„Das Dickicht an Therapieangeboten ist verwirrend.“

Die Vielzahl an unübersichtlichen Therapieangeboten stört Thomas Fydrich. Er möchte Qualitätskontrollen für Heilpraktiker für Psychotherapie.

Die Illustration zeigt den emeritierten Professor für Psychologie, Thomas Fydrich, der findet, dass das Dickicht an Therapieangeboten verwirrend ist
Thomas Fydrich ist emeritierter Professor für Psychologie. Er findet, dass das Dickicht an Therapieangeboten verwirrend ist. © Jan Rieckhoff für Psychologie Heute

Da läuft man durch eine beliebige Stadt in Deutschland. Falls man gerade in psychischer Not ist und schon länger frustriert nach einem Psychotherapieplatz sucht, richtet man den Blick auf die Praxisschilder für Psychotherapie, die an Hauswänden angebracht sind. Man findet allerlei ­Bezeichnungen und Hinweise, die etwas Hoffnung auf professionelle Hilfe machen. Oder man recherchiert im Internet, Stichwort „Psychotherapie“. Da gibt es Ärztinnen und Ärzte, Psychologische und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen – hunderte Adressen. Die Angebote umfassen Versprechen wie: heilendes Coaching, Craniosacraltherapie, Praxis für Heilimpulse, Klang- und Heilhypnose. Es finden sich verwirrende Hinweise auf bestimmte Psychotherapieverfahren und -methoden. Wer sich Therapeut oder Psychotherapeutin nennen darf, ist nicht erkennbar.

Ein wesentlicher Hintergrund für dies Dickicht an verwirrenden Angeboten ist das seit 1939 in Deutschland geltende Heilpraktikergesetz. Es sieht vor, dass sich Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker zwar nicht „Psychotherapeuten“ nennen dürfen, wohl aber „Heilpraktiker für Psychotherapie“ – welch ein Unterschied! Um als Heilpraktikerin für Psychotherapie zu arbeiten, braucht man einen Hauptschulabschluss, ein Mindestalter von 25 Jahren, ein polizeiliches Führungszeugnis, die „gesundheitliche Eignung“ sowie eine bestandene Heilpraktikerprüfung. Was nicht verlangt wird: eine formale Ausbildung, schon gar nicht ein akademisches Studium. Es gibt keine verpflichtende Berufsordnung und keine Qualitätskontrolle. Heilpraktiker und Heilpraktikerinnen können ihre Leistungen zwar nicht mit den (gesetzlichen) Krankenkassen abrechnen, sie sind aber bei ihren Behandlungen auch in keiner Weise an wissenschaftliche Grundlagen und die Evidenzkriterien für Wirksamkeit gebunden.

Diese Situation ist – im Vergleich zum Werdegang von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten –, nahezu unfassbar. Für diese Gruppe ist ein vollständiges akademisches Studium der Medizin oder der Psychologie sowie der klinischen Psychologie und Psychotherapie (auf Masterniveau), ­eine Facharztweiterbildung oder eine postgraduale Psychotherapieausbildung mit einer Mindestdauer von drei Jahren und anschließender Approbations- oder Facharztprüfung sowie eine Beschränkung auf wissenschaftlich anerkannte Psychotherapieverfahren – psychodynamische Psychotherapie, Verhaltenstherapie, systemische Therapie – Voraussetzung. Weiterhin erfolgt für diese Berufsgruppen eine umfassende und fortlaufende Qualitätskontrolle, etwa durch verbindliche von den jeweiligen zuständigen Kammern erlassene Berufsordnungen.

Aus alldem resultiert der klare Ratschlag, bei der Suche nach Psychotherapie unbedingt darauf zu achten, ob eine Approbation vorliegt. Und hieraus folgt weiterhin die klare Forderung an das Gesundheitssystem, Zulassungen für Psychotherapie über das Heilpraktikergesetz in Zukunft nicht mehr zu ermöglichen.

Thomas Fydrich ist emeritierter Professor für Psychologie und leitet das Zentrum für Psychotherapie am Institut für Psychologie der ­Humboldt-Universität zu Berlin.

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 7/2022: Sehnsucht
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