Im deutschsprachigen Raum hat die Selbstoptimierung einen schlechten Ruf. Wird in der Medienöffentlichkeit über Selbstoptimierung diskutiert, so fallen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Begriffe wie „Zwang“, „Wahn“, „Diktat“, „Sucht“, „Falle“ oder „Hamsterrad“. Googeln Sie mal! Von sozialem Druck und unerfüllbaren Erwartungen ist die Rede, davon, dass wir uns einem unbarmherzigen Leistungsideal unterwerfen und dabei unser wahres Selbst verlieren. Was Letzteres denn eigentlich ist oder sein sollte, spielt eine untergeordnete Rolle. Im Vordergrund steht die Verlust- und Deformationsdiagnose.
Meist wird Selbstoptimierung in einen Zusammenhang mit dem Kapitalismus, dem Neoliberalismus und dem Quantified Self gerückt. Der überzogene Anspruch an das eigene Leben erscheint dann als Äquivalent zu überzogenen Ansprüchen an Wohlstandssteigerung und Wirtschaftswachstum. Wie nimmersatte Kapitalisten die Ressourcen der Erde ausbeuten, beuten nun Individuen ihre physischen und vor allem psychischen Ressourcen aus. Und wie der Geist der Rationalität alles in Zahlen ausdrückt, wird der vermessene, sich vermessende Mensch angeblich selbst zur Zahl. Diese Kritik hat eine lange Tradition, gerade in Deutschland. So klagte der modernekritische, antisemitische Philosoph Martin Heidegger, die neuzeitliche Quantifizierung ordne das Sein der Herrschaft der Zahl unter. Im Trend zum Kalorien- und Schrittezählen hätte er wohl einen Ausdruck des „uferlose[n] Treiben[s] verstandesmäßiger Zergliederung“ gesehen, das er dem Judentum zuschrieb.
Vor allem Menschen, die ihre Schäfchen bereits ins Trockene gebracht haben, können sich den Luxus erlauben, Selbstoptimierung abzulehnen. In einer komfortablen Situation, gleichsam am Ende der Geschichte, schimpft es sich leicht auf die Optimierung der anderen. Jenen indes, die keine…
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