Tauziehen mit der Angst

ANGST: Wir sollten nicht gegen unsere Angst ankämpfen, sagt Georg Eifert. Im Gespräch erklärt er, wie wir besser mit ihr umgehen können.

Illustration zeigt einen von Stricken gefangenen Mann, der gegen seine Angst kämpft.
Gefangen in der Angst: Gegen sie anzukämpfen, hilft meist nicht weiter. © gettyimages/retrorocket

Georg Eifert ist einer der Mitbegründer der akzeptanz- und achtsamkeitsorientierten Verhaltstherapie ACT. In seiner Therapie empfiehlt er seinen Patienten, nicht mehr mit allen Mitteln gegen ihre Angst anzukämpfen. Wie geht er dabei vor? „Natürlich kann ich als Therapeut nicht ankommen und sagen: Nehmen Sie die Angst doch einfach an, statt sie zu kontrollieren. Dann würden die Leute nach der ersten Sitzung rausgehen und sagen: Danke, das war’s.“

Zunächst einmal gehe es darum zu begreifen, so Eifert, dass es furchtbar anstrengend und kontraproduktiv ist, die Angst als Feind zu betrachten, den es zu besiegen gilt. Dafür arbeitet er gern mit der Metapher vom Tauziehen. „Am eindrücklichsten ist es, wenn man tatsächlich ein Seil in die Hand nimmt und mit allen Fasern spürt, wie anstrengend und schmerzhaft es ist, immer an einer Seite des Seils zu ziehen, während das Angstmonster auf der anderen Seite dagegenhält.“

Genau das erlebten Menschen, die unter starken Ängsten leiden. Sie liefern sich ein Tauziehen mit der Angst. Je mehr sie an einem Ende des Seils ziehen, desto stärker hält das Angstmonster auf der anderen Seite dagegen. „Dieser Kampf dauert oft Jahre, manchmal Jahrzehnte und bringt sie an den Rand der Verzweiflung“, so Eifert. „Die Lösung ist nicht, das Tauziehen mit der Angst mit allen möglichen Tricks oder Brachialgewalt zu gewinnen. Die Lösung ist vielmehr, das Seil fallenzulassen.“

Was passiert, wenn die Patienten das Seil fallengelassen haben, beschreibt er so: „Sie sind unendlich erleichtert und überrascht, dass die Entspannung, die sie sich immer erhofft haben, plötzlich da ist. Wenn sie körperlich erfahren, dass es sich gut anfühlt, den fruchtlosen Kampf zu beenden und loszulassen, sind sie offen dafür, weiterzugehen und einen sanfteren Umgang mit sich selbst zu lernen.“ Dann werde es auch leichter zu verstehen, warum der Kampf, den sie bisher gekämpft haben, ihnen keine Erleichterung beschert hat.

Und dann können sie sich Schritt für Schritt aus ihrem Angstgefängnis befreien und sich ihr Leben zurückerobern.

Das vollständige Interview mit Georg Eifert lesen Sie in unserem aktuellen Themenheft der Reihe Psychologie Heute compact: Negative Gefühle: Schuld, Scham, Eifersucht - unliebsame Emotionen ergründen und an ihnen wachsen 

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