Was Freiheit für mich bedeutet, fand ich mit neun Jahren heraus. Ich stand auf der Ladefläche eines Geländewagens, meine Tante lenkte einen alten „Bakkie“ über die Schotterwege einer Farm in Namibia. Einige Jahre zuvor war sie in den Südwesten Afrikas ausgewandert. Vor mir lagen fünf Wochen Sommerferien und 16000 Hektar Farmland mit hunderten Pferden, Rindern und Antilopen, hinter mir lag der Schulalltag in Deutschland. Ich fühlte mich ein bisschen wie Pippi Langstrumpf auf Safari. Alles war ein großes Abenteuer für mich.
Zurück in Deutschland jagte ich diesem Gefühl der Freiheit und puren Zufriedenheit immerzu hinterher. Doch egal was ich auch tat oder wo ich gerade lebte: Ich fand es nicht mehr. Nur bei meinen regelmäßigen Reisen nach Namibia. Als Jugendliche nagten Essstörungen und Depressionen an mir. Und obwohl immer irgendwie alles weiterlief, mit den gewöhnlichen Höhen und Tiefen, wurde ich einen Gedanken nicht los: Wie würde mein Leben wohl aussehen, wenn ich nach Namibia auswandern würde?
Die Probleme ziehen mit um
Zwanzig Jahre nach meinen ersten Ferien auf der Farm kündigte ich meinen festen Job und meine Wohnung in Frankfurt. Ich packte all meine Sachen und wanderte aus, so wie meine Tante Ende der Neunziger, die ihrer Liebe zum Land und einem namibischen Farmer gefolgt war. Meine Eltern und Geschwister waren nicht überrascht. „Darauf habe ich schon lange gewartet“, hat meine Mutter gesagt. „Ich hatte schon immer das Gefühl, dass du dort glücklicher bist“, erzählte mir eine gute Freundin. Es war eine ehemalige Professorin, die mir einen Satz schrieb, an den ich seither immer wieder denken musste: „Sie können auswandern, aber Ihre Probleme werden Ihnen folgen.“
966000 Deutsche sind 2020 laut Statistischem Bundesamt in ein anderes Land gezogen. Sucht man bei Instagram nach dem Hashtag „Auswandern“, findet man fast 80000 Beiträge: Bilder von glücklichen Menschen in Flugzeugen, an Stränden und vor Sehenswürdigkeiten, untermalt mit Zitaten über…
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