Frau W., 32 Jahre, suchte einen Therapieplatz, weil sie aus dem Gedanken, sie habe sich obszön und sexuell verführend verhalten, keinen Ausweg mehr fand und ihre Wohnung deswegen nicht mehr verließ. Musste sie doch einmal Besorgungen machen, notierte sie genau die Zeiten und Kilometerstände, um sich eine Plausibilitätssicherheit zu geben, dass sie nicht unbemerkt mit einem Mann geschlafen haben könnte.
Da diese „Sicherheit“ aber immer weiter hinterfragt wurde, kreisten ihre Gedanken permanent um diese Frage, und die quälende Ungewissheit belastete sie sehr. Langfristige Folge: Aufgabe ihres Berufs als Bauzeichnerin, Berentung, deutliche Probleme in der Partnerschaft, zunehmende depressive Phasen, sozialer Rückzug, keine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben mehr, medikamentöse Behandlungsversuche, stationäre Aufenthalte in der Psychiatrie – ihr Leben hatte jegliche Lebensqualität verloren.
Dies war der Zeitpunkt der ersten Psychotherapie bei mir. Es wäre ja jetzt naheliegend – und manche Kollegen würden dies auch verfolgen –, der Patientin zu unterstellen, dass sie möglicherweise ein gesteigertes Interesse an sexuellen Abenteuern habe, das sie sich aber nicht eingestehen könne. Davon halte ich im Grunde genommen nichts, denn Zwangsgedanken heften sich an Gedanken, die zwar meist um die Themenbereiche „Schuld“ und „Scham“ gruppiert sind, das geschieht aber meines Erachtens inhaltlich eher zufällig.
Wieder Lebensqualität
Insofern fokussierte ich bei Frau W. auch nicht auf eine sexuelle Thematik, sondern zunächst einmal darauf, wie sie ihrem Leben wieder etwas mehr Qualität geben könnte. Sie fing langsam wieder an, Handarbeiten auszuführen, was ihr früher großen Spaß gemacht…
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