „Wir sehen keine Farben, sondern das ist ein Gehirnzustand.“ Ein solcher Reduktionismus erklärt null.
Der Welt ihren Zauber zurückzugeben, statt sie zu banalisieren – mit diesem Programm sind vor mehr als 200 Jahren die Romantiker angetreten. Sehen Sie sich in dieser Tradition, sind Sie eine schwarze Romantikerin?
Absolut. Ich liebe die Romantik. Dieser Clash zwischen Rationalität und dem Mystischen, dieses Einsteigen in die eigene Psyche, die Verinnerlichung des Äußeren und die Veräußerlichung des Inneren, das interessiert mich alles sehr. In meinen nächsten Roman, in dem es um künstliche Intelligenz geht, habe ich viele romantische Motive eingebaut.
PH
INTERVIEW: THOMAS SAUM-ALDEHOFF
Psychologie und Literatur
In unserer Serie sprachen neben anderen
Benjamin Maack über die Innenansicht eines Zusammenbruchs (Heft 9/2020)
Daniel Kehlmann über Magie und Wissenschaft (Heft 6/2020)
Juli Zeh über die Vergeblichkeit einer verbissenen Identitätssuche (Heft 8/2019)
Sie können diese Hefte über unsere Website nachbestellen: psychologie-heute.de/shop
LESEPROBE
Je alpiner die Umgebung wurde, desto feingliedriger zogen sich die Wogen in die schroffen Gesteine, die abschüssigeren Wege, die nun noch raueren Wälder. Überall sah ich in der Wiese kleine Wellenrücken auftauchen, sich brechen und wieder verschwinden. Der Wind schien den Wald zu schieben, der Wald drückte auf den Nebel und der Nebel auf die Grasflächen, die sich nach oben in die Wolken stauten, um diese in Bedrängnis zu bringen. Und ich war nicht weniger davon betroffen als die Natur: Etwas, das mich bisher in der Welt gehalten hatte, war aus den Angeln gedreht worden. Das ganze Land stieg unter mir auf; ich befuhr die Wellenzüge einer flüssigen Masse.
Aus dem Roman Das flüssige Land von Raphaela Edelbauer, Klett-Cotta 2019
Raphaela Edelbauer, geboren 1990, studierte in Wien Sprachkunst und Philosophie. 2017 erschien ihr Buch Entdecker. Eine Poetik, illustriert von Simon Goritschnig. Im selben Jahr erhielt sie ein Stipendium des Deutschen Literaturfonds. Ihr 2019 veröffentlichter Roman Das flüssige Land schaffte es auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises. Im Februar 2021 kommt bei Klett-Cotta ihr neuer Roman DAVE heraus, in dem es um künstliche Intelligenz gehen wird
In Mythen und Märchen sind oft Wahrheiten kodiert: schreckliche Dinge, über die man nicht sprechen kann
Wenn ich die Metapher explizit erklären könnte, hätte ich nicht 400 Seiten Roman drumherum schreiben müssen
Ich will erzählerisch zeigen, dass die Wirklichkeit nicht so eindeutig ist, wie wir sie uns gerne vorstellen
Die Traumzeit ist kein Jenseits. Sie durchdringt unsere Welt uns spiegelt sich in der Landschaft
„Ich liebe die Romantik. Diesen Clash zwischen Rationalität und dem Mystischen“
Raphaela Edelbauer, geboren 1990, studierte in Wien Sprachkunst und Philosophie. 2017 erschien ihr Buch Entdecker – eine Poetik, illustriert von Simon Goritschnig. Im selben Jahr erhielt sie ein Stipendium des Deutschen Literaturfonds. Ihr 2019 veröffentlichter Roman Das flüssige Land schaffte es auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises. Im Februar 2021 kommt bei Klett-Cotta ihr neuer Roman DAVE heraus, in dem es um künstliche Intelligenz gehen wird.