Respekt vor mir!

Wer schlecht behandelt wird, fühlt sich schlecht. „Selbstrespekt“ hilft, sich zu wehren. Die Psychologin Daniela Renger erforscht das Phänomen.

Für die eigenen Rechte zu kämpfen kann man lernen. © Joni Majer

Es fühlt sich unangenehm an, wenn man schlechter behandelt wurde als andere. Ob wir in einem solchen Fall standhaft bleiben und für unsere Rechte kämpfen, hängt weniger von unserem Selbstvertrauen ab, sondern stärker davon, ob wir uns selbst respektieren. Die Sozialpsychologin Daniela Renger, Forscherin an der Universität Kiel, nennt das Phänomen „Selbstrespekt“ und definiert den Begriff als Überzeugung, gleichberechtigt und gleichwertig zu sein. Psychologische Forschung gab es dazu bisher nicht. Deshalb…

Sie wollen den ganzen Artikel downloaden? Mit der PH+-Flatrate haben Sie unbegrenzten Zugriff auf über 2.000 Artikel. Jetzt bestellen

und gleichwertig zu sein. Psychologische Forschung gab es dazu bisher nicht. Deshalb hat Renger das Konzept auf den empirischen Prüfstand gestellt.

Die Psychologin entwickelte eine eigene Skala für das Phänomen und erfasste zum Vergleich bei ihren Probanden auch die allgemeine Selbsteinschätzung, Selbstvertrauen, Selbstakzeptanz, Selbstkompetenz sowie psychologisches Anspruchsdenken. Bei Letzterem interessierte die Forscherin vor allem, wie sich Selbstrespekt von Anspruchsdenken abgrenzen lässt.

Anspruchsdenken bedeutet, dass Menschen überzeugt sind, ihnen stehe es mehr als anderen zu, gut und gerecht behandelt zu werden. Es hat also eine „aggressive Komponente“, erklärt Daniela Renger, weil es mit der Neigung einhergeht, diese Ansprüche durchzudrücken – ohne Rücksicht auf andere.

Die Studienergebnisse bestätigen die Vermutung der Forscherin: Teilnehmer, die hohen Selbstrespekt hatten, zeigten sich stärker als Teilnehmer mit niedrigem Selbstrespekt dazu bereit, sich selbst zu behaupten, wenn ihre Rechte gefährdet oder eingeschränkt waren. Auf der anderen Seite zeigten sich Teilnehmer, die zu überhöhtem Anspruchsdenken neigten, stärker bereit, aggressiv zu reagieren, falls ihre Rechte bedroht wurden, und konnten so Konflikte schüren. Selbstrespekt hing dagegen nicht mit aggressiven Reaktionen auf Ungerechtigkeit zusammen. „An dieser Stelle fanden wir also auch eine Bestätigung dafür, welche problematischen Folgen Anspruchsdenken haben kann, während Selbstrespekt zu einer sozial verträglichen Form von Selbstbehauptung führt“, erläutert Renger.

Selbstbehauptung ist wichtig für das Wohlbefinden

Offenbar ist aber Selbstrespekt nicht so selbstverständlich, wie man meint. Ein Ausgangspunkt ihrer Forschung war für Daniela Renger die Beobachtung, dass Menschen oft wenig darauf bestehen, respektvoll behandelt zu werden oder als gleichwertig zu gelten. So verharrten manche Mobbingopfer in Schweigen, anstatt gegen das Unrecht zu protestieren, und in einem Konflikt gaben Beteiligte um des lieben Friedens willen frühzeitig nach. Ungerechtigkeiten im Betrieb oder in der Familie würden hingenommen.

Laut Renger ist dieser Wille, sich zu behaupten, sehr unterschiedlich stark ausgeprägt, auch in jenen Ländern, in denen jeder vor dem Gesetz gleich ist. Dabei ist Selbstbehauptung wichtig für das eigene Wohlbefinden – sei es, dass wir eine Bitte zurückweisen, die wir unangemessen finden, sei es, dass wir unsere Meinung äußern. Unabhängig davon, ob solche Bemühungen zum gewünschten Erfolg führen oder nicht, machen wir damit uns selbst und anderen deutlich, dass wir die gleichen Rechte haben und ernst genommen werden müssen.

Wie so vieles bildet sich Selbstrespekt im Lauf des Lebens aus und ist geprägt von Erfahrungen, erklärt Psychologin Renger. Wenn Menschen als Kinder respektlos behandelt werden, entwickeln sie in nur geringem Maß Respekt vor sich selbst. Das wiederum kann im Erwachsenenleben Nachteile haben: Denn wenn man in einem Konflikt nicht gekämpft hat und schwieg, kann das zu Schuldgefühlen und einem beeinträchtigten Wohlbefinden führen, erläutert die Psychologin.

Selbstrespekt lässt sich lernen

Die gute Nachricht: Niedriger oder hoher Selbstrespekt sind nicht angeboren, sondern entstehen dadurch, dass Respekterfahrungen verinnerlicht werden, sagt Daniela Renger. Wenn sich eine Person in einem Umfeld befindet, in dem sie viele Respekterfahrungen macht, sollte sie so den fehlenden Selbstrespekt ein Stück weit nachholen können. Möglicherweise werden Veränderungen im Selbstrespekt sowohl von außen angestoßen – etwa durch gesetzliche Verbesserungen hinsichtlich Gleichstellung – als auch von einer Person selbst, beispielsweise indem sie sich ein respektvolles Umfeld sucht.

Ein solcher (Selbst-)Emanzipationsprozess ist möglich, jedoch vermutlich mit einigen Anstrengungen verbunden. Psychologin Renger: „Hier liegt noch eine große Aufgabe vor zukünftiger Forschung, um zu beleuchten, inwieweit externe Unterstützungsangebote die Selbstreflexion hinsichtlich wahrgenommener Gleichwertigkeit unterstützen können.“ PH

Daniela Renger: Believing in one’s equal rights: Self-respect as a predictor of assertiveness. Self and Identity, 17/ 1, 2018, 1–21. DOI: 10.1080/15298868.2017.1313307

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 9/2018: Die Kraft des Verzeihens