Schulfrei

„Homeschooling“: In der Coronapandemie Ausnahmezustand, historisch betrachtet allerdings nicht ungewöhnlich – und mit Potenzial für Lernerfahrungen.

Die Illustration zeigt Eltern, die ihre Kinder während der Coronaepidemie auf verschiedenste Weise unterrichten
Lesen, Ball spielen oder einfach nur herumtollen: Homeschooling ist mehr als nur Unterricht zu Hause. © Rikka Laakso

In meiner frühen Laufbahn als klinische Psychologin habe ich mit jungen Menschen gearbeitet, die die Schule abgebrochen haben. Damals verstand ich das als angstgetriebene Schulverweigerung. Ich dachte mir Programme zur schrittweisen Wiedereingliederung aus. Ich schrieb Briefe, in denen ich als Ziel für eine erfolgreiche Therapie ausgab, wieder regulär zur Schule zu gehen. Das schien mir das einzig Vernünftige zu sein. Doch da war ein Mädchen, Nina, die einfach nicht zurückwollte. Als ich ihr meinen…

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Nina, die einfach nicht zurückwollte. Als ich ihr meinen Standpunkt klarzumachen versuchte, brachen sie und ihre Familie die Beratung ab. Sie kamen nicht mehr.

Ich arbeitete weiterhin mit solchen Kindern, und allmählich bemerkte ich, wie ich mich mit meiner Haltung zunehmend unwohl fühlte. Bei einigen der Kinder hatte die Schulangst tatsächlich einen konkreten Anlass, davon abgesehen war die Schule für sie ein positiver Ort. Doch für andere war die Schule an sich eine quälende Erfahrung. Sie hatten nicht das Gefühl, dass sie dort etwas lernten und sie selbst sein konnten. Ein Junge zeigte seiner Mutter das Bild eines eingesperrten Tiers und sagte: „So fühle ich mich in der Schule.“

Mir war unbehaglich bei dem Versuch, dieses Problem allein bei dem Kind zu verorten, und ich fragte mich: Welche anderen Lernumgebungen wären denkbar, und wie verträglich wären sie für dieses Kind?

Schule ist eine relativ neue Erfindung in der menschlichen Geschichte. In Großbritannien wurde der Schulbesuch erst 1893 verpflichtend. (Red.: In Deutschland wurde die allgemeine Schulpflicht erst mit der Weimarer Verfassung von 1919 für das gesamte Staatsgebiet verbindlich festgeschrieben.) Alison Gopnik, Professorin für Psychologie und Philosophie an der University of California, schreibt in ihrem Buch The Gardener and the Carpenter, dass die Massenbeschulung als Reaktion auf die Industrialisierung im 19. Jahrhundert eingeführt wurde, also in einer ganz spezifischen historischen Konstellation.

Der neue Ansatz sah vor, dass ein Experte, ein Lehrer, eine Gruppe von Kindern in den Fertigkeiten unterrichtete, die sie in ihrem zukünftigen Leben als Arbeiter benötigen würden. Die Lehrer waren die agierenden Personen in der Klasse, und sie kontrollierten, was jeder lernte.

Kinder als Wissenschaftler

Dies trug sich in einer Zeit zu, als die Psychologie als Disziplin kaum existierte. Wir wissen heute eine Menge mehr über das Lernen als im 19. Jahrhundert. Jüngste Lerntheorien, einschließ­lich Gopniks eigener, stellen die Interaktion des Kindes mit seiner Umgebung in den Mittelpunkt. In Gopniks Sicht verhalten sich Kinder wie Wissenschaftler, die Hypothesen entwickeln und diese dann testen. Ihre Studien zeigen, wie selbst sehr junge Kinder Vorhersagen über die Welt machen und ihr Verhalten danach ausrichten. Kinder sind keine passiven Rezipienten der Welt um sie herum, sie sind eigenständige Akteure.

