Dieses Zitat von Epiktet (50–138) begegnete mir während der Endphase meines Studiums in der Auseinandersetzung mit psychologischen Konzepten zur Depression. Damals ein für die Psychologie noch junges Thema. Es war noch keine zwei Jahre her, dass auf einer Konferenz diese neuen Sichtweisen vorgestellt und wenig später in dem mich beruflich stark beeinflussenden Buch The Psychology of Depression zugänglich gemacht wurden. Das Zitat stellt in knappster Form den Kern der zweiten Welle der Verhaltenstherapie,…
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gemacht wurden. Das Zitat stellt in knappster Form den Kern der zweiten Welle der Verhaltenstherapie, der sogenannten kognitiven Wende dar. Psychische Erkrankungen, vor allem Depressionen, werden darin als kognitive Störungen gesehen. Der berühmte Psychiater und Psychoanalytiker Aaron Beck formulierte das im Jahr 1976 so: “Depressive disorders are characterized by people’s dysfunctional negative views of themselves, their life experience (the world in general), and their future.” Daraus entwickelten er und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine bis heute sehr erfolgreiche und durch zahlreiche Studien überzeugend empirisch belegte cognitive therapy of depression. Ich hatte das Glück, im Jahr 1979 eine Zeitlang bei dieser Gruppe zu sein und die kognitive Therapie aus erster Hand zu erlernen. Heute, nahezu 50 Jahre, viele klinische Erfahrungen und zahlreiche Therapiestudien später, bin ich unverändert von der wirkmächtigen Richtigkeit dieses Zitats und der Therapie überzeugt.
Martin Hautzinger ist Seniorprofessor für Psychologie an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Dort leitete er von 1996 bis 2019 den Arbeitsbereich Klinische Psychologie und Psychotherapie. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Interventionsforschung (Psychotherapie, Prävention), Depressionen und bipolare Störungen bei verschiedenen Alters- und Zielgruppen. Sein neustes Buch Praxishandbuch Depression. Ursachen – Diagnostik – Therapie hat er gemeinsam mit Mazda Adli herausgegeben (Urban & Fischer 2022)
