Wir neigen dazu, Intelligenz als eine positive Eigenschaft zu betrachten, doch das ist ein schwerwiegender Irrtum. Entscheidend ist nicht, wie viel Intelligenz jemand besitzt, sondern wie er sie einsetzt. Manche Anwendungen von Intelligenz sind dunkel. Dunkle Intelligenz ist ein Verhalten, das – absichtlich oder nicht – direkt auf schädliche, schädigende oder sogar toxische Ziele ausgerichtet ist. Sie findet sich im Verhalten böswilliger Diktatoren und Möchtegern-Diktatoren, toxischer Chefinnen, misshandelnder Ehepartner und Autoritäten, die ihre Macht missbrauchen, um Menschen zu schaden, die sich ihnen widersetzen. Dunkle Intelligenz schadet uns, aber wir sind uns dessen oft nicht bewusst – wie bei unsichtbarer Luftverschmutzung.
Gut versteckte dunkle Intelligenz
Dunkle Intelligenz lässt sich mit IQ-Tests nicht gut messen. Tatsächlich bemerken wir sie nicht, weil wir Menschen mit dunkler Intelligenz für nicht „schlau“ halten, sie verbergen ihre Denkleistung oft gut, sind möglicherweise kaum in der Lage, einen zusammenhängenden Satz zu bilden. Ihre Sprache kann abschweifen und wenig oder gar keinen Sinn ergeben. Sie wirken vielleicht, nun ja, eben nicht besonders intelligent.
Aber lassen Sie sich nicht täuschen! Sie können ein Land übernehmen, ihre scheinbar intelligenteren Gegnerinnen und Gegner besiegen und eine Autokratie errichten, während sie diejenigen einschüchtern, die versuchen, sie zu stürzen. Die geheime Gabe besteht darin, dass so viele Menschen, auch sehr kluge, sie oft nicht ernst nehmen und glauben, sie könnten diese Individuen für ihre eigenen Zwecke kontrollieren und manipulieren. Und dann … ist es zu spät.
Toxisches Verhalten wird belohnt – bis es als normal gilt
Die dunkle Intelligenz zeichnet sich dadurch aus, dass oft hochaggressive Mittel zur Kontrolle des Verhaltens anderer eingesetzt werden, meist Mobbing. Solche Menschen appellieren an das Opfergefühl potenzieller Anhängerinnen und Anhänger und belohnen diejenigen, die ihnen folgen, mit einem Gefühl der Zugehörigkeit, während sie die Schwachstellen ihrer Gegnerinnen finden und diese voll ausnutzen. Sie appellieren an das Schlechteste in uns, führen uns vor, wie toxisches Verhalten geht, und belohnen es, bis es als normal gilt. Sie wählen mittelmäßige Menschen aus, die für sie arbeiten, so dass die Untergebenen ihre Jobs nur ihrer Unterwürfigkeit und ihrem unerschütterlichen Gehorsam zu verdanken haben. Diejenigen, die herausragende Arbeit leisten oder moralisch sind, werden bestraft und dienen als Exempel dafür, was mit guten Menschen geschehen wird.
Die Intelligenz der Finsternis zu unterschätzen ist gefährlich. Man bekämpft sie nicht mit einem höheren IQ oder indem man noch tiefer sinkt als sie. Man bekämpft sie mit moralischer Klarheit, Mut, Entschlossenheit und Widerstandskraft und indem man Verbündete findet. Man zögert nicht und wartet nicht. Denn wenn man das tut, werden sie auch dich angreifen, wie Pastor Martin Niemöller einst erkannte.
Robert J. Sternberg ist Professor für Psychologie an der Cornell University in den USA.