Selbstverständlich weiß das jeder Lehrer. Man kann denselben Unterricht 30 Kindern geben, und sie werden alle unterschiedliche Dinge lernen. Im traditionellen Schulwesen wird das meist als Problem wahrgenommen. Nach Gopniks Auffassung ist diese Vielfalt aber eine menschliche Stärke, die wir unterstützen sollten. Sie hält die Schule zwar nicht für unnötig, aber für weniger wichtig, als viele von uns annehmen. Andere Formen des sozialen Lernens seien „anspruchsvoller und grundlegender“.

Manche Pädagogen sind noch weiter gegangen. Schon 1921 gründete A.S. Neill seine Schule Summerhill, in der die Unterrichtsstunden freiwillig waren. Und Maria Montessori entwarf ihr Erziehungskonzept vor mehr als hundert Jahren. Sie wollte die Kinder befähigen, ihr Potenzial auszuschöpfen, statt Tests zu bestehen. Immer mehr Belege zeigen, dass Montessorischulen hocheffizient sind, selbst dann wenn man Tests als Erfolgskriterium nimmt. In Montessorischulen sind Kinder Akteure ihres Lernens und die Lehrer sind ihre Begleiter.

Der vielleicht radikalste Typ selbstgesteuerter Bildung ist einer, bei dem die Kinder keinerlei Lehrplan folgen müssen, es sei denn, sie wollen es. Ich sprach mit Psychologen, die erforschen, wie Kinder lernen, die nicht in einer Regelschule unterrichtet werden, sondern zu Hause lernen oder in Modellschulen, wie es sie in Europa, Israel und den USA gibt. Was diese unterschiedlichen Ansätze verbindet, ist, dass die Kinder jeweils die Wahl haben, was sie lernen wollen. Selbstgesteuerte Bildung schließt keinerlei bestimmte Lehrmethode aus. Was sie aber ausschließt, ist jede Art von Zwang. Wenn ein Kind aufhören will, darf es aufhören.

Informelles Lernen

Alan Thomas hatte gar nicht vorgehabt, Lernen außerhalb der Schule zu erforschen. Doch als Entwicklungspsychologe an der Charles Darwin University in Australien war er auf eine Art von Lernen aufmerksam geworden, das in einer unmittelbaren Interaktion zwischen Kind und Erwachsenem stattfand – etwas, das man in einer Schulklasse kaum beobachten kann.

Thomas besuchte nun Familien, die ihre Kinder zu Hause unterrichteten. Er wurde sogar eingeladen, für eine Woche bei einer von ihnen zu leben. Er hatte erwartet, Eltern und Kinder in einer Art Simulation des Schulunterrichts in den eigenen vier Wänden anzutreffen. Aber er erkannte schnell, dass viele der Kinder überhaupt nicht formal unterrichtet wurden. In einer Studie mit 100 daheim unterrichtenden Familien in Australien untersuchte er, wie sie dabei vorgingen. Er erzählte mir enthusiastisch von dieser Erfahrung.

„Es ist die faszinierendste Arbeit, die ich je in Angriff genommen habe. Als die Eltern ihre Kinder von der Schule nahmen, begannen viele von ihnen zunächst mit einem ziemlich formellen Unterricht, denn das war der einzige Ansatz, den sie kannten. Doch zu zweit stellte sich diese Art des Unterrichtens als sehr intensiv heraus, so dass viele Eltern ihn schnell auf die Vormittage beschränkten. Die Kinder hatten also viel Freizeit, in der sie ihren eigenen Interessen nachgehen konnten. Viele Kinder sträubten sich auch gegen das direkte Lernen. Wenn man merkt, dass sie nicht mehr hinhören und ihr Blick glasig wird, hat es keinen Sinn fortzufahren.“

Schließlich, so erzählte mir Thomas, fingen die Eltern an, die herkömmliche Art des Unterrichtens generell infrage zu stellen. „Wie Wissenschaftler erkundeten sie Alternativen und verzichteten dabei oft auf all die Strukturen und altersgerechten Maßstäbe der Schule. Und das schien nicht zu schaden, die Kinder entwickelten sich gut und waren gut vorbereitet, wenn sie später wieder in einen formellen Unterricht einstie­gen.“

