Hier muss es sein. München-Schwabing. Ein Schild weist den Fußweg zum Englischen Garten. Im afghanischen Restaurant an der Ecke brennt kein Licht – Lockdown, es ist Winter in Deutschland. Ich gehe vorbei an schönen Stadthäusern aus der Gründerzeit. Nicht jede Fassade hat kürzlich einen Malerpinsel gesehen. Bei Hausnummer 66 drücke ich den Klingelknopf, jemand betätigt den Summer. Wolfgang Schmidbauer trägt eine Maske, als er die Tür zu seiner Altbauwohnung öffnet. Jackett und Hemd, am Hals zwei Knöpfe offen, länglich graues Zauselhaar. Mit seinen bald 80 Jahren zählt Schmidbauer zur Hochrisikogruppe in der Pandemie. Trotzdem hat er einem persönlichen Treffen sofort zugestimmt. Kein ängstlicher Mann, so viel steht schon mal fest.
Wir gehen in sein Arbeitszimmer. Und da sieht es wirklich genau so aus, wie man sich das vorstellt. Einerseits. Und andererseits: ganz, ganz anders. Denn klar: Dies ist der Raum eines Psychoanalytikers. Ausladend. Man könnte mühelos Tischtennis darin spielen. Hohe Decken. Das Mobiliar entstammt – wie die Grundidee von Sigmund Freuds Lehrgebäude – dem 19. Jahrhundert. Alte Schränke, alte Stühle, alte Tische, ein alter Sekretär. Vor dem Fenster, mit Kuscheldecken belegt, ein Biedermeierbett als Behandlungscouch. „Das hab ich beim Trödler gekauft, als ich noch Student war“, sagt Wolfgang Schmidbauer. „Meine erste Frau war ja Kunsthistorikerin. Damals waren solche Sachen noch überhaupt nicht geschätzt.“
Wir nehmen Platz in drei, vier Metern Abstand. „Hier sitzen ansonsten die Paare, die bei mir eine Beratung machen“, sagt Wolfgang Schmidbauer. Er redet in bayerischem Sound und gelassenem Tempo. Gelegentlich erzählt er kleine Witze und lässt dann ein halbstumm hechelndes Lachen hören. Er…
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