Alan Thomas beschloss, dieses „in­formelle Lernen“ im Elternhaus tiefgehend zu untersuchen. Mit Harriet Pattison, einer zu Hause unterrichtenden Mutter, führte er in 26 Familien Interviews. „Wir hatten die Idee, dass das Curriculum des informellen Lernens, wenn man so will, die Welt um uns herum ist“, sagt Thomas. „Und in einer Art Fortführung der Art, wie Kinder in ihren allerersten Lebensjahren lernen, greifen sie auf, was sie um sich herum vorfinden. Ich habe seither oft darüber nachgedacht und frage mich, ob nicht im informellen Lernen mehr Lehren steckt als in einem formellen Unterricht, allerdings mit dem Kind als Lehrer. Für einen Beobachter mag es so aussehen, als ob diese flüchtigen Momente des Lernens keinerlei Struktur hätten. Doch für das Kind ergibt das alles Sinn, und irgendwie fügt es all die Puzzleteile zusammen. Es ist, als hätte jedes Kind seine eigene Theorie des Lernens.“

Harriet Pattison unterrichtet heute an der Liverpool Hope University frühe Kindesentwicklung. Sie erzählte mir, wie sie für ihre Doktorarbeit 311 Familien mit insgesamt 400 Kindern befragte, die nicht zur Schule gingen. Sie wollte wissen, wie die Kinder zu Hause lesen lernten. Pattison sagte, sie sei dort aufgenommen worden, als habe sie offene Türen eingerannt. Eltern schrieben ihr seitenweise – und was sie schrieben, war überraschend.

Außerhalb der Schule schien es keine Rolle zu spielen, ob ein Kind mit sieben Jahren schon lesen konnte oder nicht. Anders als in der Schule orientierten sich die Kinder weniger an gedruckten Wörtern. Manche Kinder lernten mit 18 Monaten lesen, andere mit 16 Jahren, und das Alter variierte oft selbst in derselben Familie von Kind zu Kind. Einige Eltern folgten Leselernprogrammen, andere nicht. Einige boten ein anregendes Bildungsumfeld mit vielen ­Aktivitäten, andere nicht. Dessen ungeachtet lernten die Kinder lesen. Einige schlugen einen höheren Bildungsweg ein, nachdem sie erst als Teenager lesen gelernt hatten. „Der wichtigste Befund war, dass es beim Lesenlernen keine allgemeingültigen Regeln gab, keinen festen Kern“, erzählte mir Pattison. „Es gibt nicht die zwei oder drei Dinge, die geschehen müssen, damit das Lesenlernen funktioniert. Es ist ein unglaublich vielfältiger, plastischer Vorgang.“

Thomas’ und Pattisons Forschung wirft ein paar interessante Fragen auf. Was, wenn viele der Lernprinzipien, die wir für allgemeingültig halten, nur für die Schule gelten? Und was, wenn Schule nur ein Weg zur Bildung ist?

Schulen zum Abhängen

Auf der anderen Seite des Atlantiks hatte Peter Gray, Psychologieprofessor am Boston College und erfolgreicher Absolvent des traditionellen Schulsystems, sein eigenes Aha-Erlebnis. Er war inmitten einer Versuchsreihe über Brutpflegeverhalten bei Ratten, als sich zu Hause ein Problem auftat, das ihn als Vater forderte: Sein neunjähriger Sohn Scott weigerte sich, in der Schule mitzumachen. Die Sache verschlimmerte sich, und eine Alternative musste her.

Die Eltern fanden schließlich die Sudbury Valley School in Framingham, Massachusetts. Diese Einrichtung hat wenig mit dem gemein, was wir uns beim Wort Schule vorstellen. Die Kinder suchen sich aus, was sie den ganzen langen Tag tun wollen. Das heißt, dass man dort ständig Kinder antrifft, die draußen herumtollen, Computerspiele machen, miteinander schwatzen, malen, musizieren, Konstruktionen aus Pappkartons errichten, Lehmkuchen backen, Briefe schreiben, fernsehen. Sich aussuchen heißt hier wirklich: die Wahl haben.

Gray sorgte sich um die Zukunftsaussichten seines Sohns in solch einer Umgebung, und so entschloss er sich zu einer Studie über die Abgänger der Schule. „Und das überzeugte mich, dass ich mir keine Gedanken machen musste: Die Schulabsolventen kamen in der Welt gut zurecht. Doch das gab mir Rätsel auf, denn in Framingham tun die Schüler nicht viel, wenn nicht sogar nichts, das nach Schule aussieht. Und doch haben sie später ein erfolgreiches Leben und wechseln problemlos in eine höhere Schullaufbahn, wenn sie sich dafür entscheiden. Auf welche Weise erwerben sie also ihre Bildung? Es sieht so aus, als ob sie nur spielen und herumhängen und tun, was Kinder eben nun mal so tun.“

Das alles ist nun Geschichte. Grays Sohn Scott schloss die Schule 1987 ab, wechselte zum Boston College, wo er 1991 seinen Abschluss machte. Seine Erfahrungen beim Übergang beschrieb er 1993 in einem Artikel für die Washington Post: „Viele nehmen an, dass es schwerfällt, nach der Sudbury Valley School die strukturierte Lernwelt eines Colleges zu überleben, aber für mich traf das Gegenteil zu. Die meisten Studienanfänger sind daran gewöhnt, dass man ihnen sagt, was sie wann tun sollen, aber ich war es gewohnt, mich selbst zu steuern. Während die anderen Studenten erst lernen mussten, selbst nach Antworten zu suchen, kannte ich überhaupt keinen anderen Weg. Bisweilen wird das ‚Unstrukturierte‘ meiner Schule kritisiert – doch gerade ohne formelle Disziplin lernen Menschen, sich selbst zu disziplinieren. Ich verbrachte acht Jahre damit, Spiele zu spielen, Gedanken auszubrüten und mit Menschen zu interagieren: Dinge zu tun, statt gesagt zu bekommen, wie ich sie tun sollte.“

„Fast jeder glaubt, dass das, was wir Schulunterricht nennen, essenziell ist, dass wir irgendwie durch dieses gestaffelte Curriculum durchmüssen und dass jeder, der das nicht schafft, in der Obdachlosigkeit oder im Prekariat landen wird“, erläuterte mir Gray im Gespräch. „Das wird bestärkt dadurch, dass in der Tat einige Menschen, die die Schule abbrechen, nicht gut in der Welt zurechtkommen. Doch wenn sich jemand aus freien Stücken dafür entscheidet, nicht zur Schule zu gehen, und in einer Umgebung aufwächst, in der er sich selbst Bildung aneignen kann, und dabei das Kommando übernimmt, dann ist das eine ganz andere Situation, als wenn man sich selbst als Abbrecher und als Verlierer sieht.“

Thomas und Pattison oder Gray behaupten nicht, dass alle Kinder, die außerhalb herkömmlicher Schulen unterrichtet werden, später erfolgreich sein werden. Doch ihre Forschung zeigt, dass Schulunterricht nicht unverzichtbar für späteren Erfolg ist, bis hin zu Universitätsbesuch und Berufskarriere. Für manche Kinder bedeutet diese Alternative, dass sie vorankommen, wo sie ansonsten gescheitert wären.

Bildung ohne Lehrplan

Wenn wir anerkennen, dass Kinder außerhalb des Schulsystems unterrichtet werden können, oft mit keinerlei augenscheinlich pädagogischer Struktur, dann stellt sich die Frage, wie das möglich ist. Was geschieht während des „Abhängens“?

Den früheren Sekundarschullehrer Kevin Currie-Knight, heute Lehrerausbilder an der East Carolina University, fasziniert die grundlegende Frage, wie Bildung bei Kindern vonstattengeht. Als er vor Jahren den Unterricht für eine seiner Klassen vorbereitete, stolperte er über Forschungsartikel, die all seine Annahmen über Schule und Lernen infrage stellten.

„Eine ganze Menge Schüler“, so erläuterte er mir, „erleben die Schulausbildung als einen Parcours von Reifen, durch die sie springen müssen. Das Lernen ist irgendwie sekundär. Das Durch-die-Reifen-Springen hat Priorität: Ergattere die Note, ergattere den Schein, Lernen ist bloß das, was du tun musst, um dorthin zu kommen. Wenn man allerdings davon ausgeht, dass das Lernen selbst das Ziel sein soll, dann ist das kein sonderlich guter Weg.“

Als Currie-Knight sich weiter mit diesem Thema beschäftigte, stieß er auf eine Domäne, in der das Lernen ziemlich verschieden von dem in der Schule ist, jedoch nicht minder komplex: Videospiele. „Wir stellten fest, dass die Entwickler solcher Spiele den Code geknackt haben, um dessen Entschlüsselung sich Bildungsforscher jahrhundertelang bemühten: Wie kriegt man Kinder dazu, motiviert weiter zu lernen, statt frustriert aufzugeben, weil sie ständig Fehler über Fehler machen?“ Ein Teil der Antwort liegt sicher darin, dass Kinder sich entscheiden, Videospiele zu spielen. Sobald es sie langweilt, hören sie damit auf.

Dies brachte Currie-Knight dazu, über die Funktion von Autonomie und Interesse beim Lernen nachzudenken. Und so beschloss er, das selbstgesteuerte Lernen in seinen Kursen für angehende Lehrer zu erproben. „Ich sagte ihnen, das einzige Kriterium für dieses Projekt sei, mir in irgendeiner Weise zu demonstrieren, dass sie die wichtigsten Punkte der Übungseinheit verstanden hatten. Und ihre Projekte wurden tatsächlich besser! Das hatte ich nicht erwartet. Ich hatte mir vorgestellt, dass sie ihre Ziele tiefer hängen und den einfachsten Weg gehen würden. Doch tatsächlich taten sie eher das Gegenteil: Sie reichten größere und längere Projekte ein.“

Je mehr Autonomie Currie-Knight seinen Lehrern gab, desto mehr strengten sie sich an. Der Psychologe Edward Deci, der später mit Richard Ryan die einflussreiche self-determination theory entwarf, ging schon 1969 als Doktorand der Frage nach, warum über die Jahre oft die Neugier von Menschen schwindet. Seine Studien zeigten, dass äußere Motivatoren die intrinsische, von innen kommende Motivation beschädigen: Wenn ein Kind für eine Aufgabe belohnt wurde, die ihm Spaß gemacht hatte, dann hörte es häufig damit auf, sobald die Belohnung ausblieb. War es jedoch erst gar nicht belohnt worden, blieb es mit größerer Wahrscheinlichkeit am Ball. Es könnte also gerade der Mangel an externen Motivatoren sein, der zu Hause unterrichteten Kindern ihre intrinsische Motivation bewahrt. Sie lernen aus innerem Antrieb und auf flexible Weise von der Welt um sie herum. Wenn sie später ein akademisches Studium aufnehmen, behalten sie diese Haltung bei.

Allerdings: Auch wenn Kinder eigenständige Akteure beim Lernen sind, können sie natürlich nur das lernen, was ihnen zugänglich ist. Nichts aus der geschilderten Forschung legt nahe, dass Kinder sich ihre Bildung ohne Erwachsene aneignen können. Sie weist Erwachsenen in diesem Prozess bloß eine andere Rolle zu. Statt Informationen und Fertigkeiten zu vermitteln (und dann zu versuchen, die Kinder zu motivieren, diese zu lernen), sollten sich Erwachsene darauf konzentrieren, für das Kind eine interessante, altersangemessene Lernumgebung zu kreieren, die es erkunden kann. Das ist dann unsere Herausforderung.

© British Psychological Society. Reproduced with permission of the Licensor through PLSclear. Übersetzung: Thomas Saum-Aldehoff

Dr. Naomi Fisher promovierte an der University of London. Als klinische Psychologin und Therapeutin arbeitet sie heute schwerpunktmäßig mit autistischen Kindern.

Zum Weiterlesen

Alan Thomas, Harriet Pattison: Informelles Lernen. Wie Kinder zu Hause lernen. Tologo, Leipzig 2016

Peter Gray: Befreit lernen. Wie Lernen in Freiheit spielend gelingt. Drachen, Klein Jasedow 2015

Alison Gopnik: The gardener and the carpenter. What the new science of child development tells us about the relationship between parents and children. Vintage, London 2016

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 9/2020: Meine Zeit kommt jetzt